Der weitaus größte Teil der Weddinger wohnt in einem Mehrfamilienhaus, zur Miete oder in einer Eigentumswohnung, aber eben doch eher konventionell. Im Wedding gibt es aber auch andere Wohnformen, die wir euch hier einmal vorstellen wollen.
Eine Fabriketage als WG
Das älteste noch bestehende alternative Wohnprojekt des Wedding liegt im Hinterhaus der Prinzenallee 58: 1977 verkauften die Eigentümer der Hutfabrik Gattel ihr Fabrikgelände. Der neue Eigentümer GESOBAU wollte die Fabrik entmieten, abreißen und Wohnungsneubau betreiben. Zunächst wurde Leerstand angestrebt, damals in West-Berlin ein verbreitetes Phänomen. Diejenigen Mieter, die einfach nicht auszogen, instandbesetzten (wie man damals sagte) schließlich die Fabrik. Daraus wurde das 100. besetzte Haus in West-Berlin. Heute wohnen die Genossenschaftler nach Umbauten in den 1980er Jahren in großen WGs und das Erdgeschoss ist in allen Höfen an soziale Projekte und kleine Gewerbetreibende vermietet.
Instandbesetzt in der Groninger
Am 27. November 1980 wurde auch das Gebäude Groninger Straße 50 „instandbesetzt“ – damals außerhalb Kreuzbergs ein ungewöhnliches Phänomen. Die Eigentümerin, die GESOBAU AG, wollte das Jugendstilgebäude aus dem Jahr 1908 seinerzeit abreißen lassen, hatte schon die sanitären Anlagen demontiert.
Die Besetzer unterstützten die einizige noch im Haus verbliebene Familie und verhinderten den Abriss von günstigem Wohnraum, der damals wie heute knapp ist. Seit 1983 ist ein Verein offiziell Mieter bei der GESOBAU. Die „Groni50“ ist kein Wohnprojekt, wie man es sich klischeehaft vorstellt. Graffiti und aus den Fenstern hängende Banner mit Parolen findet man genausowenig wie die sonst übliche Kneipe im Erdgeschoss. Doch es gibt regelmäßige Versammlungen und Arbeitsgruppen, die sich mit der Instandhaltung des Hauses oder stadtpolitischen Themen beschäftigen. Immer vier, fünf Leute finden sich in einer Küche zusammen, die Zimmer verteilen sich im ganzen Haus. Seit 2016 hat die Groni50 einen festen Mietvertrag für 15 Jahre.
Wohnen in der Kleinhaussiedlung
Die Afrikanische Straße, die von der Seestraße abzweigt, wurde um 1900 als Entlastungsstraße am nordwestlichen Stadtrand Berlins angelegt. Das umliegende Land blieb bis zum Ersten Weltkrieg weitgehend unbebaut. Ausgehend von einem 1919 festgelegten Bebauungsplan errichteten Paul Mebes und Paul Emmerich westlich der Hauptstraße die vorstädtisch anmutende “Kleinhaussiedlung Jungfernheide” mit kleinen Doppelhäusern. Wie im Afrikanischen Viertel üblich, tragen die Straßen Namen mit Afrika-Bezug.
Doch das ist nicht die einzige Siedlung mit freistehenden Häusern im Wedding: Am Fischhauser Weg an der oberen Koloniestraße, an der Themsestraße im Englischen Viertel und in der Kolonie Sandkrug zwischen Behmbrücke und Bösebrücke findet man ebenfalls kleine Wohngebäude.
Im Hausboot
15 bunte Hausboote am Rand des Plötzenseer Kolks mit Blick auf das Weddinger Nordufer - dabei handelt es sich meist um ausgediente Lastkähne. Die Bewohner, die diese ungewöhnliche Wohnform mitten in der Stadt und doch mit direktem Bezug zum Wasser schätzen, haben die Kähne günstig gekauft und mit viel handwerklichem Geschick aufgearbeitet, um sie ganzjährig bewohnbar zu machen.
Wehrhafte Hausgemeinschaften
Heute der ganz normale Horror im Wedding: Das Mietshaus wird verkauft, die Bewohner:innen befürchten Verdrängung oder erleben schon Schikanen. Viele Beispiele aus dem Wedding lassen sich aufzählen, wir haben beispielsweise über AmMa65 berichtet. Mieter der Deutsche Wohnen oder der Vonovia tun sich zusammen. Das Thema Wohnraum ist und bleibt wohl noch lange das alles beherrschende im Wedding. Ein Treffpunkt für verschiedene Initiativen findet sich im neuen Kiezhaus Agnes Reinhold in der Afrikanischen Straße. Dort gibt es auch kompetente Beratungen.
Kennt ihr noch weitere interessante Wohnprojekte oder Wohnformen? Dann schreibt eine Mail an [email protected]