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Pianosalon Christophori:
Post-Pandemie im Pianosalon

7. Oktober 2023
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Die Leu­te keh­ren nicht in die Kul­tur­häu­ser zurück. So klagt die Sze­ne. Ein Bei­spiel für weni­ger Gäs­te ist der Pia­no­sa­lon Chris­to­phe­ri. Betrei­ber Chris­to­pher Schrei­ber ist nicht zum Lär­men oder Jam­mern ver­an­lagt. Ein Grund mehr, gera­de ihn zu besu­chen und zu fra­gen, wie es sei­nem Kul­tur­ort nach Coro­na geht.

Chris­toph Schrei­ber spricht ruhig, fast lei­se, bedäch­tig im Sin­ne von mit Bedacht (gibt es noch das Adjek­tiv bedacht­sam?). Er ist groß, steht schwarz geklei­det zwi­schen zahl­rei­chen schwar­zen Kla­vie­ren in einer von außen unschein­ba­ren Lager­hal­le auf dem Gelän­de der Ufer­hal­len. Coro­na habe der Klas­sik zu schaf­fen gemacht, sagt er, das Publi­kum sei bis heu­te nicht voll­stän­dig zurück­ge­kehrt. “Das geht aber vie­len so”, sagt Chris­toph Schrei­ber mit Blick auf ande­re Musi­kor­te. In der Stadt, in Euro­pa. Man kann sagen, die Bran­che lei­det an Post-Covid, krankt an Fol­gen der Pan­de­mie, obwohl die­se lan­ge vor­bei ist. 

Christoph Schreiber
Chris­toph Schrei­ber vom Pia­no­sa­lon. Foto: And­rei Schnell

Veränderungen, die auch ohne Covid passiert wären

Zuletzt hat der Wed­ding­wei­ser vor acht Jah­ren über das Pia­no­haus berich­tet. Acht Jah­re sind eine lan­ge Zeit. Zwi­schen­durch war Coro­na – und ande­re Din­ge sind pas­siert. So arbei­tet Chris­toph Schrei­ber nicht mehr als Medi­zi­ner. Er spricht über die­se Pro­fes­si­on in einem Ton­fall, dass deut­lich wird, den wei­ßen Kit­tel wür­de er nur äußerst ungern wie­der anle­gen. Nun hat er Zeit für sei­ne Lei­den­schaft. Doch das heißt auch, sich Zeit für sei­ne Lei­den­schaft neh­men zu müs­sen. Musik­ver­an­stal­ter zu sein, das sei ein Twen­ty­four­se­ven-Job. Er tele­fo­nie­re unglaub­lich viel, habe Musik und Musi­ker zu mana­gen. Und die Fami­lie ist natür­lich auch noch da, sagt der drei­fa­che Vater. Das sind Ver­än­de­run­gen, die nichts mit dem erst unbe­kann­ten, nun halb­wegs ver­trau­ten Virus zu tun haben.

Chris­toph Schrei­bers Lei­den­schaft gilt in Wahr­heit nicht der Orga­ni­sa­ti­on von Kon­zer­ten. Sei­ne Begeis­te­rung gilt his­to­ri­schen Instru­men­ten. Aus dem Arzt für Men­schen ist ein Ganz­tags-Arzt für Pia­nos gewor­den. Sprich: Chris­toph Schrei­ber restau­riert alte Flü­gel, Pia­nos, Kla­vie­re. “Ich wür­de gern mehr hand­werk­lich arbei­ten”, sagt er. Das klingt ein Hauch bedau­ernd. Aber unzu­frie­den, wirkt er auch nicht. Offen­bar hat das Leben ihn jetzt auf den rich­ti­gen Fleck gestellt. Irgend­wo in einen Salon mit über 100 his­to­ri­schen Pia­nos. Wo er es sich leis­ten kann, Auf­trags­re­stau­rie­run­gen abzu­leh­nen. Weil das “zu viel Auf­wand bedeu­tet, um es ver­nünf­tig zu machen”.

Am Publikum hängt alles

Also restau­riert er his­to­ri­sche Flü­gel für eige­ne Zwe­cke – spricht für das Kon­zert, für die Auf­füh­rung. Kon­zert­fä­hig hal­ten, nennt er die­sen Teil sei­nes Tage­werks. Er über­le­ge sich, wel­ches Instru­ment für einen Auf­tritt eines Gast­mu­si­kers in sei­nem Salon das rich­ti­ge ist und setzt es instand. Aber ange­wie­sen ist er auf das Publi­kum. Und das hat sei­ne Gewohn­hei­ten in den Lock­down-Jah­ren geän­dert. Im Pia­no­sa­lon habe er das Glück, ein gemisch­tes Publi­kum anzu­zie­hen, “auch wenn die Mischung weni­ger als vor Coro­na gewor­den ist”. Es ist zu spü­ren, die­ser Satz soll nicht weh­kla­gend klin­gen, nur beschrei­bend. Des­halb spricht Chris­toph Schrei­ber im nächs­ten Satz von Ver­ant­wor­tung und von der Auf­ga­be für Musik­ver­an­stal­ter. Als wol­le er sage, man müs­se die Leu­te eben zurück­ho­len. Wie­der über­zeu­gen. Neu anspre­chen. Sein Bei­trag: Im Pia­no­sa­lon zah­len Stu­den­ten 15 Euro für den Ein­tritt (Nor­mal­preis meist 25 Euro). Das Getränk ist immer inklu­si­ve. Und er ermu­ti­ge dazu, Kin­der mit­zu­brin­gen. Die meis­ten von ihnen wür­den kon­zen­triert zuhö­ren, so sei­ne Erfahrung.

160 Stüh­le hat der Musik-Ermög­li­cher in der Lager­hal­le auf­ge­stellt. Frü­her waren es 199. Die Leu­te wür­den heu­te nicht mehr so eng sit­zen wol­len, wie es vor weni­gen Jah­ren nor­mal war. Und er orga­ni­siert sel­te­ner Kon­zer­te auf Spen­den­ba­sis, setzt heu­te in der Regel fes­te Prei­se an. Hat Coro­na auch an der Bereit­schaft genagt, eine gute Leis­tung auch unauf­ge­for­dert finan­zi­ell zu beloh­nen? Eine Fra­ge, die sich jeder selbst vor­le­gen muss, um sie zu beant­wor­ten. Gut 5000 Euro im Monat muss Chris­toph Schrei­ber für die Mie­te auf­brin­gen. Am Sys­tem Raum gegen Miet­zah­lun­gen, dar­an hat Covid nichts geändert.

Web­site

Ein­gang zum Pia­no­sa­lon (Eigen­schreib­wei­se Pia­no Salon) in der Ufer­stra­ße. Foto: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

3 Comments

  1. Viel­leicht läuft es mit einem ande­ren Kon­zept bes­ser? Als Eltern ist es schwie­rig abends weg­zu­ge­hen. Und am Tage wer­den kei­ne Kon­zer­te ange­bo­ten wenn die Kids in Kita und Schu­le sind. Es.gibt immer mehr Loca­ti­ons, die auf die­se Bedürf­nis­se ein­ge­hen. War­um nicht auch der Pia­no Salon?
    Oder man lässt auch Kin­der mit in den Saal, bin­det sie mit ein, bringt ihnen klas­si­sche Musik nahe und lebt damit, dass es etwas “leben­di­ger” zugeht und nicht still dazusitzen.
    Bei­des ana­log der Lunch­kon­zer­te der Ber­li­ner Philharmoniker.

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