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Klaut nicht die Bücher aus den Bücherboxen!

11. April 2017
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Eine der Bücherboxen - in der Osloer Straße. Foto: Sulamith Sallmann
Bücher­box in der Oslo­er Stra­ße. Foto: Sula­mith Sallmann

Aktua­li­sier­ter Bei­trag vom 18. Okto­ber 2020 mit Über­schrift Box, Zel­le, Regal.

Das Prin­zip ist ein­fach: stell ein Buch rein, nimm ein Buch raus. So funk­tio­nie­ren Bücher­bo­xen. Ist es nicht ein Wun­der, dass das ein­fach so klappt? Schließ­lich steht nie­mand in der Box, der die­se unge­schrie­be­nen All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) über­wacht. Wie sind sie eigent­lich orga­ni­siert, die Wed­din­ger Bücher­bo­xen – und wer ver­jagt die Bücher­die­be? Eine Bestandsaufnahme.

Standort: Osloer Straße, Fabrik Osloer Straße

Neu­lich waren die Rega­le in der umge­bau­ten Tele­fon­zel­le in der Oslo­er Stra­ße 12 leer. Die Bücher wur­den geklaut. Anna Asfan­di­ar von der Frei­wil­li­gen­agen­tur Oslo­er Stra­ße ist rat­los: „Beson­ders im Win­ter ver­schwin­den die Bücher oft kom­plett aus den Rega­len“. Ob da ein Händ­ler alle Bücher ein­sackt oder ob jemand gar mit den Büchern heizt? Anna Asfan­di­ar weiß es nicht. Die Frei­wil­li­gen­agen­tur, die die Box 2012 vor dem Laby­rinth Kin­der­mu­se­um in der Fabrik Oslo­er Stra­ße auf­ge­stellt hat, kann wenig tun. Die Bücher sind ja zum Mit­neh­men da. „Das ist aber eigent­lich nicht der Sinn des Pro­jekts, dass einer alle Bücher mit­nimmt“, sagt Anna Asfandiar.

Die Kümmerer in der Osloer Straße

Cornelia betreut die Bücherbox ehrenamtlich. Foto: Freiwilligenagentur
Cor­ne­lia betreut die Bücher­box ehren­amt­lich. Foto: Freiwilligenagentur

Die Haus­meis­ter der Fabrik Oslo­er Stra­ße schau­en immer wie­der nach der Bücher­boxx, spre­chen Nut­zer an, wei­sen auf die AGB hin. Eine Ehren­amt­li­che kommt zusätz­lich ein Mal pro Woche und küm­mert sich um das Buch­tausch­pro­jekt. „Wir regis­trie­ren die Bücher bei Book­crossing und machen sie damit als Tausch­ob­jekt sicht­bar. Damit sind sie eigent­lich unver­käuf­lich“, sagt Anna Asfan­di­ar. Trotz­dem gibt es immer wie­der Pha­sen, in denen die kom­plet­te Bücher­boxx aus­ge­räumt wird. Doch es gibt auch gute Nach­rich­ten. Offen­bar mögen und nut­zen vie­le die Bücher­boxx, es gibt unsicht­ba­re Hel­fer. Neu­lich hat Anna Asfan­di­ar von einer die­ser Hel­fe­rin­nen auf dem Wed­ding­wei­ser erfah­ren. Im Arti­kel über die Bücher­boxx Oslo­er Stra­ße war zu lesen: „So füh­le ich mich auch mit ver­ant­wort­lich für den Erhalt die­ser gel­ben Zau­ber­box, lüf­te, wenn es drin­nen stinkt, sor­tie­re die Bücher: lang­wei­li­ge Gro­schen­ro­ma­ne nach oben, Bil­der­bü­cher für die Klei­nen nach unten, Zeit­schrif­ten auf einen Stapel.“

Standort: Müllerstraße, Centre Francais

Eine der Bücherboxen im Wedding - in der Müllerstraße. Foto: Hensel
Die Bücher­box in der Mül­lerstra­ße mit Solar­dach. Foto: Hensel

Die Bücher­box in der Mül­lerstra­ße hat es da bes­ser. „Eigent­lich ist Bücher­klau bei uns nicht das Pro­blem“, sagt Flo­ri­an Fang­mann vom Cent­re Fran­cais de Ber­lin. Vor zwei Jah­ren sei die umge­bau­te Tele­fon­zel­le, die vor fünf Jah­ren mit einem Aus­tausch­pro­jekt aus Paris in die Mül­lerstra­ße kam, ein­mal kom­plett aus­ge­räumt wor­den. „Seit­dem gibt es kei­ne Pro­ble­me, auch kei­nen Van­da­lis­mus“, freut sich Flo­ri­an Fang­mann. Auch am Solar­dach gab es bis­her zum Glück kei­ne Schä­den. „Wir sind selbst über­rascht“, lau­tet das posi­ti­ve Fazit des Projekts.

Die Kümmerer in der Müllerstraße

Wer steckt hin­ter der Box am Cent­re Fran­cais? „Es gab am Anfang eine klei­ne Küm­me­rer­grup­pe. Jetzt läuft das allei­ne. Wir machen da höchs­tens mal sau­ber“, sagt Flo­ri­an Fang­mann. Die selbst­or­ga­ni­sier­te und sich selbst regu­lie­ren­de Bücher­box, die gibt es also. Sie steht im Wed­ding, in der Mül­lerstra­ße! Flo­ri­an Fang­mann glaubt, dass der Grund dafür auch eine Art sozia­le Kon­trol­le durch die Nut­zer ist. Die Box wer­de extrem stark genutzt. Ein Dieb müss­te stets damit rech­nen, gestört und ertappt zu wer­den. Zudem befin­de sie sich an einer viel befah­re­nen Hauptstraße.

Standort: Hussitenstraße, nahe Usedomer Straße

Bücherbox in der Hussitenstraße. Foto: Schnell
Bücher­box in der Hus­si­ten­stra­ße. Foto: Schnell

Die Bücher­box in der Hus­si­ten­stra­ße steht in einem Durch­gang zur Acker­stra­ße, direkt neben einem Hoch­haus. Das Quar­tiers­ma­nage­ment Acker­stra­ße unter­stütz­te das Pro­jekt anfangs eben­so wie die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft Dege­wo, auf deren Grund­stück sie auch steht. Wer die Box, die Anfang 2015 auf­ge­stellt wur­de, öfter besucht, fin­det sie immer wie­der in sehr ver­schie­de­nem Zustand vor. Mal ist sie gut gefüllt, mal kom­plett aus­ge­räumt, mal vol­ler Müll, mal sau­ber. Gele­gent­lich kom­men Fahr­rad­fah­rer mit gro­ßen Taschen und neh­men alle Bücher mit. Ein­mal wur­den sogar die Rega­le geklaut. Ende 2015 wur­de die alte Tele­fon­zel­le in der Hus­si­ten­stra­ße beschä­digt, eine Schei­be ging zu Bruch. Am Ende bezahl­te die Dege­wo eine neue Schei­be. Im Kiez wird seit eini­ger Zeit über den Stand­ort dis­ku­tiert. Wür­de die Box nicht am Olof-Pal­me-Zen­trum, am Ede­ka in der Acker­stra­ße oder am Fami­li­en­zen­trum Watt­stra­ße bes­ser stehen?

Die Kümmerer in der Hussitenstraße

Die Bücherbox in der Hussitenstraße wird genutzt! Foto: Schnell
Die Bücher­box wird genutzt! Foto: Schnell

Auch bei die­ser Bücher­box gibt es eine klei­ne Grup­pe, die sich ver­ant­wort­lich fühlt. Sie betreibt sogar eine Face­book-Sei­te für die Box, auf der sie spo­ra­disch pos­tet. Dort wur­de nach dem Dieb­stahl des Regals auch eine Bot­schaft an die Die­bin ver­öf­fent­licht: „Lie­be Die­bin! Ein Jun­ge hat dich dabei gese­hen, wie du das Regal ent­wen­det hast. Scha­de, dass du als erwach­se­ne Frau öffent­li­ches Eigen­tum so scham­los zer­störst. Das Geld kommt aus dem Pro­gramm ‚Sozia­le Stadt‘ und hat den Zweck, Pro­jek­te für die Gemein­schaft zu för­dern. Dank dir hat man kei­ne Lust mehr, im öffent­li­chen Raum für etwas mehr Schön­heit und Bele­bung zu sor­gen. Eine Anzei­ge wur­de heu­te bei der Poli­zei erstat­tet. Ich gehe stark davon aus, dass du dir das Regal auch hät­test im Bau­markt kau­fen kön­nen. Dort kos­tet es näm­lich nur 20 Euro. Inklu­si­ve des wei­te­ren Befes­ti­gungs­ma­te­ri­als für die Mon­ta­ge in der Tele­fon­zel­le feh­len dem Pro­jekt jetzt 40 Euro. Möge das Regal bei dir zu Hau­se zusam­men­bre­chen! Dei­ne Bücher­box“. Wer die­se Bücher­box mal anschau­en möch­te: das Quar­tiers­ma­nage­ment hat einen klei­nen Film über die Bücher­box gemacht.

Standort: Koloniestraße, Café La Tortuga

Der Bücherbaum in der Koloniestraße. Foto: Hensel
Der Bücher­baum in der Kolo­nie­stra­ße. Foto: Hensel

Neben dem Café La Tor­tu­ga steht seit 2010 ein Bücher­baum. Er steht nicht nur beim Café, auch die Bewoh­ner des Senio­ren­do­mi­zils an der Pan­ke im sel­ben Haus gehen qua­si täg­lich am Bücher­baum vor­bei. Das sind gute Vor­aus­set­zun­gen für ein sol­ches Pro­jekt. Nicht so vie­le Bücher haben hier Platz, dafür ist der Baum optisch sehr anspre­chend. Aber auch hier gibt es manch­mal Pro­ble­me. Vor kur­zem kleb­te ein Zet­tel an der Box. Dar­in wur­de ein Bücher­dieb direkt ange­spro­chen. Denn der Dieb wur­de erkannt, er stamm­te aus dem Kiez. Spä­ter, so war im Café zu hören, wur­de die betref­fen­de Per­son noch per­sön­lich ange­spro­chen. Nun kommt sie nicht mehr und es kann wie­der getauscht wer­den in der Koloniestraße.

Die Kümmerer in der Koloniestraße

Das Team des La Tortuga hat den Bücherbaum immer im Blick. Foto: Hensel
Das Team des La Tor­tu­ga hat den Bücher­baum immer im Blick. Foto: Hensel

Der Bücher­baum wur­de vom Senio­ren­do­mi­zil ein­ge­rich­tet. Che­fin Cla­ris­sa Mei­er hat­te die Idee dazu. Heu­te küm­mern sich beson­ders die Mit­ar­bei­te­rin­nen des Cafés La Tor­tu­ga um den Baum. Das liegt ein­fach auf der Hand, steht der Baum doch genau neben dem Fens­ter am Tre­sen. Meist reicht es, wenn eine Mit­ar­bei­te­rin ein­fach gegen die Schei­be klopft, wenn jemand offen­bar alle Bücher mit­neh­men will.

Text: Domi­ni­que Hensel

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

3 Comments

  1. Lie­be Bücherboxxer,
    in den letz­ten Mona­ten habe ich vie­le Bücher aus­sor­tiert und in die Bücher­box an der Pan­kower Allee getra­gen. Ich habe mich immer sehr gefreut, wenn mei­ne Bücher ein neu­es Zuhau­se gefun­den haben und dort hof­fent­lich jeman­dem Freu­de machen. Ohne Gegenleistung.
    Ges­tern trug ich eine Tasche zur Box am Kin­der­mu­se­um und ent­deck­te erst danach den schä­bi­gen Zet­tel, auf dem stand, man dür­fe nur tau­schen. Gera­de in einem Bezirk wie Gesund­brun­nen mit vie­len armen Rent­nern und bil­dungs­fer­nen Jugend­li­chen kann man doch nur froh sein, wenn aus­ran­gier­te Bücher einen neu­en Besit­zer beglü­cken. Brand­markt Men­schen, die gera­de nichts tau­schen kön­nen, nicht als Die­be! Und die Flach­zan­gen, die die Bücher kom­plett aus­räu­men, schreckt ihr mit die­sem spie­ßi­gen klei­nen Zet­tel nicht ab. Seid groß­her­zig, schenkt Bücher und ver­ram­melt euer Khar­ma nicht mit klein­geis­ti­ger AGB-Rei­te­rei. In die­sem Sin­ne: Alles Gute! 

    Jan

  2. Die Book­crosser tref­fen sich monat­lich am 10. Das sind Leu­te, die prak­tisch alle Bücher­bo­xen und sons­ti­ge Bücher­tausch­or­te in Ber­lin ken­nen und zuwei­len pfle­gen. Die­ses monat­li­che Tref­fen fin­det am 10. Juni ab 10 Uhr in der Biblio­thek am Lui­sen­bad statt. Das ist auch eine Gele­gen­heit zu Erfah­rungs­aus­tausch, wie Bücher­bo­xen an ganz ande­ren Orten in Ber­lin so lau­fen. Für den Ter­min am 10.6. läuft bis­her kei­ne gro­ße Wer­bung, weil er ja etwas län­ger­fris­ti­ger ist, aber er ist so gedacht, dass sich ins­be­son­de­re Wed­din­ger über Bücher­bo­xen infor­mie­ren kön­nen. Es wird ein Mitbring-Brunch.

  3. Hat­te ich tat­säch­lich bei der Bücher­boxx am cent­re Fran­cais. Wegen mei­nes Umzugs habe ich vor 2 Jah­ren Tei­le mei­nes Bücher­schranks in die Bücher­boxx ver­räumt, in 3 Gän­gen. Bei jedem Gang (1 Stun­de dazwi­schen) waren die neu­en Bücher kom­plett weg. Dass sich jemand die gesam­mel­ten Har­ry-Pot­ter-Bän­de nimmt, hät­te ich ja noch ver­stan­den. Aber da muss wohl jemand mit unglaub­lich ver­sa­ti­len Inter­es­sen und gro­ßen Taschen ange­tre­ten sein… Gut, wenn sich das geän­dert hat.

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