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Sprüht vor Ideen:
Underground im Erdgeschoss

8. Februar 2024
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Pen­ny hat nicht gera­de den bes­ten Ruf unter den Dis­coun­tern – so schlecht, dass man sogar schon mal über einen neu­en Namen nach­ge­dacht hat. Doch seit eini­ger Zeit ver­sucht die REWE-Toch­ter, mit ori­gi­nel­len Aktio­nen wie “Las Wed­ding im Wed­ding” und the­ma­ti­schen Läden zu punk­ten. Der ers­te Pen­ny mit einem Mot­to war die aus dem Fern­se­hen bekann­te Filia­le auf St. Pau­li in Ham­burg. Nun hat auch der Wed­ding sei­nen The­men-Pen­ny bekom­men, Pen­ny Under­ground am Leo.

Under­ground klingt sub­ver­siv, künst­le­risch und abge­fah­ren. Und das ist die­se Filia­le tat­säch­lich. Viel­leicht bezieht sich der Name auch auf den frü­he­ren Net­to im Kel­ler des glei­chen Gebäu­des, der mit dem Wort räu­dig noch freund­lich umschrie­ben wäre. Auf jeden Fall wird mit dem The­ma BVG und U‑Bahn gespielt, als ob es kei­ne Gren­zen gäbe. Wer genau hin­schaut, sieht vie­le Details, die sich die Wer­be­agen­tur aus­ge­dacht hat. Wer hin­ge­gen ziel­ge­rich­tet durch den Laden will, wird die­se Gags kaum bemer­ken, denn die bun­te Waren­welt ist vor allem eins: laby­rin­thisch und eng.

Fotos: And­rei Schnell

Erst mal muss man durch ein Dreh­kreuz gehen, wo eine Bahn­hofs­uhr mit Tau­be hängt. Eine Perl­schnur erklärt die Abfol­ge der Abtei­lun­gen. Letz­te­re sind wie U- und S‑Bahnhöfe in Ber­lin beschil­dert, nur dass die Namen, wo’s passt, ein wenig abge­wan­delt wur­den (Frost­kreuz, Würz­ky­al­lee, Käse­damm, Alex­an­der­plätz­chen…). Wel­che Pro­duk­te dort zu fin­den sind, kann sich jeder selbst den­ken. Beson­ders ori­gi­nell sind die gewöl­be­ar­ti­gen Decken, die wie Bahn­hofs­säu­len mit Mosai­ken geka­chel­ten Stüt­zen und die Kühl­schrän­ke, die wie U‑Bahnwaggons aus­se­hen. An den Selbst­scan-Kas­sen sind geschlos­se­ne Fahr­kar­ten­schal­ter mit hand­ge­schrie­be­nen Hin­wei­sen „Bin in Stutt­gart. Scannt doch ein­fach selbst!“. Die Kas­sen wie­der­um sind wie U‑Bahn-Weg­wei­ser mit drei Lini­en num­me­riert. Wer selbst scannt, kommt nur wie­der her­aus, wenn man den Kas­sen­bon auf einen weiß-gel­ben Ent­wer­ter hält, der die Sper­re frei­gibt. Ein Dis­play mit Lauf­band über dem Ein­gang for­dert auf, “Die Spar­kar­ten bit­te!”, die Öff­nungs­zei­ten wer­den als Abspar­zei­ten bezeich­net und… – schaut am bes­ten selbst, was man sich alles hat ein­fal­len lassen!

Die Wed­din­ger schei­nen die Beson­der­hei­ten gar nicht zu bemer­ken, außer mir scheint sich nie­mand für die gan­zen Gags zu inter­es­sie­ren. Als ich kurz vor der Kas­se bemer­ke, dass ich die Toma­ten ver­ges­sen habe, müss­te ich den gan­zen Weg durch das Laby­rinth zurück. Es gibt lei­der kei­ne Abkür­zun­gen oder Quer­ver­bin­dun­gen in die­sem Markt. Zurück­zu­ge­hen las­se ich also lie­ber, so eng wie die Gän­ge sind. 

Mein Fazit: Hier hat sich Pen­ny größ­te Mühe gege­ben, an sei­nem Image zu arbei­ten. Doch wenn man von all den vie­len offen­sicht­li­chen Details absieht, ist es eben, was es ist: ein ganz nor­ma­ler, lei­der etwas zu enger Dis­coun­ter, direkt am U‑Bahn-Aus­gang gele­gen, in einem Stadt­teil, der alles ande­re als geschnie­gelt ist. Eben unterirdisch. 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

9 Comments

  1. Lie­ber Herr Faust, 

    Ich habe vor ein paar Tagen schon ihren Arti­kel zum Schil­ler­park-Cen­ter kom­men­tiert und irgend­wie fällt mir bei Ihnen auf, so rich­tig schei­nen Sie unse­ren Wed­ding nicht zu ken­nen bzw. zu lie­ben und auch nicht zu verstehen…Kann das sein!? Ihre Ana­ly­se beim letz­ten Arti­kel war schon nicht so ganz nach­zu­voll­zie­hen und auch hier in dem Arti­kel scheint mir es so zu sein, Sie leben in einem eige­nen Wed­ding, der aber mit den hier leben­den Men­schen nicht so ganz kom­pa­ti­bel ist, oder !?

    • Da fra­ge ich mich, wie ich mir die­sen Blog aus­den­ken konn­te, wenn ich den Wed­ding doch so gar nicht ver­ste­he und lie­be. Oder sind die vie­len tau­send Lese­rin­nen und Leser viel­leicht ein­fach in einem ande­ren Wed­ding unter­wegs als Sie? Hm. Fra­gen über Fragen.

  2. Mir gefällt der Pen­ny rich­tig gut. Es ist das ers­te Kon­zept, bei dem ich das Gefühl habe, dass das Kon­zept für die Kun­den gemacht ist und nicht für den Kon­zern­ab­sen­der. Mit ver­steck­ten Witz und viel Lie­be zum Detail, und nicht mit Bra­chi­al­an­spra­che nach Alles-muss-raus-Manier, wur­de hier ein Stil ent­wi­ckelt, bei dem man sich ger­ne noch ein wei­te­res Mal auf die Suche nach klei­nen Anspie­lun­gen begibt. In mei­nen Augen steht die Atmo­sphä­re im Vor­der­grund, nicht irgend­ein Preis-Alarm.
    Ich emp­fin­de die Gän­ge nicht als eng. Ganz im Gegen­teil, das Regal­kon­zept wirkt gut durch­dacht: Alle Rega­le ste­hen stern­för­mig ange­ord­net, was den Vor­teil hat, dass wenn man zwi­schen zwei “Ster­nen­ar­men” steht (das ist dann jeweils ein Pro­dukt­the­men­be­reich), man sich pro­blem­los einen 180°-(Über)blick ver­schaf­fen kann. Bei klas­si­schen Dis­coun­tern und deren Regal­über­län­gen muss man die­se Meter um Meter abfah­ren, um etwas zu fin­den und steht dann noch ein Palet­ten-Hub­wa­gen im Weg, war es das mit der ein­fa­chen Suche.
    Die­ser Pen­ny ist kein klas­si­scher Dis­coun­ter für den “Groß­fa­mi­li­en-Ein­kauf”, son­dern einer für die schnel­le Besor­gung wäh­rend des Umstei­gens am Leo. Er ist eine klei­ne Insel inmit­ten des gan­zen Tru­bels und es macht wirk­lich ent­spann­ten Spaß sich dort aufzuhalten.

  3. “[…] außer mir scheint sich nie­mand für die gan­zen Gags zu interessieren.”
    Die­se Aus­sa­ge ist nicht nur nicht wahr son­dern auch sehr anma­ßend, was die Fra­ge auf­wirft inwie­fern die­ser Bei­trag seri­ös sein soll. Laby­rin­thisch ist der Markt auch vor allem nicht, das ist ein Kreis, ver­lau­fen kann man sich nicht. An der Kas­se ste­hend und Toma­ten vergessen…dann geh durchs Dreh­kreuz wie­der rein mit einer vor­han­de­nen Mög­lich­keit wie­der eben nicht den gan­zen Weg durch den Laden zu müs­sen: sel­ber schuld!

  4. Auch die Kon­zern­mut­ter REWE scheint den Wed­din­ger Unter­grund für sich ent­deckt zu haben: In der REWE-Filia­le im Unter­ge­schoss des Citi-Point Cen­ters an der Mül­lerstra­ße gibt es schi­cke schwar­ze Ein­kaufs­ta­schen mit den oran­gen Kacheln und dem Schrift­zug des U‑Bahnhofs Wedding.

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