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Neuer Hochbeetgarten im Brunnenviertel:
Platz da! Jetzt wird gegärtnert

Das Diesterbeet ist eine Initiative der Anwohnerschaft
7. Juni 2021
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Hochbeetgarten Diesterbeet in der Swinemünder Straße. Foto: Hensel

Manch­mal dau­ert es ewig, in Ber­lin ein Pro­blem zu lösen. Bei­spiels­wei­se neue Stand­or­te für Gemein­schafts­gär­ten im Wed­ding fin­den, Ver­kehrs­re­geln in der Bad­stra­ße durch­set­zen, Men­schen im Bezirks­amt fin­den, die sich für eine ner­vi­ge Sache zustän­dig füh­len und auch han­deln. Doch manch­mal geht genau das so rasend schnell, dass man sich erst­mal kurz set­zen muss. In der Swi­ne­mün­der Stra­ße im Brun­nen­vier­tel ist das ganz über­ra­schend gesche­hen. Vor dem denk­mal­ge­schütz­ten, ehe­ma­li­gen Gym­na­si­um ist jetzt ein Hoch­beet­gar­ten. Am Frei­tag (28.5.), am Tag der Nach­bar­schaft, ist das Dies­ter­beet ein­fach so auf­ge­ploppt. Die Initia­ti­ve kam mit­ten aus dem Kiez und lässt nun Blüm­chen an einer tie­fe Wun­de im Vier­tel wachsen.

Wir reden hier nicht über zwei oder drei Hoch­bee­te. Von den geplan­ten 23 steht schon etwa die Hälf­te knall­blau bemalt, zumin­dest die bereits fer­ti­gen Exem­pla­re, ste­hen sie als farb­li­cher Kon­tra­punkt vor dem oran­ge­far­be­ne­nen Schul­ge­bäu­de. „Susanna+Helge“ steht auf einem Schild­chen, das in einem Hoch­beet steckt. In einem ande­ren Beet gärt­nert Tina, die schräg gegen­über wohnt. Wei­te­re Schil­der ver­ra­ten die Namen der ande­ren Gärt­ner und Gärt­ne­rin­nen. Und wer möch­te, kann noch Beet­pa­te wer­den und selbst Hand anle­gen (Kon­takt sie­he unten). In der Nähe woh­nen ist jedoch Pflicht, denn einen Was­ser­an­schluss hat der Gar­ten nicht, das Gieß­was­ser muss per Kan­ne her­an­ge­schleppt wer­den. Trotz die­ser erschwer­ten Bedin­gun­gen erfreut sich das Pro­jekt gro­ßer Beliebtheit.

Das Diesterbeet: der Standort

Inter­es­sant ist, dass eine Gemein­schafts­gar­ten an der alten Schu­le schon vor vie­len Jah­ren geplant wur­de, vom Pro­jekt „pswed­ding“. Das Team woll­te das seit 2011 brach lie­gen­de Gelän­de reak­ti­vie­ren, erst allein, dann mit der städ­ti­schen Dege­wo. Güns­ti­ge Woh­nun­gen soll­ten ent­ste­hen, eine klei­ne Biblio­thek, eine Kita, ein Gemein­schafts­zen­trum und auch ein Gemein­schafts­gar­ten. Nach jah­re­lan­gem Hin und Her, vie­len vor allem inter­nen Gesprächs­run­den in ver­schie­de­nen Ämtern und Abspra­chen zwi­schen ver­schie­de­nen Par­tei­en zog der Bezirk 2019 die Reiß­lei­ne: Die alte Schu­le, die er Jah­re zuvor nicht mehr haben woll­te, soll­te nun doch wie­der eine Schu­le wer­den. Alle ande­ren Plä­ne lie­gen seit­her auf Eis. Weil in abseh­ba­rer Zeit aber kei­ne Mit­tel aus der Schul­bau­of­fen­si­ve für die Instand­set­zung der Schu­le ver­füg­bar sind (die Pla­nun­gen für das Pro­gramm sind lang­fris­tig, Mit­tel sind auf Jah­re ver­ge­ben), wird mit der lang­sam ver­fal­le­nen Schu­le erst­mal nichts passieren.

Balsam auf die Kiezseele

Das alte Dies­ter­weg-Gebäu­de wird im Kiez von vie­len auf­grund sei­ner inter­es­san­ten Archi­tek­tur zwar sehr gemocht, es steht aber wie ein Mahn­mal des Still­stands und sich blo­ckie­ren­der Kräf­te in Ver­wal­tung und Poli­tik mit­ten im Brun­nen­vier­tel. Der neue Hoch­beet­gar­ten, Dies­ter­beet genannt, ist da Bal­sam auf die Kiez­see­le. In den 1990ern wäre bei einer Situa­ti­on wie der aktu­ell ent­stan­de­nen von einer Win-Win-Situa­ti­on gespro­chen wor­den. Heu­te sagt man: Wir holen uns die Stadt zurück! Denn genau das ist hier gesche­hen. Nach­ba­rin­nen und Nach­barn haben sich schon seit Jah­ren über den Ver­fall des Schul­hau­ses und die auf dem Grund­stück ille­gal par­ken­den Autos geär­gert – denn die Stra­ße ist eigent­lich ver­kehrs­be­ru­higt und für Kfz tabu (Die Swi­ne­mün­der zurück­er­obern!). Auto­fah­rer anspre­chen hat nichts genutzt, Gesprächs­run­den in der Stra­ße und Krei­se­ma­len auf Asphalt auch nicht. Jetzt wird gegärtnert!

Meh­re­re Anwoh­ne­rin­nen haben irgend­wie einen Draht zum Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt Mit­te gefun­den. Das gilt bei Ein­ge­weih­ten als gro­ßes Kunst­stück, das Respekt ver­dient. Abschlep­pen der Autos, Schil­der auf­stel­len, Absper­run­gen instal­lie­ren? Im guten Gespräch ent­stand die Idee: wo die Autos ille­gal park­ten, soll­te ein Hoch­beet­gar­ten ent­ste­hen, ange­legt und gepflegt von der Anwoh­ner­schaft. Plötz­lich ging zumin­dest vor dem Gebäu­de im Dorn­rös­chen­schlaf, das für das der Bezirk Mit­te zustän­dig ist, mal irgendetwas!

Zusammen die Stadt zurückerobern

Hochbeetgarten Diesterbeet in der Swinemünder Straße. Foto: Hensel

Die Stadt zurück­er­obern geht nicht allein. Doch die Bewoh­ne­rin­nen hat­ten vie­le wei­te­re Akti­ve im Rücken: den Stadt­teil­ver­ein Brun­nen­vier­tel e.V., das Quar­tiers­ma­nage­ment Brun­nen­stra­ße (QM), das Pro­jekt pswed­ding und wei­te­re Akti­ve im Kiez. Die Kiez­läu­fer hal­fen mit am Tag der Nach­bar­schaft, auch das Team des QM war aktiv bei der Auf­tak­tak­ti­on dabei. Vie­len aus dem Kiez schau­ten trotz zeit­wei­sem Nie­sel­re­gen vor­bei. Kin­der und Erwach­se­ne bau­ten Bee­te, pflanz­ten und freu­ten sich dar­über, dass hier nun nie­mand mehr ille­gal ein Auto abstel­len kann, weil auf der Flä­che jetzt Hoch­bee­te ste­hen. Sogar das Stra­ßen- und Grund­flä­chen­amt schick­te prompt eine Fir­ma vor­bei, um ein ent­spre­chen­des Schild auf­zu­stel­len, das auf die neue Situa­ti­on hin­weist. „Rest­los glück­lich“ koch­te für die Hel­fen­den mit geret­te­ten Lebens­mit­teln (Foto rechts), das Baby- und Floh­markts­pro­jekt Wei­ter­reich stell­te einen Markt­stand zur Ver­fü­gung, der aus­gie­big als Unter­stand und Ehren­amt­li­chen-Buf­fet genutzt wur­de. Alle, die konn­ten, hal­fen mit. Und irgend­wie lös­te sich so ein Dau­er­pro­blem im Brunnenviertel.

Kontakt zum Mitmachen

Wer neu­gie­rig gewor­den ist, kann bei einem Spa­zier­gang durch die Swi­ne­mün­der Stra­ße das Wach­sen des Dies­ter­beets beob­ach­ten. Die Bee­te sind nicht zu über­se­hen! Wer möch­te, kann sich auch noch für eine Hoch­beet­pa­ten­schaft anmel­den oder Details nach­fra­gen: [email protected].

Alle Fotos: Domi­ni­que Hensel

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