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Straßenporträt:
Die Bellermannstraße: Weit und breit

Ein Straßenzug voller Leben am Gesundbrunnen
24. April 2021
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Brei­te, schö­ne Bel­ler­mann­stra­ße (Foto: Samu­el Orsenne)

Die viel­leicht inter­es­san­tes­te Fla­nier­mei­le am Gesund­brun­nen ist die Bel­ler­mann­stra­ße. Die­se 700 Meter lan­ge, leicht anstei­gen­de Gera­de trägt ihren Namen schon seit 1863, wur­de aber erst ab 1900 bebaut. Vie­le der Miets­häu­ser haben noch klei­ne Vor­gär­ten – oder über­brei­te Geh­we­ge da, wo die­se Vor­gär­ten ver­schwun­den sind. Die luf­ti­ge Brei­te die­ser Kiez­stra­ße ist beein­dru­ckend, aber auch sonst gibt es eini­ges über sie und ihre Men­schen zu erzäh­len. Wir spa­zie­ren sie mit euch entlang. 

Bellermannstr./Prinzenallee. Foto: Sula­mith Sallmann

Fan­gen wir an ihrem nörd­li­chen Ende an. An der Ecke Prin­zen­al­lee rauscht unent­wegt der Ver­kehr an der Tank­stel­le vor­bei. Es lohnt sich, hin­ter die Tank­stel­le in die Hin­ter­hö­fe mit Werk­stät­ten zu schau­en. Dort hat sich frü­her eine Werk­zeug­ma­schi­nen­fa­brik (Carl Has­se & Wre­de) befun­den. Das reprä­sen­ta­ti­ve Vor­der­haus an der Oslo­er Straße116  ist noch erhal­ten und dient wie Tei­le der frü­he­ren Fabrik heu­te als Hotel.

Hier an die­ser wuse­li­gen Ecke herrscht kein Man­gel an Schnell­im­bis­sen, Döner­lä­den und Shi­sha-Bars. Doch wir bie­gen in die Bel­ler­mann­stra­ße, wo es wesent­lich ruhi­ger und kie­zi­ger zugeht. Von den etwas zwie­lich­ti­gen Eta­blis­se­ments der Gegend hebt sich gleich zu Anfang das Mal­ör ab, eine ori­gi­nel­le Mischung aus Crê­pes-Restau­rant und klei­ner Bar. Der aus alten Fens­tern zusam­men­ge­zim­mer­te Vor­bau mit sei­ner Ampel ist wirk­lich ein Hingucker.

Anklänge an das Kloster Chorin

Etwas wei­ter rei­hen sich Miet­häu­ser mit bis zu 4 Hin­ter­hö­fen und ent­spre­chend gro­ßen Klin­gel­schil­dern sowie die 1906-08 gebau­te St. Petrus-Kir­che. Die­se ist – wie vie­le katho­li­sche Kir­chen in Ber­lin – in die Miets­haus­rei­he ein­ge­baut und hat kei­nen hohen Turm, son­dern nur einen dop­pel­ten auf­stre­ben­den Gie­bel, der sich sti­lis­tisch auf die West­fas­sa­de der Zis­ter­zi­en­ser­ab­tei Cho­rin bezieht. Da die Kir­che nach rechts an ande­re Häu­ser ange­baut ist, gibt es die Fens­ter nur zu zwei Sei­ten. Direkt nach der Kir­che ist eine Moschee, was an Frei­ta­gen zu reich­lich Betrieb auf dem Geh­weg führt. Ohne Berüh­rungs­ängs­te wird hier der öffent­li­che Raum (zum Beten) geteilt. Ihren Namen hat die Bel­ler­mann­stra­ße aller­dings von einem evan­ge­li­schen Pfar­rer (hier mehr dazu).

St. Petrus Kir­che in der Bellermannstraße

Gegen­über ist mit dem Pump­werk des Radi­al­sys­tems X, zu des­sen Ein­zugs­ge­biet auch wei­te Tei­le von Prenz­lau­er Berg gehö­ren, ein wich­ti­ger Stand­ort für das Abwas­ser­sy­tem des gan­zen Nor­dens. Die­ses Radi­al­sys­tem ging am 10. Juni 1890 ein Betrieb und hat damals auf das Rie­sel­feld Buch gepumpt. Die alten Kanä­le wer­den erneu­ert und auch mit einem rie­si­gen Stau­raum­ka­nal ergänzt, der Regen­was­ser sam­melt und davon abhält, schnell über die Pan­ke abzufließen.

Unter pixeligem Einstein-Blick

Bel­ler­mann­stra­ße Ecke Stet­ti­ner Straße

Die ers­te Kreu­zung ist die Stet­ti­ner Stra­ße, wel­che die leben­di­ge Bad­stra­ße mit der Haupt­ver­kehrs­ach­se Oslo­er Stra­ße ver­bin­det. An einem Haus an der Ecke prangt neu­er­dings ein Ein­stein-Por­trät aus einem Mosa­ik aus Kacheln. In der Stet­ti­ner Stra­ße gibt es u.a. die sehr gro­ße Kita der ‚Kin­der­gar­ten City’ mit ca. 140 Kin­dern und die Zen­tra­le der Hinz-Kran­ken­trans­por­te. Etwas wei­ter auf der Bel­ler­mann­stra­ße gibt es noch die ver­mut­li­che kleins­te Gale­rie zu bewun­dern (wir waren dort), ehe die Stra­ße wie­der gekreuzt wird.

Bel­ler­mann­stra­ße Ecke Grün­ta­ler Straße

Eine breite Trasse schneidet die Straße

Eck­knei­pe „Beim Dicken“ Foto: Samu­el Orsenne

Falls ihr euch wun­dert, wes­halb die nächs­te Quer­stra­ße, die Grün­ta­ler Stra­ße, so breit ist: Bei die­ser Schnei­se han­delt es sich um eine ehe­ma­li­ge Bahn­tras­se, die sich in den 1990er-Jah­ren in einen schö­nen Grün­zug mit vie­len Spiel­plät­zen und eine Spa­zier­weg ver­wan­delt hat. Die 1842 gebau­te Stet­ti­ner Bahn begann übri­gens einst am „Stet­ti­ner Bahn­hof“ (etwa beim heu­ti­gen Nord­bahn­hof) und schwenk­te am Hum­boldt­hain auf die Hoch­stra­ße. Mit­tels einer Bahn­schran­ke wur­de die Bad­stra­ße über­quert, was natür­lich sehr hin­der­lich war. Ab dort ver­lie­fen die Glei­se eben­erdig neben der Grün­ta­ler Stra­ße wei­ter nach Pan­kow. Ein ein­zi­ges Ver­kehrs­hin­der­nis in der schnell wach­sen­den Reichs­haupt­stadt! Daher wur­de die Stre­cke 1890–97 ver­legt – auf die heu­ti­ge, tief ein­ge­schnit­te­ne Tras­se von Pan­kow über Born­hol­mer Stra­ße, Gesund­brun­nen bis zum Bahn­hof Humboldthain. 

Fête de la Musique 

Die Ecke glänzt mit einem Café, einer Eis­die­le, der Eck­knei­pe “Beim Dicken”, dem paki­sta­ni­schen Restau­rant „Shali­mar“ und Fri­seur­sa­lons sowie Pro­me­na­den zum Sit­zen und Fla­nie­ren. Auch das „Quar­tiers­ma­nage­ment Bad­stra­ße“ hat hier sein Zuhau­se gefun­den. In der Grün­ta­ler Stra­ße gibt es auch ein leben­di­ges Kiez­le­ben, sodass an die­ser Ecke eigent­lich immer etwas los ist. 

Vorbildliche Siedlung

Der „wil­de Wed­ding“ als Thema

Höhe Euler­stra­ße steigt die Bel­ler­mann­stra­ße bereits deut­lich an. Auf der rech­ten Sei­te erkennt man die 1925–28 gebau­te Gar­ten­stadt Atlan­tic – eigent­lich fünf­ge­schos­si­ge Häu­ser­rei­he mit begrün­ten Innen­hö­fen. Hier ist der ehe­ma­li­ge Regie­ren­de Bür­ger­meis­ter Eber­hard Diep­gen auf­ge­wach­sen. Auf den ers­ten Blick eine ganz nor­ma­le Sied­lung, die unter Archi­tek­tur­ken­nern als ein gutes Bei­spiel für den Woh­nungs­bau der Wei­ma­rer Repu­blik gilt. Sie ist vor­bild­lich saniert wor­den und hat ver­mut­lich den längs­ten gebo­ge­nen Innen­hof (zwi­schen den Gebäu­den an der Hei­de­brin­ker und Zings­ter Stra­ße). Auch die lin­ke Stra­ßen­sei­te der obe­ren Bel­ler­mann­stra­ße gehört zu die­sem Ensemble.

Ende an der “Plumpe”

Gar­ten­stadt „Atlan­tic“

Die Stra­ße geht ver­kehrs­be­ru­higt wei­ter (kei­ne Durch­fahrt für Autos) über eine fünf­ecki­ge Kreu­zung mit der Behm­stra­ße und Jüli­cher Stra­ße – und endet an der Swi­ne­mün­der Brü­cke und („Mil­lio­nen­brü­cke“). Heu­te erin­nert fast nichts mehr dar­an, dass sich hier einst das ers­te Sta­di­on von Her­tha BSC befand, das mit sei­nem Spitz­na­men “Plum­pe” in ganz Ber­lin ein Begriff war. Die “Plum­pe” wird noch immer von Alt­ein­ge­ses­se­nen als Syn­onym für den gan­zen Kiez verwendet. 

Aber das ist eine ande­re Geschichte!

Ende der Bel­ler­mann­stra­ße. Foto: Samu­el Orsenne

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

4 Comments

  1. heu­te ist eine info­ta­fel am ende der bel­ler­mann­stra­ße auf­ge­stellt, die auf das frü­he­re sta­di­on hin­weist. grü­ße, det­lef matthes

  2. Ich möch­te noch dar­an erin­nern das sich am Ende der Stra­ße einst ein legen­dä­res Kino befand, die Lichtburg.
    Die­ses Haus hatte,ähnlich wie der Tita­nia Palast in Ste­glitz eine beson­de­re archi­tek­to­ni­sche Wir­kung durch sei­ne Außenbeleuchtung.Im Krieg stark beschä­digt wur­de es aber noch bis in den 50 er Jah­ren betrieben.

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