Wedding ist nicht gleich Wedding. Die einen teilen ihn in die (relativ neuen) Ortsteile ein, die anderen unterscheiden den “tiefen Wedding” vom Rest des Altbezirks. Doch wenn es einen tiefen Wedding gibt, gibt es auch einen hohen? Ein Blick ins Parkviertel.
Das von Stadtplanern hochtrabend „Parkviertel“ genannte Gebiet nördlich der Seestraße liegt genau zwischen dem Volkspark Rehberge und dem Schillerpark. Den meisten ist es eher als Afrikanisches und Englisches Viertel bekannt. Doch diese Namen klingen interessanter als die Wohnviertel letztendlich sind.
Im Parkviertel wird vor allem gewohnt
Fabrikgebäude sucht man hier vergebens, dafür gibt es viele überwiegend in der Zwischenkriegszeit gebaute Wohnhäuser, aber auch Einrichtungen wie das Centre Français, die U‑Bahn-Hauptwerkstatt und den BVG-Betriebshof. Mit Ausnahme der Müllerstraße ist es im oberen Wedding nicht ganz so geschäftig und bunt wie rund um den Leo, die Gerichtstraße oder die Badstraße.
Was das Wohnen im Norden aber auszeichnet, ist die Nähe zu den zwei großen Grünflächen Volkspark Rehberge und Schillerpark. Besucher staunen immer wieder: Das soll noch der Wedding sein? Grüne, breite Straßen, manchmal mit Mittelstreifen wie die Togostraße, aber immer von Straßenbäumen begleitet. Einfamilienhäuser, Gärten und Nachbarn, die auf der Straße ein Pläuschchen halten. Dazu mehr Freizeiteinrichtungen als im südlichen Wedding, wie das Freiluftkino Rehberge, der Plötzensee, das Stadion Rehberge, das City Kino Wedding und nicht zuletzt unzählige Kleingärten prägen die Kieze im Norden.
Wenig aufregendes Geschäftsleben
Die andere Seite der Medaille: es gibt keine schönen alten Kirchen, kein einziges Behördengebäude und auch das Café- und Kneipenangebot ist deutlich übersichtlicher als südlich von See- und Osloer Straße. Alles ist überschaubar und man sieht meist die gleichen Gesichter auf der Straße. Statt der für die Altbauviertel typischen Straßen mit vielen unterschiedlichen Geschäften gibt es im oberen Wedding jede Menge reine Wohnstraßen ohne auch nur einen einzigen Laden! Wer einkaufen will, muss in die Hauptstraßen…
Dafür wohnt es sich meist hell und modern: Die Mehrzahl der Wohnungen ist nämlich nicht in Mietskasernen mit dunklen Hinterhöfen, sondern in Siedlungen der Berliner Moderne untergebracht. Bekanntestes Beispiel ist die Weltkulturerbe-Siedlung am Schillerpark. Aber auch die Wohnblöcke von Architekt Ludwig Mies van der Rohe an der Afrikanischen Straße oder die Friedrich-Ebert-Siedlung stehen für den wohnungspolitischen Aufbruch der 1920er-Jahre. Zwischen Goethepark und Afrikanischer Straße befindet sich die einzige größere Einfamilienhaussiedlung des Wedding. Nach dem Krieg wurden erneut viele moderne Siedlungen errichtet, wie in der Ghanastraße, an der Schwyzer Straße oder rund um die Themsestraße. In diese neuen Wohnungen zogen Facharbeiter, Angestellte, Beamte und viele Rentner.
Vorstadt, aber kein Dorf
Das Afrikanische und das Englische Viertel sind eher blockweise vom Reißbrett geplant als unkontrolliert gewachsen. Die Anzahl der Mietskasernen und Hinterhöfe ist niedriger als anderswo im Wedding. Das merkt man auch der Sozialstruktur an: beide Viertel weisen eine finanziell etwas besser gestellte Bevölkerung auf als der übrige Wedding. Hier wohnt es sich vorstädtischer, wenn auch nicht unbedingt dörflich. Dafür sind die Straßen zu breit, die Häuser zu hoch.
Als Scharnier zwischen der Stadtautobahn und Reinickendorf leidet der Norden des Wedding unter extrem viel Straßenlärm. Auch die Flugzeuge starten und landen direkt über den Köpfen der Kiezbewohner. Vergleichsweise spät wurde der obere Wedding an das U‑Bahn-Netz angebunden, die Stationen Rehberge und Afrikanische Straße wurden erst 1956 eröffnet.
Trotz der unbestritten hohen Lebensqualität des Weddinger Nordens verändert sich der Kiez langsamer als andere Ortsteile von Berlin-Mitte, im Vergleich fast in Zeitlupe. Optisch ist das Gebiet, wo es nie ein Quartiersmanagement geben musste, irgendwo in den Siebzigern oder frühen Achtzigern stehengeblieben. Die vor ein paar Jahren abgerissene Müllerhalle war typisch für dieses Viertel, in dem sich zwar inzwischen einiges tut, aber in einem stadtverträglichen Tempo.
Bis die geplante Umbenennung von Straßen im Afrikanischen Viertel große Wellen in der Öffentlichkeit schlug, war vielen Berlinern überhaupt nicht bewusst, dass es ein solches Viertel in ihrer Stadt überhaupt gibt. Die relativ hohe soziale Stabilität und Kontinuität des Weddinger Nordens ist ein Vorteil, den immer mehr Familien und Kreative für sich entdecken.
“Upper Wedding”, der irgendwie andere Wedding jenseits der Klischees des Arbeiterbezirks, dagegen mit dem spröden Charme der unspektakulären Vorstadt. Für diejenigen, die es mögen, ist das schon einmal keine schlechte Ausgangslage.
Vielleicht sollten sich die Autoren einmal den erfolgten Mietsteigerungen im Afrikanischen Viertel widmen. Sie wären sicherlich überrascht was z.B. im Bereich Gewerbemieten derzeit abläuft.