Der Wedding gehört zwar zum Bezirk Berlin-Mitte, aber er fühlt sich manchmal nicht so an wie das pulsierende Herz einer Millionenstadt. Auch das von den Medien gern strapazierte Bild eines Ghettos mitten in der Stadt mag zum Wedding nicht so recht passen, finden zumindest die meisten Bewohner. Woran liegt das?
Da ist zum einen die Lage innerhalb Berlins. Wenn man die Innenstadt als das Gebiet innerhalb des S‑Bahn-Rings definiert, liegt der größte Teil der Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen außerhalb des Zentrums. Der Weddingplatz mit einigen umliegenden Straßen sowie das Brunnenviertel mit dem Humboldthain werden durch die Ringbahn vom restlichen, außerhalb des Rings liegenden, Wedding getrennt. Man könnte die Innenstadt aber auch durch den früheren Großen Straßenbahnring (Linie 3) definieren, der vom Hermannplatz kommend über den Richard-Wagner-Platz, die Beusselstraße, die Seestraße bis zur Bösebrücke verlief. Noch heute gibt es diese Trennlinie: Die wiederaufgebaute Straßenbahnstrecke (Linien M 13 und 50) und die sehr breite See- /Osloer Straße teilen den Wedding in einen dicht bebauten Südteil und einen grünen, lockerer besiedelten Nordteil, der ohne scharfe Trennlinie nach Reinickendorf übergeht.
Wie Berlin angelegt ist
Die Grundstruktur Berlins folgt dem Bebauungsplan nach James Hobrecht aus dem Jahr 1862. Vor allem zwischen 1880 bis 1918 wurde in den von der Ringbahn umschlossenen Städten Berlin (zu der auch der Wedding gehörte), Charlottenburg, Wilmersdorf, Rixdorf/Neukölln und Schöneberg überwiegend eine dichte Blockrandbebauung mit kleinen Hinterhöfen ausgeführt, die noch heute typisch für die Altbausubstanz Berlins ist. Lediglich im Wedding ging diese Struktur auch weit über den S‑Bahn-Ring hinaus: Die Kieze südlich der Seestraße/Osloer Straße wurden flächendeckend und äußerst dicht bebaut. Nördlich dieses Straßenzugs erreichte die Blockrandbebauung bis 1918 aber nur einige Straßenzüge links und rechts der Müllerstraße sowie der Prinzenallee. Ansonsten waren die Gebiete im heutigen Afrikanischen Viertel, Englischen Viertel, teilweise auch im Brüsseler Kiez und an der Schillerhöhe weitgehend unbebaut oder nur locker besiedelt.
Mischung aus Mietskasernen und Vorstadt
In mehreren Schritten wurden die Bauflächen, sofern sie nicht Erholungszwecken (Schillerpark, Goethepark, Volkspark Rehberge) oder öffentlichen Einrichtungen (BVG-Betriebshof und Werkstatt, Friedhöfe, Virchow-Klinikum) dienten, nach moderneren Richtlinien bebaut. So kommt es, dass in diesen Randbereichen des Wedding zahlreiche Siedlungsformen der Zwischenkriegszeit vorkommen, wie rund um den Zeppelinplatz, die Friedrich-Ebert-Siedlung oder die Siedlung Schillerpark. Auch die Gartenstadt Atlantic am Gesundbrunnen, das Gebiet rund um den Fordoner Platz oder die Glasgower Straße sind nennenswerte Siedlungsprojekte aus dieser Zeit. Auch die Doppelhaussiedlung Jungfernheide (am Goethepark) und die Mies van der Rohe-Häuser an der Afrikanischen Straße gehören dazu. Nach dem Krieg wurde als eine der ersten größeren Neubaumaßnahmen die Siedlung Schillerhöhe rund um das heutige Kombibad Seestraße errichtet. Auch die Ernst-Reuter-Siedlung rund um den Gartenplatz stammt aus dieser Zeit.
Zurück in die eng bebaute Innenstadt, die im Krieg und durch die Kahlschlagsanierung massiv verändert wurde. Beispiellos war dann nach dem Mauerbau die Zerstörung des im Bezirk Wedding gelegenen Teils der Rosenthaler Vorstadt (heute Brunnenviertel genannt). Ab 1963 wurde das typische Altbauviertel systematisch abgerissen – 9.000 von 14.000 Wohnungen verschwanden. Der Wiederaufbau erfolgte ebenfalls in Blockrandbebauung, aber in der Formensprache der 70er und 80er. So kommt es, dass das Brunnenviertel optisch so anders daherkommt als die unmittelbaren Nachbarkieze in Alt-Mitte oder Prenzlauer Berg, die ihre Altbauten aus der Kaiserzeit behalten haben.
Die größten Industriebetriebe, die Tausenden Menschen Arbeit gegeben und den Ruf des Weddings als Arbeiterstadtteil begründet haben, sind hingegen fast vollständig verschwunden, haben aber teilweise noch immer beeindruckende Gebäude hinterlassen, die heute ganz neue Funktionen erfüllen. Und nur noch Schering, heute Bayer AG, stellt heute einen nennenswerten Wirtschaftsfaktor im “Arbeiterviertel” dar. Die enge räumliche Verknüpfung zwischen Fabrikarbeit und Wohnen ist im Wedding also heute kein Thema mehr.
An manchen Stellen ist der vorstädtische Charakter ganz besonders gut erlebbar: Die Koloniestraße und die Verlängerte Koloniestraße mit ihren Nebenstraßen Kühnemannstraße und Fischhauser Weg haben sich in den letzten Jahrzehnten so gut wie gar nicht verändert. Noch immer ist dort das einzeln stehende älteste Haus des Wedding zu finden. Darum herum befinden sich typische Gewerbeflächen einer Vorstadt wie Werkstätten in Flachbauten. Zahlreiche Kleingärten markieren das abrupte Ende der dichten Bebauung. Die in Erwartung einer weiteren Verdichtung gebauten wenigen Mehrfamilienhäuser stehen isoliert am Ende der Koloniestraße.
Wir fassen zusammen: Der Wedding liegt größtenteils außerhalb des S‑Bahn-Rings, verfügt über viele Siedlungen der Moderne und an manchen Stellen fühlt er sich nicht nur an wie eine Vorstadt, sondern ist auch eine.
Grüße vom Nordufer!
Auch Wedding… Peking Platz, Nordhafen,Sprengelkiez,Schifffahrtskanal.. alles quasi vor der Haustür.Eigentlich ei Idyll wenn nicht soviel Sperrmüll und sonstiger Dreck das immer verunstalten würde.
Das muss man einfach mal in den Griff bekommen und die Verantwortlichen echt an den Ohren packen..aber in echt.
Ansonsten sehr cool.. kommt mal vorbei 😃
Interessanter Beitrag. Aber insofern verstehe ich immer noch nicht, wie BVV Mitte einfach so gegen den Koalitionsvertrag des damaligen Senats verstoßen konnte, indem ganz eindeutig stand, Parkraumbewirtschaftung innerhalb des S Ban Ringes auszubauen. Mittlerweile sind die Parkgebühr zum Teil teurer als in Bereichen innerhalb des Ringes. Das verstehe, wer will.
Das hat ja mit dem Thema eigentlich nichts zu tun. Wenn der Bezirk da, wo der Parkdruck am größten war, Parkraumbewirtschaftung einführt, darf er das doch auch außerhalb des Rings tun.
Ich habe meine ganze Kindheit am Nettelbeck gelebt . Mein Vater hatte ein Geschäft in der Lindower Straße. War als Kind eine Koole Zeit und habe dort viel Erlebt . Schon als 4 oder 5jährige
Die Ringbahn als Grenze ist mMn ziemlicher quatsch und führt nur zu Diskriminierung. Z.B. was Umweltzone oder Sharingdienste, Tarife oder Städteplanerisches angeht. Wer im Wedding wohnt darf ganz legal mehr Feinstaub atmen nur weil die Ringbahn nicht drumrum führt. Der Wedding ist überwiegend dicht bebaut und gehört natürlich zum Zentrum Berlins, irgendwelche Bahngleise hin oder her die das Marketing von Projekten leichter kommunizierbar machen aber keinerlei Logik erfüllen. Im östlichen Friedrichshain gibt es auch dörfliche Gegenden und Brachflächenvom östlichen oder gar südlichen Neukölln ganz zu schweigen. Bis auf Kreuzberg und Mitte ziehen sich fast alle Bezirke bis an den Rand.
Ich zucke auch heute noch zusammen, wenn vom Wedding oder Gesundbrunnen die Rede ist und das ganze in die Schublade BERLIN MITTE gesteckt wird.Ein alter Wedding geborener wird auch immer Weddinger bleiben
Zum Glück, dass der Wedding keine Vorstadt ist! Da ich schon in Vorstädten gewohnt habe, z. B. in Wittenau, kenne ich den Unterschied.
Tagsüber pulsiert der innerstädtische Wohnbezirk Wedding durch die Menschen, die dort viel zu tun haben. Auf der Müllerstraße ist künftig vielleicht auch wieder mehr los, wenn der Autoverkehr zurückgedrängt ist. Indessen die Seestraße ein hoffnungsloser Fall bleiben wird. Aber noch mehr “Pulsieren” durch Kneipengegröle an Biertischen kann ich nicht brauchen; ich werde jetzt schon zu oft nachts wach im Wohngebiet rund um die Utrechter.