Warum gibt es im Wedding eine Samoastraße und einen Pekinger Platz? Aktuell wird in den Medien viel über deutschen Kolonialismus und Rassismus debattiert. Daher lud das Interkulturelle Gemeinwesenzentrum „Sprengelhaus“ in der Sprengelstraße 15 am 17. Juni zur Führung “Spurensuche Kolonialer Sprengelkiez” ein. Unsere Autorin war mit von der Partie.
Take-away und Lieferdienste: Was können wir tun, wenn wir unsere Cafés und Restaurants auch nach der Krise behalten wollen? Ganz einfach: Wir können sie jetzt unterstützen und unser Essen dort abholen. In einer Serie stellen wir euch in jedem Kiez einige Orte vor, wo ihr Essen zum Mitnehmen abholen oder für die Lieferung bestellen könnt. Heute: Tipps für den Sprengelkiez.
04.09.2019 “Ende September wird die Tegeler Straße geschlossen!” – “Was? Wie?” So oder ähnlich könnten Gespräche im Sprengelkiez derzeit beginnen, denn: Ende September wird die Tegeler Straße endlich wirklich gekappt, und zwar an der Stelle, wo bereits jetzt die Eisenbahnbrücke (der sogenannte Overfly) hoch über die Straße führt, hinter dem Spielplatz an der Ecke Lynarstraße. Geschlossen heißt: Keine Autos, keine Fahrräder, keine Menschen zu Fuß kommen noch durch, der gesamte Verkehr wird dann über das neue Nordufer umgeleitet.
In einem Ufercafé sitzen oder in einer Hausbrauerei?
Das dicht bebaute Wohnviertel rund um die Sprengel- und die Tegeler Straße verfügt neben einer weitgehend intakten Altbausubstanz aus der Gründerzeit über eine richtige Wasserlage. Im Südwesten des Kiezes verläuft nämlich der Berlin-Spandauer Schiffahrtskanal. Die ausgebaute Uferpromenade mit ihren repräsentativen Wohnhäusern aus der Zeit um 1900 lädt zu Spaziergängen und zu Cafébesuchen ein. Wie an keiner anderen Stelle im Wedding reihen sich hier gastronomische Betriebe aneinander, sowohl traditionelle Kneipen ( Deichgraf) als auch neuere Cafés und Restaurants (Fünfundsechzig, Cafe am Ufer). Ebenfalls im Sprengelkiez besteht seit vielen Jahren die Weddinger Hausbrauerei Eschenbräu, wo man im Sommer in einem schattigen Biergarten im Hinterhof sitzen kann. In den letzten Jahren wurde durch ein Quartiersmanagement viel in die vorhandenen Spielplätze investiert.
Neben dem Sparrplatz und dem Pekinger Platz (am Kanal) ist hier vor allem der Sprengelpark zu nennen. Auf dem 10 000 qm großen ehemaligen Industrieareal (hier wurden Wasserflugzeuge gebaut) zwischen der Kiautschoustraße und der Sprengelstraße haben Landschaftsplaner einen urbanen Sport- und Spielpark mit viel Grün geschaffen.
Der kleine, aber feine Sprengelpark
Im Sprengelkiez und in seiner unmittelbaren Umgebung befinden sich wichtige öffentliche Einrichtungen, deren Bedeutung weit über den Wedding hinausreicht. Zu nennen ist hier vor allem das Robert-Koch-Institut am Nordufer. Das 1891 gegründete Institut ist die zentrale Überwachungs- und Forschungseinrichtung der Bundesrepublik für Infektionskrankheiten. Es befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rudolf-Virchow-Krankenhaus (heute: Charité Campus Virchow). Die zentrale Berliner Einwanderungsbehörde liegt ebenfalls am Kanalufer, jedoch auf der gegenüberliegenden Moabiter Seite. Sie ist mit dem Torfstraßensteg an den Sprengelkiez angebunden. Auch Beschäftigte und Studierende der nahe gelegenen Beuth-Hochschule drücken dem Sprengelkiez ihren Stempel auf. Daher findet man in diesem Kiez mehr studentisches Einflüsse und die passende Infrastruktur als in anderen Vierteln im Wedding.
Sehenswertes am Nordufer und im Kiez
Da das Industriegelände an der Sprengelstraße erst am Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde, konnte sich der westliche Teil des Kiezes am Nordufer erst um 1900 herum zu einem Wohngebiet entwickeln. Die repräsentative Gebäudegruppe zwischen Fehmarner Straße, Nordufer und Buchstraße ist ein besonders gelungenes Beispiel für genossenschaftlichen Reformwohnungsbau. Vor allem die Eckbauten, davon eines sogar mit einem Doppelgiebel, prägen das Kanalufer an diesem Abschnitt. Auch das Eckhaus Torfstraße/Kiautschoustraße ist ein großbürgerlicher Prachtbau, wie es ihn im Wedding eher selten gibt. Die Osterkirche liegt an der Samoastraße / Sprengelstraße und damit exakt in der Mitte des Sprengelkiezes. Die wuchtige Backsteinkirche ist in die Ecke eines Blocks gebaut und vereint Kirchenschiff, Turm und Pfarrhaus in einem einzigen Gebäude. Das gewölbelose Kircheninnere ist mit prachtvollen Malereien versehen. Das Geschäftszentrum des immer beliebter und damit auch teurer werdenden Sprengelkiezes ist neuerdings die Tegeler Straße mit ihren vielen Cafés, Restaurants und Fachgeschäften. Aber auch in die Sprengelstraße zieht es Nachtschwärmer (in das gleichnamige Musiklokal) oder in die vielen kleinen Gastronomiebetriebe.
Roter Wedding, schlechter Wedding
In Richtung Müllerstraße ist der Kiez stärker von sozialen Problemen geprägt, was vor etlichen Jahren auch der Grund für die Einrichtung des Quartiersmanagements Sparrplatz war. Der namensgebende Platz ist eine langgezogene Grünanlage mit Bolz- und Spielplätzen. Genau in dieser Lage ist mit dem Prime-Time-Theater an der Burgsdorfstraße/Müllerstraße ein kultureller Anziehungspunkt von berlinweiter Relevanz entstanden. Dessen Alleinstellungsmerkmal ist eine fortlaufende Seifenoper auf der Bühne namens “Gutes Wedding, schlechtes Wedding”. Doch anders als bei dem vermeintlichen TV-Vorbild gibt es bei diesem Theaterspaß mit Weddinger Originalen echtes Gelächter eines glänzend unterhaltenen Publikums. Direkt nebenan liegt die Berliner SPD-Zentrale (Kurt-Schumacher-Haus) – traditionell eng mit dem “roten Wedding” verbunden. Bedeutend für den ganzen Ortsteil ist auch das Jobcenter direkt gegenüber – untergebracht in einem typischen Arbeitsamtsgebäude aus den 1950er Jahren.
In einem versteckten Wohnzimmer irgendwo im Sprengelkiez stehen zwei Poeten zwischen 25 Menschen und übertrumpfen sich mit gereimten Zeilen. Keine halbe Stunde währt die Runde, und die Entscheidung wird gefällt – nur einer von beiden wird eine Stunde später im Finale stehen. In der Zwischenzeit schnappen die Zuschauerinnen und Zuschauer sich ihr Wegbier und verteilen sich in Grüppchen in den Kiez, auf der Suche nach Pfeilen und Rätseln. Wer nicht Teil der Gruppe ist, ahnt nicht, dass es sich um Publikum des ersten „Secret Slam“ handelt.
2016 – Alina Riedel (rechts) mit ihrer Angestellten. Im Spiegel: Jutta Mamet und Evelyn Ohletz (rechts)
Gibt es Orte, die ihre Tradition wie eine Aura ausstrahlen? Bereits 70 Jahre lang wohnt der Tegeler Straße 32 der Zauber der Schönheit inne: Seit 1945 findet man unter dieser Adresse Friseursalons. Seit 2014 führt Alina Riedel diese Tradition mit ihrem Friseursalon Ware:Schönheit fort.
Auf Moabiter Seite wachsen die Brückenbauwerke für die neue S‑Bahn-Linie über die Fennstraße und in Richtung Hauptbahnhof sichtbar in die Höhe. Ursprünglich sollte die Strecke Ende 2017 eröffnet werden. Doch auf Weddinger Seite passiert an der Baustelle: nichts. Die Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat daher die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt im Rahmen einer schriftlichen Anfrage¹ gebeten, den aktuellen Sachstand zu erläutern. Bleibt der Sprengelkiez durch die geplante neue Straßenführung vom Durchgangsverkehr verschont? Das Wichtigste zuerst: der verkehrsberuhigte Pekinger Platz bleibt für Autos gesperrt.
Rosen, Tulpen, Nelken… ähm, war da noch mehr? Wo manch einer mit seinem Blumenlatein schon am Ende ist, fängt Christian Goldbeck gerade erst an, die wahren Schätze in seinem Laden aufzuzählen. Floristik hat für das Team von Blumen Goldbeck in der Tegeler Straße mit Kunst zu tun: Jeder Strauß ist ein eigenes Werkstück, mit höchstem Anspruch gefertigt.
Wenn jemand in die Fremde geht, nimmt er immer etwas von seinem Heimatland mit. Aber es gibt immer auch liebgewordene Dinge, die man erst vermisst, wenn man sie nicht mehr um sich hat. So geht es Griechen mit der Institution Καφενεῖον. Bei einem Kafenion handelt es sich um ein Café, wie es für griechische Dörfer typisch ist – ein Ort der Kommunikation und des Austauschs.