Die vielleicht interessanteste Flaniermeile am Gesundbrunnen ist die Bellermannstraße. Diese 700 Meter lange, leicht ansteigende Gerade trägt ihren Namen schon seit 1863, wurde aber erst ab 1900 bebaut. Viele der Mietshäuser haben noch kleine Vorgärten – oder überbreite Gehwege da, wo diese Vorgärten verschwunden sind. Die luftige Breite dieser Kiezstraße ist beeindruckend, aber auch sonst gibt es einiges über sie und ihre Menschen zu erzählen. Wir spazieren sie mit euch entlang.
Fangen wir an ihrem nördlichen Ende an. An der Ecke Prinzenallee rauscht unentwegt der Verkehr an der Tankstelle vorbei. Es lohnt sich, hinter die Tankstelle in die Hinterhöfe mit Werkstätten zu schauen. Dort hat sich früher eine Werkzeugmaschinenfabrik (Carl Hasse & Wrede) befunden. Das repräsentative Vorderhaus an der Osloer Straße116 ist noch erhalten und dient wie Teile der früheren Fabrik heute als Hotel.
Hier an dieser wuseligen Ecke herrscht kein Mangel an Schnellimbissen, Dönerläden und Shisha-Bars. Doch wir biegen in die Bellermannstraße, wo es wesentlich ruhiger und kieziger zugeht. Von den etwas zwielichtigen Etablissements der Gegend hebt sich gleich zu Anfang das Malör ab, eine originelle Mischung aus Crêpes-Restaurant und kleiner Bar. Der aus alten Fenstern zusammengezimmerte Vorbau mit seiner Ampel ist wirklich ein Hingucker.
Anklänge an das Kloster Chorin
Etwas weiter reihen sich Miethäuser mit bis zu 4 Hinterhöfen und entsprechend großen Klingelschildern sowie die 1906-08 gebaute St. Petrus-Kirche. Diese ist – wie viele katholische Kirchen in Berlin – in die Mietshausreihe eingebaut und hat keinen hohen Turm, sondern nur einen doppelten aufstrebenden Giebel, der sich stilistisch auf die Westfassade der Zisterzienserabtei Chorin bezieht. Da die Kirche nach rechts an andere Häuser angebaut ist, gibt es die Fenster nur zu zwei Seiten. Direkt nach der Kirche ist eine Moschee, was an Freitagen zu reichlich Betrieb auf dem Gehweg führt. Ohne Berührungsängste wird hier der öffentliche Raum (zum Beten) geteilt. Ihren Namen hat die Bellermannstraße allerdings von einem evangelischen Pfarrer (hier mehr dazu).
Gegenüber ist mit dem Pumpwerk des Radialsystems X, zu dessen Einzugsgebiet auch weite Teile von Prenzlauer Berg gehören, ein wichtiger Standort für das Abwassersytem des ganzen Nordens. Dieses Radialsystem ging am 10. Juni 1890 ein Betrieb und hat damals auf das Rieselfeld Buch gepumpt. Die alten Kanäle werden erneuert und auch mit einem riesigen Stauraumkanal ergänzt, der Regenwasser sammelt und davon abhält, schnell über die Panke abzufließen.
Unter pixeligem Einstein-Blick
Die erste Kreuzung ist die Stettiner Straße, welche die lebendige Badstraße mit der Hauptverkehrsachse Osloer Straße verbindet. An einem Haus an der Ecke prangt neuerdings ein Einstein-Porträt aus einem Mosaik aus Kacheln. In der Stettiner Straße gibt es u.a. die sehr große Kita der ‚Kindergarten City’ mit ca. 140 Kindern und die Zentrale der Hinz-Krankentransporte. Etwas weiter auf der Bellermannstraße gibt es noch die vermutliche kleinste Galerie zu bewundern (wir waren dort), ehe die Straße wieder gekreuzt wird.
Eine breite Trasse schneidet die Straße
Falls ihr euch wundert, weshalb die nächste Querstraße, die Grüntaler Straße, so breit ist: Bei dieser Schneise handelt es sich um eine ehemalige Bahntrasse, die sich in den 1990er-Jahren in einen schönen Grünzug mit vielen Spielplätzen und eine Spazierweg verwandelt hat. Die 1842 gebaute Stettiner Bahn begann übrigens einst am „Stettiner Bahnhof“ (etwa beim heutigen Nordbahnhof) und schwenkte am Humboldthain auf die Hochstraße. Mittels einer Bahnschranke wurde die Badstraße überquert, was natürlich sehr hinderlich war. Ab dort verliefen die Gleise ebenerdig neben der Grüntaler Straße weiter nach Pankow. Ein einziges Verkehrshindernis in der schnell wachsenden Reichshauptstadt! Daher wurde die Strecke 1890–97 verlegt – auf die heutige, tief eingeschnittene Trasse von Pankow über Bornholmer Straße, Gesundbrunnen bis zum Bahnhof Humboldthain.
Die Ecke glänzt mit einem Café, einer Eisdiele, der Eckkneipe “Beim Dicken”, dem pakistanischen Restaurant „Shalimar“ und Friseursalons sowie Promenaden zum Sitzen und Flanieren. Auch das „Quartiersmanagement Badstraße“ hat hier sein Zuhause gefunden. In der Grüntaler Straße gibt es auch ein lebendiges Kiezleben, sodass an dieser Ecke eigentlich immer etwas los ist.
Vorbildliche Siedlung
Höhe Eulerstraße steigt die Bellermannstraße bereits deutlich an. Auf der rechten Seite erkennt man die 1925–28 gebaute Gartenstadt Atlantic – eigentlich fünfgeschossige Häuserreihe mit begrünten Innenhöfen. Hier ist der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen aufgewachsen. Auf den ersten Blick eine ganz normale Siedlung, die unter Architekturkennern als ein gutes Beispiel für den Wohnungsbau der Weimarer Republik gilt. Sie ist vorbildlich saniert worden und hat vermutlich den längsten gebogenen Innenhof (zwischen den Gebäuden an der Heidebrinker und Zingster Straße). Auch die linke Straßenseite der oberen Bellermannstraße gehört zu diesem Ensemble.
Ende an der “Plumpe”
Die Straße geht verkehrsberuhigt weiter (keine Durchfahrt für Autos) über eine fünfeckige Kreuzung mit der Behmstraße und Jülicher Straße – und endet an der Swinemünder Brücke und („Millionenbrücke“). Heute erinnert fast nichts mehr daran, dass sich hier einst das erste Stadion von Hertha BSC befand, das mit seinem Spitznamen “Plumpe” in ganz Berlin ein Begriff war. Die “Plumpe” wird noch immer von Alteingesessenen als Synonym für den ganzen Kiez verwendet.
Aber das ist eine andere Geschichte!
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heute ist eine infotafel am ende der bellermannstraße aufgestellt, die auf das frühere stadion hinweist. grüße, detlef matthes
Ich möchte noch daran erinnern das sich am Ende der Straße einst ein legendäres Kino befand, die Lichtburg.
Dieses Haus hatte,ähnlich wie der Titania Palast in Steglitz eine besondere architektonische Wirkung durch seine Außenbeleuchtung.Im Krieg stark beschädigt wurde es aber noch bis in den 50 er Jahren betrieben.
Die Lichtburg war aber doch eher an der Behmstraße/Heidebrinker Str
Das ist sicher richtig,die Lichburg war meiner Meinung nach aber ein fester Bestandteil der Atlantic —Siedlung