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Graue Panther: Generationenverbund ist wichtig

8. August 2023
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War­um ist es so wich­tig für Senior:innen, sich zusam­men­zu­schlie­ßen und auf sich zu ach­ten? Dar­um: Es gibt im Alter noch immer vie­le Kli­schees, Bar­rie­ren, Will­kür und Unver­ständ­nis nicht nur in der Öffent­lich­keit. Wer in der Mit­te des Lebens voll ein­ge­spannt, das gro­ße Gan­ze ver­ges­send aktiv ist, dem steht ab dem 60. Lebens­jahr oft die Erkennt­nis vor Augen, wie anders die gro­ße Frei­heit des Alter(n)s ist als man sich aus­mal­te. Einen sol­chen Zusam­men­schluss bie­tet der Senio­ren-Schutz-Bund (SSB) “Graue Pan­ther” Berlin.

Jut­ta Jau­ra, Vor­stands­mit­glied im SSB “Graue Pan­ther” Ber­lin e.V.

In der Tra­di­ti­on der Grau­en Pan­ther und der Leit­ideen von Tru­de Unruh geht es dem Senio­ren­schutz­bund vor allem um die Rech­te der Senior*innen. Das Mot­to des SSB lau­tet „Auf­klä­rung von Unwis­sen – Schutz vor Will­kür – Befrei­ung von Bevor­mun­dung“. Und ein gro­ßes Anlie­gen ist das Mit­ein­an­der von Jung und Alt, auch heu­te. Ich sprach letzt­lich bei einem regu­lä­ren Ver­eins­tref­fen mit Jut­ta Jau­ra, einem Vor­stands­mit­glied vom Senio­ren-Schutz­bund „Graue Pan­ther“ Ber­lin e.V. und dane­ben auch ande­ren sich regel­mä­ßig im Wed­ding tref­fen­den Mit­glie­dern des SSB-Vereins.

Seit wann und ab wel­chem Alter sind Sie bei Graue Pan­ther dabei?
Jut­ta Jau­ra: Ich wur­de im Jahr 1985 mit 44 Jah­ren schon Mit­glied in Wup­per­tal. Die Par­tei gab es dort schon seit 1975, und auch in mei­ner Geburts­stadt Solin­gen, nahe Wup­per­tal, war uns die­se Par­tei bekannt. Ich war damals in Bonn berufs­tä­tig. Dort gab es eine akti­ve Außen­stel­le des Pan­ther­ver­eins. Spä­ter wur­de die­se bei Grün­dung des Bun­des­ver­band Graue Pan­ther e.V. in einen selb­stän­di­gen e.V., also einen ein­ge­tra­ge­nen Ver­ein, umge­wan­delt. Dort wur­de ich Vorstand.

Der Bon­ner e.V. war sat­zungs­ge­mä­ßes Mit­glied des Bun­des­ver­ban­des, des­sen Vor­sit­zen­de Tru­de Unruh war. Im Jahr 2008 ver­zog ich mit mei­nem Ehe­mann nach Ber­lin und wur­de mit 66 Jah­ren Mit­glied im Ber­li­ner Ver­ein. Von dort aus mach­te ich Bun­des­vor­stands­ar­beit und war zwei Wahl­pe­ri­oden lang Vor­sit­zen­de. Danach ging das Amt in jün­ge­re Hän­de über. Heu­te bin ich im Vor­stand des ört­li­chen Ber­lin e.V. tätig, und ich bin inzwi­schen 82 Jah­re alt.

Das Ver­eins­tref­fen des SSB “Graue Pan­ther” Ber­lin e.V. am 19. Juli 2023

In wel­chem Ver­hält­nis ste­hen Ihre im Wed­ding regel­mä­ßig statt­fin­den­den Tref­fen zur Par­tei und zu ande­ren par­tei­na­hen oder ‑eige­nen Orga­ni­sa­tio­nen der Graue Pan­ther Ber­lin bezie­hungs­wei­se Ber­lin Ber­lin-Bran­den­burg?
Jut­ta Jau­ra: Die von Tru­de Unruh gegrün­de­te Par­tei wur­de im Jahr 2008 auf­ge­löst. Es gab einen Spen­den­skan­dal und die Par­tei konn­te die Stra­fe nicht zah­len; ande­re Par­tei­en konn­ten so etwas locker auf­brin­gen. Dann gab es etli­che Nach­fol­ge­par­tei­en, mit denen wir Ber­li­ner Pan­ther ver­such­ten zu koope­rie­ren. Das hat alles nichts gebracht. Und kei­ne ein­zi­ge der klei­nen Nach­fol­ger mit „Graue Pan­ther“ im Namen kamen auf die Bei­ne. Daher wur­de der Beschluss gefasst, sich nur noch auf die Auf­ga­ben des Senio­ren-Schutz-Bun­des zu kon­zen­trie­ren. Koope­ra­tio­nen mit Par­tei­en gab es dann weder in Ber­lin noch in Ber­lin-Bran­den­burg. Es ist jedoch jeder/m frei­ge­stellt, in einer Par­tei Mit­glied zu sein oder zu werden.

Was moti­vier­te Sie zur Par­tei­ar­beit für Senior:innen?
Jut­ta Jau­ra: Frau Unruh über­zeug­te mich mit ihren Argu­men­ten, dem­nach wir als Pan­ther­ver­ei­ne sozia­le For­de­run­gen auf­stel­len, dann aber auch einen Arm benö­ti­gen, dies durch­zu­set­zen. Zunächst such­te sie „Ver­bün­de­te“ in ande­ren Par­tei­en. So war sie mit einem Senio­ren-Schutz-Graue Pan­ther-Man­dat zwei Wahl­pe­ri­oden bei den GRÜNEN im Par­la­ment ohne selbst Mit­glied zu sein. Die frisch gegrün­de­te Grü­ne Par­tei hät­te sonst in den 1970er und 1980er Jah­ren kein Ange­bot für älte­re Wäh­ler gehabt. Als die Grü­nen sich in ihrer Par­tei zer­strit­ten grün­de­ten Tru­de Unruh eine eige­ne Par­tei, in der ich auch aktiv war.

Sie sagen, Auf­klä­rung von Unwis­sen sei eines Ihrer gro­ßen Anlie­gen für die Senio­ren­ar­beit bei den Grau­en Pan­thern. Wel­ches sind die gro­ßen Unwis­sens­lü­cken?
Jut­ta Jau­ra: Senior:innen ken­nen ihre Rech­te oft nicht oder nicht aus­rei­chend genug, wenn sie im Alter mit amt­li­chen Stel­len zu tun bekom­men. Und es gibt kei­ne Stel­le, die aus einer Zustän­dig­keit her­aus dar­über auf­klärt, was es für die indi­vi­du­el­le Per­son alles für Mög­lich­kei­ten gibt. Bei­spiel­fra­gen sind: Wie wird eine amt­li­che Betreu­ung bean­tragt und ein­ge­rich­tet – Wel­che Mit­spra­che­rech­te räumt das Gesetz dazu ein – Wie kann man eine Mini­ren­te auf­sto­cken – Wie bekom­me ich Wohn­geld und Wie wird fest­ge­stellt ob ich berech­tigt dazu bin – Wer ist beim Aus­fül­len von Anträ­gen behilf­lich – etc. etc. Auch Pati­en­ten­rech­te sind wich­tig. Dies nur als Bei­spie­le für schwie­ri­ge Ange­le­gen­hei­ten im Alter, zumal heu­te vie­le Sachen vor­wie­gend digi­tal erle­digt sein sol­len. – Mitt­ler­wei­le gibt es nun auf vie­le For­de­run­gen und Dis­kus­sio­nen hin wenigs­tens die Pfle­ge­stütz­punk­te vor Ort.

Wie orga­ni­sie­ren Sie Ihre Arbeit zur Zusam­men­ar­beit in Ber­lin?
Jut­ta Jau­ra: Wie gesagt, der SSB „Graue Pan­ther“ Ber­lin e.V. hat zur Zeit kei­ne Zusam­men­ar­beit mit einer Par­tei. Wir kon­zen­trie­ren uns ganz auf den Sozi­al-Schutz und Senio­ren-Schutz. Koope­ra­tio­nen mit ande­ren gemein­nüt­zi­gen Ver­ei­nen und Initia­ti­ven orga­ni­siert der Bun­des­ver­band und bie­tet uns Mög­lich­kei­ten an, uns ein­zu­klin­ken, wenn es z. B. um Pro­test­ak­tio­nen oder Unter­schrif­ten­lis­ten geht. Bei­spie­le sind „Initia­ti­ve gegen die Schlie­ßung von Kran­ken­häu­sern“, Sil­ber­netz e.V. und Fuss e.V. und anderen.

Sie weh­ren sich gegen Bevor­mun­dung der alten Men­schen. Sie for­dern „Schutz vor Will­kür“! Ist damit auch die heu­ti­ge Betreu­ung nach Betreu­ungs­ge­setz gemeint?
Jut­ta Jau­ra: Das heu­ti­ge Betreu­ungs­ge­setz wur­de von Tru­de Unruh in den 1980er mit einem FDP-Minis­ter zusam­men auf den Weg und zur Abstim­mung gebracht. Dies Gesetz lös­te das völ­lig ver­al­te­te „Ent­mün­di­gungs­ver­fah­ren“ für Alte und Kran­ke ab. Noch immer ist das heu­ti­ge Gesetz ver­bes­se­rungs­be­dürf­tig. Schon Frau Unruh bezeich­ne­te die „Betreu­ung“ als den fal­schen Sprach­ge­brauch und beton­te, dass es bei der amt­li­chen Betreu­ung um einen (Rechts-)Beistand gegen­über Behör­den gehe, eben um die Abwick­lung der per­sön­li­chen Ange­le­gen­hei­ten mit Ban­ken, Ver­mie­tern und Ver­si­che­run­gen und anderem.

Ist es rich­tig, dass Sie die Mün­dig­keit und Selbst­be­stimmt­heit der älte­ren und älter wer­den­den Senior:innen för­dern möch­ten?
Jut­ta Jau­ra: Selbst­be­stimmt im Alter zu leben ist tat­säch­lich etwas Wert­vol­les, wofür wir die Gesell­schaft sen­si­bi­li­sie­ren wol­len. Die Mün­dig­keit in der eines zu wei­ten Tei­len schon geleb­ten Lebens. Des­halb soll­te die Gesell­schaft selbst gewis­se Macken und Spleens von Alten akzep­tie­ren und nicht gleich nach amt­li­cher Betreu­ung rufen, wenn son­der­ba­re Ver­hal­tens­wei­sen von der „Norm“ der Men­schen der Berufs­welt abweichen!

Frau Hein­ke (88, links) und Frau Römer (87) vom “SSB Grau­en Pan­ther Ber­lin e.V.”

Zwei älte­re Damen, die stets bei den Ver­eins­tref­fen dabei sind, kon­kre­ti­sie­ren die­se Anmerkungen.

Frau Hein­ke (88), Frau Römer (87) erklä­ren: Wir wären gern wei­ter­hin gut bera­ten beim Arzt­be­such und möch­ten gern mehr wis­sen über die Dia­gno­sen, aber uns scheint, dass man uns nicht mehr so ernst nimmt. – Und geht man spa­zie­ren und ruht sich aus, so fin­det sich so viel Müll an, dass man kei­nen Spaß dar­an hat, die Bän­ke zu nut­zen. Selbst auf den Fried­hö­fen lie­gen schon die Sprit­zen im Gras und sonst­wo. Wir erwar­ten auch mehr ange­mes­se­nen Schutz in der Öffent­lich­keit und an sol­chen Orten, die schon am Rand des Tages­rum­mels liegen.

Frau Jau­ra, unter den Akti­ven sind vie­le Mit­glie­der recht alt. Wie klappt die Mit­wir­kung?
Jut­ta Jau­ra: Die über 80-Jäh­ri­gen sind die­je­ni­gen, bei der die Tages­form ent­schei­det, ob jemand aktiv bei geplan­ten Vor­ha­ben mit­ma­chen kann. Bis­her haben sich immer eini­ge zusam­men­ge­fun­den.
Der 1. Vor­sit­zen­de führt Ver­eins­fahr­ten mit dem pri­va­ten Auto durch, die Geschäfts­stel­le fängt dazu Tele­fon­an­fra­gen aus Ber­lin und Umland ein. Uns allen ist klar, wir brau­chen neue Mit­glie­der aus der Grup­pe der „Jun­ge Alte“, die gera­de in den Ruhe­stand gehen und jun­ge Men­schen, die sozia­le Beru­fe ergrei­fen. Frü­her gab es noch die Zivil­dienst­leis­ten­den, die als Jün­ge­re invol­viert waren in die Ange­le­gen­hei­ten der Alten. Es ist sinn­voll, einen Gene­ra­tio­nen­ver­bund auf­zu­bau­en: Heu­te wir – Mor­gen ihr! Ab 18 Jah­ren kann man bei uns Mit­glied wer­den! Mehr akti­ve jun­ge Men­schen zu fin­den soll­te mit Hil­fe des Bun­des­ver­ban­des in den nächs­ten drei Jah­ren gesche­hen, sonst endet alles.

Ist es eine Opti­on, sich mit ande­ren zu ver­net­zen?
Jut­ta Jau­ra: Eine Ver­net­zung mit ande­ren Initia­ti­ven gibt es ja schon, wenn die­se zu unse­ren sat­zungs­mä­ßi­gen Zie­len pas­sen. Eine enge orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­schmel­zung mit einer grö­ße­ren Orga­ni­sa­ti­on wur­de bis­her nicht angedacht.

Sie for­dern einen Infla­ti­ons­aus­gleich für die Rent­ne­rin­nen und Rent­ner. Sie for­dern Wohn­ei­gen­tum für Mieter:innen als Alter­na­ti­ve zur Ent­eig­nung der Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten. Wie soll das durch­ge­führt wer­den?
Jut­ta Jau­ra: Die Gewerk­schaf­ten for­dern einen Infla­ti­ons­aus­gleich, der Beam­ten­bund schließt sich an, selbst die aka­de­mi­schen Beru­fe for­dern dies und strei­ken, um es durch­zu­set­zen. Für alle Sozi­al-Schutz-Berech­tig­ten müs­sen wir als Schutz-Bund die­se For­de­run­gen auf­stel­len und über die Medi­en genü­gend gesell­schaft­li­chen Druck errei­chen. Woh­nungs­ei­gen­tum als Alter­na­ti­ve zur Ent­eig­nung der Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten könn­te man in ganz klei­nen Schrit­ten in Angriff neh­men. Die Pro­fit-Ori­en­tier­ten müs­sen gesetz­lich ver­pflich­tet wer­den, einen immer höhe­ren Pro­zent­satz (bis zu 50 Pro­zent) ihrer Woh­nun­gen zu Sozi­al­mie­ten zu ver­mie­ten und als Sozi­al-Miet­kauf anzu­bie­ten. Die gemein­nüt­zi­gen (städ­ti­schen) oder genos­sen­schaft­li­chen Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten ver­lan­gen schon, dass man Antei­le erwirbt, bevor man eine Woh­nung bezieht. Wer das Geld für die­se Antei­le nicht hat (und nie haben wird), soll­te bei der Bank für Wie­der­auf­bau einen Sozi­al­kre­dit bekom­men, der in ganz klei­nen Raten abzu­zah­len ist. So oder ähn­lich könn­te man sich dem all­ge­mei­nen Wohn­ei­gen­tum immer mehr annähern.

Frau Jau­ra, vie­len Dank für die­ses Gespräch!

Weitere Informationen

Text, Inter­view und Fotos: Rena­te Straetling

Renate Straetling

Ich lebe seit dem Jahr 2007 in Berlin-Wedding, genauer gesagt im Brüsseler Kiez - und ich bin begeistert davon. Wir haben es bunt ohne Überspanntheit.
Jg. 1955, aufgewachsen in Hessen. Seit dem Jahr 1973 zum Studium an der FU Berlin bin ich in dieser damals noch grauen und zerschossenen Stadt. Mittlerweile: Sozialforschung, Projekte. Seit 2011 auch Selfpublisherin bei www.epubli.de mit etwa 55 Titeln. Ich verfasse Anthologien, Haiku, Lesegschichten, Kindersachbücher und neuerdings einen ökologisch orientierten Jugend-SciFi (für Kids 11+) "2236 - ein road trip in einer etwas entfernteren Zukunft" (Verlagshaus Schlosser, 28.11.22).-
Ich habe noch viel vor!
www.renatestraetling.wordpress.com

2 Comments

  1. Ich habe dies – zwi­schen­zeit­lich war ich lei­der abwe­send – heu­te an die Zustän­di­gen der Grau­en Pan­ther weitergeleitet.
    FG von Rena­te Straetling

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