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Nicht nur in der Etagenwohnung:
Anders wohnen im Wedding

Fabriketage, Doppelhaushälfte oder Hausboot
12. Mai 2019

Der weit­aus größ­te Teil der Wed­din­ger wohnt in einem Mehr­fa­mi­li­en­haus, zur Mie­te oder in einer Eigen­tums­woh­nung, aber eben doch eher kon­ven­tio­nell. Im Wed­ding gibt es aber auch ande­re Wohn­for­men, die wir euch hier ein­mal vor­stel­len wollen.

Eine Fabriketage als WG

Das ältes­te noch bestehen­de alter­na­ti­ve Wohn­pro­jekt des Wed­ding liegt im Hin­ter­haus der Prin­zen­al­lee 58: 1977 ver­kauf­ten die Eigen­tü­mer der Hut­fa­brik Gat­tel ihr Fabrik­ge­län­de. Der neue Eigen­tü­mer GESOBAU woll­te die Fabrik ent­mie­ten, abrei­ßen und Woh­nungs­neu­bau betrei­ben. Zunächst wur­de Leer­stand ange­strebt, damals in West-Ber­lin ein ver­brei­te­tes Phä­no­men. Die­je­ni­gen Mie­ter, die ein­fach nicht aus­zo­gen, instand­be­setz­ten (wie man damals sag­te) schließ­lich die Fabrik. Dar­aus wur­de das 100. besetz­te Haus in West-Ber­lin. Heu­te woh­nen die Genos­sen­schaft­ler nach Umbau­ten in den 1980er Jah­ren in gro­ßen WGs und das Erd­ge­schoss ist in allen Höfen an sozia­le Pro­jek­te und klei­ne Gewer­be­trei­ben­de vermietet.

Instandbesetzt in der Groninger

Am 27. Novem­ber 1980 wur­de auch das Gebäu­de Gro­nin­ger Stra­ße 50  „instand­be­setzt“ – damals außer­halb Kreuz­bergs ein unge­wöhn­li­ches Phä­no­men. Die Eigen­tü­me­rin, die GESOBAU AG, woll­te das Jugend­stil­ge­bäu­de aus dem Jahr 1908 sei­ner­zeit abrei­ßen las­sen, hat­te schon die sani­tä­ren Anla­gen demontiert.

Die Beset­zer unter­stütz­ten die eini­zi­ge noch im Haus ver­blie­be­ne Fami­lie und ver­hin­der­ten den Abriss von güns­ti­gem Wohn­raum, der damals wie heu­te knapp ist. Seit 1983 ist ein Ver­ein offi­zi­ell Mie­ter bei der GESOBAU. Die „Groni50“ ist kein Wohn­pro­jekt, wie man es sich kli­schee­haft vor­stellt. Graf­fi­ti und aus den Fens­tern hän­gen­de Ban­ner mit Paro­len fin­det man genau­so­we­nig wie die sonst übli­che Knei­pe im Erd­ge­schoss. Doch es gibt regel­mä­ßi­ge Ver­samm­lun­gen und Arbeits­grup­pen, die sich mit der Instand­hal­tung des Hau­ses oder stadt­po­li­ti­schen The­men beschäf­ti­gen. Immer vier, fünf Leu­te fin­den sich in einer Küche zusam­men, die Zim­mer ver­tei­len sich im gan­zen Haus. Seit 2016 hat die Groni50 einen fes­ten Miet­ver­trag für 15 Jahre.

Wohnen in der Kleinhaussiedlung

Die Afri­ka­ni­sche Stra­ße, die von der See­stra­ße abzweigt, wur­de um 1900 als Ent­las­tungs­stra­ße am nord­west­li­chen Stadt­rand Ber­lins ange­legt. Das umlie­gen­de Land blieb bis zum Ers­ten Welt­krieg weit­ge­hend unbe­baut. Aus­ge­hend von einem 1919 fest­ge­leg­ten Bebau­ungs­plan errich­te­ten Paul Mebes und Paul Emme­rich west­lich der Haupt­stra­ße die vor­städ­tisch anmu­ten­de “Klein­haus­sied­lung Jung­fern­hei­de” mit klei­nen Dop­pel­häu­sern. Wie im Afri­ka­ni­schen Vier­tel üblich, tra­gen die Stra­ßen Namen mit Afrika-Bezug.

Doch das ist nicht die ein­zi­ge Sied­lung mit frei­ste­hen­den Häu­sern im Wed­ding: Am Fisch­hau­ser Weg an der obe­ren Kolo­nie­stra­ße, an der Them­se­stra­ße im Eng­li­schen Vier­tel und in der Kolo­nie Sand­krug zwi­schen Behm­brü­cke und Böse­brü­cke fin­det man eben­falls klei­ne Wohngebäude.

Im Hausboot

15 bun­te Haus­boo­te am Rand des Plöt­zen­seer Kolks mit Blick auf das Wed­din­ger Nord­ufer - dabei han­delt es sich meist um aus­ge­dien­te Last­käh­ne. Die Bewoh­ner, die die­se unge­wöhn­li­che Wohn­form mit­ten in der Stadt und doch mit direk­tem Bezug zum Was­ser schät­zen, haben die Käh­ne güns­tig gekauft und mit viel hand­werk­li­chem Geschick auf­ge­ar­bei­tet, um sie ganz­jäh­rig bewohn­bar zu machen.

Wehrhafte Hausgemeinschaften

Amma65
Das Amma65 in der Ams­ter­da­mer Stra­ße Ecke Mal­plaquet­stra­ße. Foto: Toni Karge

Heu­te der ganz nor­ma­le Hor­ror im Wed­ding: Das Miets­haus wird ver­kauft, die Bewohner:innen befürch­ten Ver­drän­gung oder erle­ben schon Schi­ka­nen. Vie­le Bei­spie­le aus dem Wed­ding las­sen sich auf­zäh­len, wir haben bei­spiels­wei­se über AmMa65 berich­tet. Mie­ter der Deut­sche Woh­nen oder der Von­o­via tun sich zusam­men. Das The­ma Wohn­raum ist und bleibt wohl noch lan­ge das alles beherr­schen­de im Wed­ding. Ein Treff­punkt für ver­schie­de­ne Initia­ti­ven fin­det sich im neu­en Kiez­haus Agnes Rein­hold in der Afri­ka­ni­schen Stra­ße. Dort gibt es auch kom­pe­ten­te Beratungen.

Kennt ihr noch wei­te­re inter­es­san­te Wohn­pro­jek­te oder Wohn­for­men? Dann schreibt eine Mail an [email protected]

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

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