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Entdeckungen im Kiez:
Treppe hoch: Rund um den Bahnhof Nauener Platz

11. April 2023
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In die­ser Serie laden wir euch dazu ein, aus dem U‑Bahn-Schacht her­aus­zu­stei­gen und die Umge­bung von Wed­din­ger U‑Bahnhöfen zu erkun­den. Was erwar­tet euch, wenn ihr die Trep­pen her­auf­geht? Was lohnt sich, wor­an geht ihr bes­ser vorbei? 

Die­ser U‑Bahnhof gehört schon ein­mal zu den beson­ders bemer­kens­wer­ten Bahn­hö­fen im Pop-Art-Stil. Er wur­de 1976 eröff­net und erin­nert in sei­ner Farb­ge­bung an die fran­zö­si­sche Tri­ko­lo­re. Schließ­lich befand er sich im fran­zö­si­schen Sek­tor West­ber­lins. Die klo­bi­gen Leuch­ten, die knal­li­gen roten Wer­be­ta­feln und die eigen­ar­ti­gen Metall­trö­ge an der Decke atmen den Zeit­geist der 1970er Jah­re wie kein ande­rer Bahn­hof im Wed­ding. Seit kur­zem ist der Bahn­hof auch bar­rie­re­frei und hat einen zwei­ten Aus­gang zur Schulstraße. 

Der Naue­ner Platz selbst ist kein schö­ner Platz, eigent­lich gar kein Platz, son­dern eher eine lau­te Kreu­zung, an der der Ver­kehr unent­wegt durch­rauscht. Er trägt seit 1910 sei­nen Namen – nach der bran­den­bur­gi­schen Klein­stadt im Havel­land. Auf der Nord­ost­ecke des Plat­zes ste­hen kei­ne Häu­ser, son­dern dort befin­det sich eine Frei­flä­che und dahin­ter das Haus der Jugend. Davor ist ein klei­ner Spiel­platz. Das Gebäu­de aus den 1950er Jah­ren wur­de jah­re­lang saniert und erstrahlt jetzt in knal­li­gem Orange. 

Wenn­gleich der Platz selbst alles ande­re als ein­la­dend ist, gilt das nicht unbe­dingt für die Umge­bung. Es lohnt sich hier, wie so oft, in die Neben­stra­ßen zu gehen. Zu den bau­lich schöns­ten Stra­ßen im Wed­ding zäh­len die Lie­ben­wal­der Stra­ße Ecke Hoch­stät­ter Stra­ße vol­ler sanier­ter Miets­ka­ser­nen aus der Kai­ser­zeit. Die Fas­sa­den in der par­al­lel ver­lau­fen­den Oude­nar­der Stra­ße sind eben­falls bemerkenswert. 

An der Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße 67 befin­det sich eine Gedenk­ta­fel am Geburts­haus des Malers Otto Nagel, einem der größ­ten Söh­ne des Wed­ding. Ein­keh­ren kann man gut im Soul of Cof­fee gleich dane­ben. Es lohnt sich, wei­ter zu gehen: es sind vor allem an der nörd­li­chen Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße Ende des 19. Jahr­hun­derts zahl­rei­che Wohl­fahrts­ein­rich­tun­gen ent­stan­den. Dort hör­te die dicht bebau­te Innen­stadt auf, dort gab es genü­gend preis­wer­te Grund­stü­cke. Die Hos­pi­tä­ler zum Hei­li­gen Geist und St. Georg, schon im 13. Jahr­hun­dert gegrün­det, errich­te­ten 1897 einen schö­nen schloss­ar­ti­gen Zie­gel­bau (Hs.nr. 59). An der Ecke Ira­ni­sche Stra­ße kann man das Alters­heim der Lan­ge-Schu­cker-Stif­tung bestau­nen, ein goti­sie­ren­des Gebäu­de mit einer bemer­kens­wer­ten abge­schräg­ten Ecke. Gegen­über befin­det sich ein ehe­ma­li­ges Kin­der­kran­ken­haus, das einen gan­zen Bau­block ein­nimmt (Rei­ni­cken­dor­fer Str. 61–62). Das 1890 errich­te­te Ensem­ble war wich­tig in der Bekämp­fung der hohen Kindersterblichkeit. 

Geht man süd­lich des U‑Bahnhofs in die Rei­ni­cken­dor­fer Stra­ße, soll­te man sich von der unwirt­li­chen brei­ten, bau­lich ram­po­nier­ten und oft lau­ten Stra­ße nicht abschre­cken las­sen. Schon an der nächs­ten Ecke links geht es in die ruhi­ge­re Gott­sched­stra­ße. Dort befin­det sich mit der Jatz Bar ein wich­ti­ger Teil des Wed­din­ger Nacht­le­bens. Gleich dane­ben steht ein Indus­trie­denk­mal, die Rota­print-Fabrik. Nach und nach wur­den die sehr alten und jün­ge­ren 50er-Jah­re-Gebäu­de­tei­le saniert und bil­den heu­te das Herz­stück von ExRo­ta­print, eine Mischung aus Gewer­be, Kunst und sozia­len Unter­neh­men. Es lohnt sich, den nüch­tern gehal­te­nen Fabrik­hof und sei­ne Neben­ge­bäu­de zu bestau­nen, auch wenn die eigent­li­chen Fabrik­hal­len heu­te nicht mehr existieren.

Nur noch ein­mal rechts in die Born­emann­stra­ße bie­gen, und schon steht man an Wed­dings Haus­fluss, der Pan­ke. Doch das ist eine ande­re Geschich­te, ein ganz eige­ner Spaziergang! 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

1 Comment

  1. Man kann sich noch die rup­pigs­te Wed­din­ger Gegend schön­re­den, nur: cui bono?
    Das ist ein­fach ne häss­li­che Kreuzung.

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