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Sag zum Abschied leise Prost

30. März 2018
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Bier und Sup­pe, dafür stand das ResOt­to. Foto: Ramo­na Gamradt

Wir hat­ten uns irgend­wie dar­an gewöhnt: Die gas­tro­no­mi­sche Land­kar­te des Wed­ding ist über die Jah­re viel­fäl­ti­ger gewor­den. Auf ein­mal scheint das aus und vor­bei zu sein – so kommt es einem im Moment zumin­dest vor. Denn inner­halb weni­ger Wochen ist der Wed­ding schlag­ar­tig um ein paar belieb­te Namen ärmer gewor­den. Dafür gibt es vie­le per­sön­li­che Grün­de der Betrei­ber; die unüber­seh­ba­re Gen­tri­fi­zie­rung ist dabei wohl gar nicht ent­schei­dend gewe­sen. Und den­noch fällt eine gewis­se Häu­fung auf. Wir haben zusam­men­ge­fasst, wo schmerz­li­che Lücken ent­stan­den sind.

Gleich zwei Bars haben im Afri­ka­ni­schen Vier­tel das Zeit­li­che geseg­net. Erst das Stu­dio 7, eine klei­ne Bar in der Gui­ne­a­stra­ße, dann das Fre­de­ricks. Letz­te­res geschah unfrei­wil­lig, denn die Betrei­ber konn­ten den gut lau­fen­den Betrieb nicht län­ger in einem maro­den Haus auf­recht­erhal­ten, in dem sogar Was­ser und Strom abge­stellt wur­den. Eine Wie­der­auf­er­ste­hung ist jedoch in der Lüde­ritz­stra­ße geplant. Für das Simit Evi, ein belieb­tes tür­ki­sches Café am Leo­pold­platz, sah es zwi­schen­zeit­lich nicht gut aus, weil das sanie­rungs­be­dürf­ti­ge Gebäu­de abge­ris­sen wer­den soll­te. Nun gibt es erst mal eine Ver­trags­ver­län­ge­rung bis 30. Juni, schreibt der Bezirks­stadt­rat auf Twit­ter .

Ein Kiez verzeichnet die meisten Schließungen
Tarkan im Studio 7
Schluss mit schumm­rig. So war das Stu­dio 7.

Rich­tig hart hat es den Spren­gel­kiez getrof­fen. Reih­ten sich hier seit mehr als fünf Jah­ren die Cafés und Bar so dicht anein­an­der, dass man fast von einer Aus­geh­mei­le spre­chen konn­te, ändert sich hier gera­de beson­ders viel. Den Platz­hirsch Aus­zeit traf es 2016 zuerst. Weil der neue Haus­ei­gen­tü­mer eige­ne Plä­ne unter dem eta­blier­ten Namen hat­te, muss­te das Ori­gi­nal-Café schließ­lich nach Pan­kow umzie­hen. Doch jetzt hören auch eta­blier­te Bars wie der „Nacht­schwär­mer bei Ernst“ oder das „ResOt­to“ frei­wil­lig auf, weil die Betrei­ber Ber­lin ver­las­sen. Und auch der „Fei­ne Hubert“, Nach­fol­ger des belieb­ten Café Hubert, schließt bereits nach einem guten Drei­vier­tel­jahr. Die Gale­rie Nomad ließ die Rol­los in der Spren­gelstra­ße her­un­ter. Und als ob sie sich in den Rei­gen ein­rei­hen woll­te, schloss nun auch die Filia­le der Schwä­bi­schen Bäcke­rei in der Trift­stra­ße, die zwar nicht jeder­mann gefiel, aber wenigs­tens noch selbst geba­cken hat.

Noch mehr Abschieds­trä­nen in ande­ren Kiezen: Den schrill-bun­ten Wein­la­den (mit Wein­bar) Spi­ri­tus Mun­di an der Mal­plaquet­stra­ße gibt es eben­falls nicht mehr. Der Ver­lust der Bar Prin­zin­ger wiegt wohl noch schwe­rer: Der Betrei­ber des vor­mals als legen­dä­re Knei­pe namens Prä­peleck bekann­ten Eta­blis­se­ments an der Ecke Oslo­er Stra­ße und Prin­zen­al­lee hat sich einem ande­ren Pro­jekt zuge­wandt. Und ganz in der Nähe schließt Ende des Jah­res die Kugel­bahn, ein Abschied mit Ansa­ge, denn das Gebäu­de wird abgerissen.

Ein paar Abschiede zu viel

Ver­än­de­run­gen gehö­ren zum Leben und machen auch einen leben­di­gen Stadt­teil wie den Wed­ding aus. Man­che Kon­zep­te haben sich viel­leicht über­lebt, betriebs­wirt­schaft­li­che Feh­ler wur­den gemacht und nicht jeder Gas­tro­nom hält bis in alle Ewig­keit durch. Das weiß unser Ver­stand. Unser Herz will das aber nicht wahr­ha­ben. Alles hat sei­ne Zeit, sagt man so schön, doch soll­te mög­lichst nicht alles zeit­gleich ver­schwin­den. Viel­leicht ist es ein­fach ein über­fäl­li­ger Gene­ra­ti­ons­wech­sel.  Wir sagen jeden­falls zum Abschied der vie­len Bars lei­se – Prost…

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

2 Comments

  1. Statt einers redak­tio­nel­len Beitrags:

    .….…..And now my fri­ends I say goodbye.….….…
    Zwei Gene­ra­tio­nen haben in der Milch­meer­ga­le­rie gelebt und gearbeitet,
    die drit­te ist schon gebo­ren. Doch die wird die Gale­rie, nur
    noch aus Erzäh­lun­gen und Fotos ken­nen­ler­nen. Seit die halbe
    Feh­mar­ner Stra­ße einem Invest­ment­fond aus Hai­fa gehört, ist für die
    Künst­ler um Micha­el Lewin­ski am Ende des Jah­res 2017 alles zu Ende.
    Artor­ta adé, der fan­tas­ti­sche Kel­ler, gestal­tet wie ein Traum aus Alice
    im Wun­der­land ver­schwin­det im Stru­del der Inves­to­ren. Christina
    Ihr­ke, Andre­as Aurenz, Tima die Gött­li­che, Bahr­am, Nietz­sche, Frank
    Sie­ben, Nad­ja Ditt­mar, die Gast­künst­ler wie Herr­mann, Egon Rathke
    Dag Beuschel und vie­le, vie­le ande­re wer­den hei­mat­los. Fast möchte
    man mei­nen ‑Gott habe ihn selig- Ron Ruß wäre prä­ven­tiv verstorben,
    um die­sen Schmerz nicht mehr erle­ben zu müs­sen. Wenn es jemals ein
    Modell für Expe­ri­men­te und freie Kunst­sze­ne über einen so langen
    Zeit­raum in unse­rem Spren­gel­kiez gege­ben hat, dann war das die
    Milch­meer­ga­le­rie. Aus und vor­bei! Mein ganz per­sön­li­cher Dank gilt
    Chris­ti­na Ihr­ke und Micha­el Lewin­ski, die mir vor Jah­ren, ganz unproblematisch
    mei­nen Start als Künst­ler mit den ers­ten Aus­stel­lun­gen in
    der Milch­meer­ga­le­rie erst ermög­licht haben!
    .….…..And now my fri­ends I say goodbye.….….…

  2. Ergän­zung: Die Milch­meer­g­ala­rie ist eben­falls ver­drängt wor­den. Aus die Maus! Haupt­sa­che die “Inves­to­ren” kom­men. Käptn Nuss hat sich ver­ab­schie­det zu neu­en Zie­len. Litt­le Kit­chen ist auch gegan­gen und die ers­ten Läden in der Torf­stra­ße ste­hen wie­der leer.

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