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Spurensuche zur kolonialen Vergangenheit:
Straßenschilder sollen ergänzt werden

14. November 2023

Auch im Spren­gel­kiez erin­nern his­to­ri­sche Stra­ßen­na­men an den deut­schen Kolo­nia­lis­mus. Eine Arbeits­grup­pe “Spu­ren­su­che kolo­nia­le Ver­gan­gen­heit im Spren­gel­kiez” schlägt vor, dar­auf auf Hin­weis­schil­dern an den Stra­ßen­schil­dern auf­merk­sam zu machen. Der Bezirk prüft. Es geht um die Kiautschou­stra­ße, die Samo­a­stra­ße und den Pekin­ger Platz. 

Foto: Samuel Orsenne bearbeitet: Weddingweiser

Die Kiautschou­stra­ße ist nach dem deut­schen “Schutz­ge­biet Kiautschou” (chi­ne­sisch Jia­oz­hou) in der Pro­vinz Shan­tung in Nord­chi­na benannt. 1897 wur­de das Gebiet von deut­schen Trup­pen besetzt, 1898 dräng­te das Deut­sche Kai­ser­reich dem Kai­ser­reich Chi­na einen für 99 Jah­re gel­ten­den Pacht­ver­trag auf, durch den die Deut­schen alle Hoheits­rech­te über das Gebiet erhiel­ten. Die hohen staat­li­chen Inves­ti­tio­nen, die für sei­ne Erhal­tung not­wen­dig waren, mach­ten das “Schutz­ge­biet Kiautschou” für das Deut­sche Reich jedoch zu sei­ner teu­ers­ten Kolo­nie. In wirt­schaft­li­cher Hin­sicht wur­de das zu einem Fias­ko. Im Ers­ten Welt­krieg zogen sich die deut­schen Trup­pen schon im Novem­ber 1914 zurück, die Kolo­nie wur­de japa­ni­schen Trup­pen übergeben. 

Der Pekin­ger Platz erin­nert an die Beset­zung Pekings im Jahr 1900 und 1901 durch inter­na­tio­na­le Inter­ven­ti­ons­trup­pen unter dem Kom­man­do des deut­schen Gene­ral­feld­mar­schalls Alfred Graf von Wal­der­see (1832–1904) zur Nie­der­schla­gung des soge­nann­ten “Boxer­auf­stands”. Das deut­sche Kai­ser­reich stell­te das größ­te Trup­pen­kon­ti­gent, aber auch Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Öster­reich-Ungarn, Ita­li­en und Russ­land sowie das japa­ni­sche Kai­ser­reich und die USA schick­ten Sol­da­ten. Wil­helm II (1859–1941), der dama­li­ge deut­sche Kai­ser, hielt bei der Ent­sen­dung des deut­schen Ost­asia­ti­schen Expe­di­ti­ons­korps in Bre­mer­ha­ven eine als “Hun­nen-Rede” bezeich­ne­te Anspra­che: “Kommt ihr vor den Feind, so wird der­sel­be geschla­gen! Par­don wird nicht gege­ben! Gefan­ge­ne wer­den nicht gemacht! Wer euch in die Hän­de fällt, sei euch ver­fal­len! Wie vor tau­send Jah­ren die Hun­nen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Über­lie­fe­rung und Mär­chen gewal­tig erschei­nen lässt, so möge der Name Deut­scher in Chi­na auf 1000 Jah­re durch euch in einer Wei­se bestä­tigt wer­den, dass es nie­mals wie­der ein Chi­ne­se wagt, einen Deut­schen scheel anzusehen!” 

Die Samo­a­stra­ße ist nach der von 1899 bis 1914 exis­tie­ren­den deut­schen Kolo­nie Samoa benannt. Seit der Mit­te des 19. Jahr­hun­derts betrie­ben deut­sche Unter­neh­men dort Kokos­nuss-Plan­ta­gen, im Jahr 1899 wur­de auf der Ber­li­ner Samoa-Kon­fe­renz das dama­li­ge König­reich Samoa auf­ge­teilt. Die öst­li­chen Haupt­in­seln wur­den zur Kolo­nie der USA und sind bis heu­te deren Außen­ge­biet, die west­li­chen Inseln kamen unter die Kolo­ni­al­herr­schaft Deutsch­lands. Wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs besetz­te Neu­see­land West­sa­moa. 1962 wur­de das Land unab­hän­gig, seit 1997 nennt es sich Samoa. 

Das Bezirks­amt berich­te­te im Sep­tem­ber der BVV, dass es mit der Arbeits­grup­pe “Spu­ren­su­che kolo­nia­ler Spren­gel­kiez” in Kon­takt ste­he. Ein ers­ter Ter­min für die gemein­sa­me Erar­bei­tung von Text­vor­schlä­gen habe statt­ge­fun­den. “Die Text­vor­schlä­ge wer­den der Kom­mis­si­on Erin­ne­rungs­kul­tur vor­ge­stellt, von die­ser bera­ten und dem Aus­schuss für Wei­ter­bil­dung und Kul­tur der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung prä­sen­tiert sowie der zustän­di­gen Behör­de des Stra­ßen- und Grün­flä­chen­am­tes im nächs­ten Schritt über­mit­telt. Es wird aller­dings dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es am Pekin­ger Platz kei­ne Stra­ßen­schil­der gibt, eine Anbrin­gung von Stra­ßen­na­men­er­gän­zungs­schil­dern daher dort nicht mög­lich ist”, so heißt es in dem BA Beschluss. “Das Bezirks­amt weist dar­auf hin”, so wird spä­ter aus­ge­führt, “dass seit 2022 am Pekin­ger Platz ein vom Bezirks­amt instal­lier­tes Hin­weis­schild mit einem QR-Code exis­tiert. Die­ser QR-Code ver­linkt auf www.berlin.de/kunst-und-kultur-mitte/geschichte/erinnerungskultur/berlin-mitte-codes/artikel.1135654.php Die dor­ti­gen Infor­ma­tio­nen erläu­tern die Benen­nun­gen der Stra­ßen­na­men und die deut­schen Kolo­ni­al­ver­bre­chen in Ost­asi­en und Poly­ne­si­en kri­tisch und in einem Umfang, wel­cher durch Stra­ßen­na­men­er­gän­zungs­schil­der nicht gege­ben wer­den könnte.”

Autor: Chris­tof Schaffelder

Die­ser Text erschien zuerst in der Sanie­rungs­zeit­schrift “Ecke Mül­lerstra­ße

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