Wer im Wedding unterwegs ist, kommt um die Zahl “65” nicht herum. Doch was hat es damit auf sich? Warum identifizieren sich Weddinger ausgerechnet mit dieser Zahl? Und das schon seit fast 160 Jahren?
Mehr als nur eine Postleitzahl
Schon seit 1861 gehörte das Gebiet des späteren Bezirks Berlin-Wedding zur Stadt Berlin. Diese wurde ab dem 15. Mai 1862 in nummerierte Postzustellbezirke eingeteilt. Ähnlich wie heute noch in London bestand die Bezeichnung der Zustellbezirke nicht nur aus einer Zahl, sondern auch aus einem Buchstaben, der für eine Himmelsrichtung stand. Es gab ein C für Central (also das Zentrum), NO (Nordost), O (Ost), SO (Südost) , S (Süden) , SW (Südwest) , W (Westen), NW (Nordwesten) und N (Norden). Dahinter folgte die Nummer. In den beiden Kreuzberger Kiezen SO 36 und SO 61 hat sich diese Bezeichnung aus dem 19. Jahrhundert bis heute erhalten. Das Gebiet des späteren Bezirks Wedding lag hingegen vollständig im Norden, bekam also Postzustellbezirke mit einem “N”. Jetzt kommt die Zahl 65 in Spiel – das entsprechende Postamt “N 65″ befand sich in der Schulstraße 7, später in der Gerichtstraße. Es gab aber auch die Zustellbezirke N 39 in der Reinickendorfer Straße, N 90 in der Brunnenstraße, N 91 Ackerstraße, N 19 in Pankow und N 31 Usedomer Straße, die für Teile des späteren Bezirks Wedding zuständig waren. Das 1928 in der Gerichtstraße gebaute Postamt im Stil der Neuen Sachlichkeit war nach seiner Fertigstellung das Postamt N 65.
Der ganze Wedding wird “65”
Kurz nach dem Mauerbau 1961 wurde in der Bundesrepublik und auch in West-Berlin ein neues vierstelliges Postleitzahlen-System eingeführt. Dabei behielt man 1962 auf Weddinger Gebiet nur die hundert Jahre früher gewählte Nummer des Alt-Berliner Zustellbezirks Berlin N 65 ohne die Abkürzungsbuchstaben bei. Da ganz West-Berlin die Postleitzahl “1000” hatte (die anfangs auch mit “1” abgekürzt werden durfte), musste die Nummer des Zustellbezirks hinten angestellt werden. Für den ganzen Bezirk Wedding galt nun die Bezeichnung “1000 Berlin 65”.
Aus “65” werden viele Zahlen
1993 wurde das vierstellige Postleitzahlen-System zugunsten eines fünfstelligen Systems für ganz Deutschland abgeschafft. Dabei verlor der Wedding seine charakteristische Zahl “65”. Denn plötzlich gab es viel kleinteiligere Zustellbezirke – von 13347 am Leo über 13405 an der Julius-Leber-Kaserne bis zu 13407 im Übergangsbereich von der Markstraße nach Reinickendorf geht das Spektrum heute – man erkennt nicht unbedingt mehr zweifelsfrei, in welchem Bezirk sich eine Adresse befindet. Immerhin sind es wie bei der 65 ausschließlich ungerade Zahlen. 2001 wurde dann auch noch dem Bezirk Wedding der Garaus gemacht – seither gehört das Gebiet mit seinen zwei Ortsteilen Wedding und Gesundbrunnen zum neuen Bezirk Berlin-Mitte.
Was bleibt
Immerhin 131 Jahre gab es eine Verbindung zwischen der Zahl 65 und dem Wedding. Es ist also kein Wunder, dass die Chiffre “65” die Zeiten und die Abschaffung des Bezirks Berlin-Wedding überdauert hat – sei es als Aufdruck auf einem Hoodie, als Graffiti an der Wand oder als Erkennungszeichen, mit dem die Weddinger etwas verbinden: das Bekenntnis zu ihrem Kiez in Berlin.