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Siemen Dallmann:
“Ich bin im Kiez gut integriert!”

Ein Urgestein im Sprengelkiez
23. März 2023
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Im Spren­gel­kiez gibt es eine ver­gleichs­wei­se lang­jäh­ri­ge Nach­bar­schafts­kul­tur im Stadt­teil. Das Spr­en­gel­Haus wur­de im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber 20 Jah­re alt und fast 50 Ver­ei­ne und Orga­ni­sa­tio­nen sind im Spr­en­gel­Haus aktiv. Eben­so fei­er­te 2022 die benach­bar­te Oster­kir­che 111 Jah­re, der Ver­ein „Aktiv im Kiez e.V.“ 20 Jah­re und auch der „Leben­di­ge Advents­ka­len­der“ wird seit 20 Jah­ren gepflegt.

Eine Nach­bar­schaft lebt auch von Men­schen: ein Inter­view mit Sie­men Dall­mann, der seit über 20 Jah­ren im Spren­gel­kiez lebt und ehren­amt­lich in den Pro­jek­ten aktiv ist.

Sie­men Dall­mann – © Rena­te Straetling

Sie­men, Du kamst im Jahr 1978 spon­tan und begeis­tert nach Ber­lin (West), hast die 1970er in die­ser damals recht auf­müp­fi­gen Stadt genos­sen, bist seit etwa 2001 im Spren­gel­kiez ansäs­sig und hast begon­nen, dei­ne städ­ti­sche Hei­mat mit­zu­ge­stal­ten. Was waren dei­ne ers­ten Aktivitäten?

Durch eine Freun­din, die hier im Tausch­ring aktiv war, wur­de ich ein­be­zo­gen in den Nach­bar­schafts­la­den, der damals noch in der Torf­stra­ße war. Hier grün­de­te ich auch den Ver­ein Aktiv im Kiez e.V. mit. Ich war von Anfang an aktiv im Quar­tiers­rat (QR). Der QR wur­de erst Ende 2016 auf­ge­löst, dar­aus ging der Run­de Tisch Spren­gel­kiez her­vor, denn die Ver­ste­ti­gung der QM-Arbeit wur­de als wich­tig angesehen.

Spä­ter habe ich die doku­men­tie­ren­den Foto­ar­bei­ten über­nom­men. Ich kann­te alle Pro­jek­te und wur­de auch ange­fragt als Kiez­fo­to­graf, weil ich als sen­si­bler und kor­rek­ter Foto­graf bekannt war.

Spä­ter habe ich auch für den Kiez­bo­ten, der sogar schon seit über 25 Jah­ren gedruckt und ver­teilt wird, Fotos gemacht. Ich schrei­be seit Jah­ren auch für den Kiezboten.

Sie­men, wie emp­fin­dest du die Atmo­sphä­re im Kiez?

Frü­her hat­ten wir ein Trin­ker­pro­blem am Sparr­platz. Ande­re setz­ten sich dafür ein, die Lage zu ver­bes­sern und zu media­tie­ren. Ich mein­te vor allem, dass man die Trin­ker mit ein­be­zie­hen soll­te in die Lösung. So haben wir auch mit ihnen gespro­chen, noch heu­te grü­ßen mich etli­che von Ihnen.
Auch sonst ist es heu­te so, dass ich zehn Minu­ten oder noch frü­her das Haus ver­las­se, weil ich auf mei­nen Wegen hier und da Auf­ent­halt neh­men muss, da sich vie­le Gesprä­che erge­ben, wenn man den ein oder ande­ren trifft, den man über die Jah­re ken­nen­ge­lernt hat. Der Spren­gel­kiez ist für mich wie ein Dorf in mei­ner Hei­mat in Ostfriesland.

Du hast etli­che Pro­jek­te und Ver­ei­ne mit­ge­grün­det. Womit ging es los?

Mein ers­ter Ver­ein im Spren­gel­kiez war „Aktiv im Kiez e.V.“, bei dem ich seit dem Jahr 2009 auch den Vor­sitz inne­ha­be. Dort ver­wirk­lich­ten wir Pro­jek­te wie die Pfle­ge des Gar­tens der Brü­der-Grimm-Schu­le und den Leben­di­gen Advents­ka­len­der. Wir waren auch drei Jah­re der Her­aus­ge­ber des Kiez­bo­ten, haben in der Spren­gelstra­ße 15, im Nach­bar­schafts­la­den in Koope­ra­ti­on mit zwei Anwäl­ten eine Hartz IV-Bera­tung auf­ge­baut und vie­les mehr. Spä­ter schlief der Ver­ein etwas ein.

Aber auch der Run­de Tisch Spren­gel­kiez ist Ver­an­stal­ter von nach­bar­schaft­li­chen Events. Das ging dort auch ohne Mit­glied­schaft in einem Verein.

Wir grün­de­ten beim Run­den Tisch Spren­gel­kiez die AG Kli­ma und die AG Ver­kehr. In der AG Ver­kehr war auch Nor­bert Schnei­der aus dem Brüs­se­ler Kiez als Mit­grün­der dabei. Spä­ter waren wir erstaunt, dass das Bezirks­amt auf unse­re Beob­ach­tun­gen, Aus­ar­bei­tun­gen und Kon­zep­te zurück­griff und die­se auch umsetzte.

Du sprachst auch den Leben­di­gen Advents­ka­len­der an, der nun auch 20 wurde…

Zusam­men mit dem bereits lei­der ver­stor­be­nen Klaus Wol­fer­mann habe ich den Leben­di­gen Advents­ka­len­der unter Betei­li­gung vie­ler Orga­ni­sa­tio­nen und pri­va­ter Nach­barn ein­ge­rich­tet und wir hat­ten letzt­lich bereits Nach­fol­ger zur Über­nah­me gesucht. Mitt­ler­wei­le, wie also im Dezem­ber 2022, ist nach den Auf­la­gen in der Coro­na­zeit der Leben­di­ge Advents­ka­len­der wie­der besucht wie zuvor.

Wie ging es wei­ter mit Aktiv im Kiez e.V.?

Für die Orga­ni­sa­ti­on und Ver­wal­tung ver­schie­de­ner neu gegrün­de­ter Pro­jek­te möch­ten wir die Gemein­nüt­zig­keit für den Ver­ein erwer­ben und sind dran an dem Ver­fah­ren, das man dazu bei der Finanz­be­hör­de ein­lei­ten muss.

So haben wir neue Mit­glied­schaf­ten gewor­ben und den Ver­ein wie­der mit Leben erfüllt.

Sie­men, macht ihr auch etwas für Senioren?

Ich sel­ber bin der­zeit auf einer hal­ben Stel­le über das Bezirks­amt im Spr­en­gel­Haus beschäf­tigt und orga­ni­sie­re die Senio­ren­ar­beit. Des wei­te­ren bin ich mit 20 % im Kir­chen­kreis Nord Ost, wo ich in der Flücht­lings­ar­beit arbei­te, also mich um Fami­li­en und ein­zel­ne Per­so­nen küm­me­re, die im Kir­chen­asyl sind. Das ist eine Auf­ga­be, die mir sehr viel Spaß macht und die ich auch nach mei­ner Beren­tung fort­füh­ren werde.

Was waren wei­te­re dei­ner poli­ti­schen Aktivitäten?

Über eine getausch­te Mail­adres­se mei­ner Freun­din bin ich zunächst zufäl­lig an die ers­ten Infos zur Wahl­al­ter­na­ti­ve Arbeit und sozia­le Gerech­tig­keit (WASG) gera­ten. Die­se Initia­ti­ve hat mich sofort gefes­selt und ich stieg ein. Wir grün­de­ten im Som­mer 2004 einen Ver­ein, Ende des Jah­res wur­de die Par­tei­grün­dung in einer Urab­stim­mung beschlos­sen, die im Janu­ar 2005 statt­fand. Ich war zunächst im Vor­stand der Bezirks­grup­pe Mit­te, zum Schluss sogar im Geschäfts­füh­ren­den Vor­stand des Lan­des­ver­band Ber­lin der WASG. Hier habe ich mich sehr inten­siv mit den Bezirks­grup­pen befasst. Ich infor­mier­te und ver­mit­tel­te dort zwi­schen all den vie­len Grup­pie­run­gen. Ich woll­te jedoch eigen­stän­dig mit der WASG blei­ben und trat daher noch im Juni 2007 aus, bevor die Fusi­on mit Die Lin­ke entstand.

Wie hast du die Arbeit im Kiez, die teils anspruchs­voll ist, bewältigt?

Ich habe bei­spiels­wei­se eine Aus­bil­dung in Stadt­teil­me­dia­ti­on im Spr­en­gel­Haus absolviert.

Was ist das Beson­de­re am Spre­gel­kiez im Umfeld der angren­zen­den Stadt­tei­le, denn nicht alle Kieze rea­li­sie­ren ein so hohes Ange­bot mit Betei­li­gung der Anwohnerschaft?

Wir haben kei­ne schnei­den­de Ver­kehrs­stra­ße im Wohn­ge­biet, die die Bür­ger trennt und abschreckt. Hin­zu kommt, dass wir zwei Kir­chen­ge­mein­den haben, den wun­der­ba­ren sogar schon 50 Jah­re alten TELUX Aben­teu­er­spiel­platz nebst dem dane­ben ange­sie­del­ten Kin­der­bau­ern­hof, die Jula­teg Wed­ding e.V.  Wei­ter­hin haben wir den Nach­bar­schafts­la­den, in dem man Räu­me für nicht-pri­va­te, aber viel­fäl­ti­ge Zwe­cke auf Zeit mie­ten kann.

Sie­men, zum Abschluss eine Fra­ge zu dei­nen eige­nen Wün­schen für eine schö­ne nach­bar­schaft­lich akti­ve Zeit im Alter. Da ich anneh­me, dass du auch ab Ren­ten­ein­tritt im Kiez blei­ben wirst, möch­te ich gern fra­gen, was du dir für dich sel­ber beim Altern im Spren­gel­kiez vor­stellst, planst und wünschst.

Ich wer­de erst ein­mal ein paar Jah­re so wei­ter­ma­chen, die Kräf­te wei­ter­hin bün­deln. Und ich hof­fe, dass es mir gesund­heit­lich auch so ver­gönnt sein wird. Ich sage immer: „Ich bin gut inte­griert im Kiez!“

Ich gebe Kiez­spa­zier­gän­ge für Senio­rin­nen und Senio­ren zwei­mal im Jahr. Auch bin ich seit neun Jah­ren im Vor­stand des Gemein­de­kir­chen­rats (GKR) und ein paar wei­te­re regel­mä­ßi­ge monat­li­che Ter­mi­ne mit Andacht und Gesprächs­run­de gehö­ren auch zu mei­nen Akti­vi­tä­ten. Das ist schon ein fast vol­ler Terminkalender!

Gespräch, Text und Fotos © Rena­te Straet­ling

Adressen im Sprengelkiez und Links

Spr­en­gel­Haus Inter­kul­tu­rel­les Gemein­we­sen Zen­trum mit Gesund­heits­för­de­rung
Spren­gelstra­ße 15
13353 Ber­lin
Tele­fon: 03045028524
E Mail: [email protected]
https://sprengelhaus-wedding.de

www.runder-tisch-sprengelkiez.de
www.lebendiger-adventskalender-online.de

Kiez­bo­te auf Face­book
www.facebook.com/groups/1529547430613099

Nach­bar­schaft “Aktiv im Kiez“
https://www.facebook.com/nachbarschaftsladen/

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit etwa 55 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Ich habe noch viel vor!
www.renatestraetling.wordpress.com

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