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Bezirksverordnetenversammlung:
Frontalangriff in der ersten Sitzung

Neuer Betreiber oder alter Betreiber für das Café Leo? Sven Diedrich droht dem Bürgermeister offen.
22. November 2021
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Ein­zel­ne Poli­ti­ker kamen angriffs­lus­tig zur ers­ten Sit­zung der BVV am letz­ten Don­ners­tag (18. Novem­ber). Sven Died­rich von den Lin­ken griff Ste­phan von Das­sel von den Grü­nen in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung fron­tal und hef­tig an: “Ich mache mir Sor­gen um Sie als Bezirks­bür­ger­meis­ter, wenn Sie das Ver­fah­ren so durch­zie­hen!” Grund für die Atta­cke ist, dass der Bezirk nach einem neu­en Betrei­ber für das Café Leo gesucht hat. Bei der Suche kam her­aus, dass der bis­he­ri­ge Inha­ber Hüsey­in Ünlü nicht wei­ter­ma­chen soll. Das Bewer­bungs­ver­fah­ren gewon­nen hat die Wen­de­punkt gGmbH mit einem neu­en Kon­zept. Die Poli­tik bedingt sich frak­ti­ons­über­grei­fend Zeit aus, um wei­ter zu diskutieren. 

Cafe Leo
Café Leo. Foto: Weddingweiser

Erpres­sung auf offe­ner Büh­ne: Sven Died­rich, einer von zwei Frak­ti­ons­chefs der Lin­ken­frak­ti­on, sagt sinn­ge­mäß: Ent­we­der das Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren wird neu auf­ge­rollt oder Ste­phan von Das­sel wird nicht län­ger Bür­ger­meis­ter blei­ben. Ein Vor­gang, der in der letz­ten Wahl­pe­ri­ode zum schlech­ten Ton gehört hät­te. In der aktu­el­len BVV wider­spricht aus Frak­ti­on der Grü­nen nie­mand dem erfah­re­nen Poli­ti­ker von der Lin­ken. Unter den 18 Grü­nen sit­zen vor allem Poli­ti­ker, die zum ers­ten Mal gewählt wur­den. Sie mel­den sich nicht zu Wort, um ihrem Bür­ger­meis­ter gegen die­se hef­ti­ge Atta­cke beizustehen. 

Ursprüng­lich woll­ten die Lin­ken mit einem Antrag errei­chen, dass die Suche nach einem Betrei­ber (ein neu­er oder der alte) wie­der­holt wird. Über die­sen Vor­schlag wur­de zwar nicht abge­stimmt, doch die Lin­ken haben erreicht, dass die Dis­kus­si­on wei­ter­geht. Mit einer Mehr­heit von 49 der 55 ent­schie­den die Poli­ti­ker in der BVV, dass sie sich in den Aus­schüs­sen wei­ter­hin mit dem The­ma befas­sen. Auh die Frak­ti­on der Grü­nen stimm­te dafür, die Fra­ge Café Leo in die Aus­schüs­se zu über­stel­len und damit die Debat­te am Lau­fen zu halten. 

Sven Died­rich 2017 in der Wie­sen­burg. Foto: And­rei Schnell

Es ist offen­kun­dig, dass der Auf­schub für den Bezirks­bür­ger­meis­ter unge­le­gen kommt. Er hat­te sich im Som­mer für das Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren stark­ge­macht. Sein Argu­ment: Eine Suche per Aus­schrei­bung ist rechts­kon­form und als neu­tra­les Han­deln vom Bezirk gefor­dert. Bei einer öffent­li­chen Flä­che “muss es allen Inter­es­sen­ten mög­lich sein, eine Bewer­bung abzu­ge­ben”. Gemeint ist: Der Bezirk darf einen ein­zel­nen Bewer­ber nicht bevor­tei­len. Außer­dem habe der Ver­trag mit Hüsey­in Ünlü von Anfang an vor­ge­se­hen, dass die jähr­li­che Ver­län­ge­rung ohne Aus­schrei­bung für maxi­mal fünf Jah­re mög­lich ist. Nie­mand ist über­rascht wor­den, soll das hei­ßen. Durch den Auf­schub steht Ste­phan von Das­sel nun vor der Situa­ti­on, dass der abge­schlos­se­ne Wett­be­werb einen Sie­ger her­vor­brach­te, wäh­rend die Poli­tik die­sen (noch) nicht ein­deu­tig anerkennt. 

Sven Died­rich prä­sen­tiert sich als Anwalt des aktu­el­len Betrei­bers Hüsey­in Ünlü. “Was haben Sie gegen ihn?”, fragt er den Bür­ger­meis­ter. Er wirft Ste­phan von Das­sel vor, er rui­nie­re die wirt­schaft­li­che Exis­tenz eines sozi­al enga­gier­ten Men­schen. Das Plä­doy­er für die Per­son Hüsey­in Ünlü fällt so deut­lich aus, dass Ben­ja­min Fritz von der CDU den Ein­druck gewinnt, “es geht nicht um die Sach­lich­keit” und es lägen “mög­li­cher­wei­se per­sön­li­che Grün­de” vor. Zumin­dest ist es “kein guter Weg, ein Ver­fah­ren so lan­ge zu wie­der­ho­len, bis die Sei­te gewon­nen hat, die eine ein­zel­ne Frak­ti­on befür­wor­tet”. Ste­phan von Das­sel ver­wahrt sich gegen die Unter­stel­lung von Sven Died­rich, er habe per­sön­lich etwas gegen Hüsey­in Ünlü. Der Bür­ger­meis­ter bringt sach­li­che Argu­men­te für die Not­wen­dig­keit der Ausschreibung. 

Rück­blick: Hüsey­in Ünlü star­te­te 2011 mit einem Imbiss­wa­gen auf dem Leo­pold­platz. Im Jahr 2015 unter­schrie­ben 15.000 Men­schen eine Online-Peti­ti­on zum Erhalt des Café Leo. Damals hat­te Stadt­rat Cars­ten Spal­lek von der CDU eine Aus­schrei­bung ange­scho­ben. Auch die Peti­ti­on vor sechs Jah­ren ver­meng­te den Wunsch nach grund­sätz­li­chem Erhalt des Café Leo mit der Bekun­dung, dass “der Kiez hin­ter Hüsey­in Ünlü und sei­nem Café Leo steht”. Trotz der Unter­schrif­ten­samm­lung kam es zu einem Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren, das Hüsey­in Ünlü gewann. Damit ist ihm ein sol­ches Ver­fah­ren bekannt. Bei der dies­jäh­ri­gen Betrei­ber­su­che gab es meh­re­re Bewer­ber, der Sie­ger gewann mit einem deut­li­chen Vor­sprung an Jury­punk­ten. Die Jury bestand auch aus Mit­glie­dern des Bezirks­am­tes und aller BVV-Frak­tio­nen. Das Café Leo steht auf öffent­li­chem Land. Für den Bezirk steht beim Café Leo nicht die Pacht­erzie­lung ganz oben, son­dern die sozia­le Funk­ti­on des Cafés.

Hüseyin Ünlü
Hüsey­in Ünlü betreibt seit 2011 das Café Leo. Foto: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

3 Comments

  1. Mir ist nicht klar, was gegen ein Inter­es­sen­be­kun­dungs-Ver­fah­ren spricht? Auf dem Leo ist in jedem Fall ein Betrei­ber mit gutem sozia­len Kon­zept nötig und dar­um soll­ten Inter­es­sen­ten die­ses vor­stel­len kön­nen. Das Ergeb­nis des Ver­fah­rens soll­te umge­setzt wer­den und nicht zer­re­det werden.

    • Die Argu­men­te der Lin­ken sind: Hüsey­in Ünlü hat meh­re­re zehn­tau­send Euro inves­tiert Beim Ver­fah­ren zur Suche eines neu­en Betrei­bers wur­den Feh­ler gemacht. Es hät­te kei­ner Aus­schrei­bung bedurft, die Mög­lich­keit zu einer Ver­ga­be direkt an Hüsey­in Ünlü habe bestan­den. Hüsey­in Ünlü hat sich seit nun­mehr zehn Jah­ren für den Leo enga­giert (ich ergän­ze: zum Bei­spiel im Run­den Tisch).

      • Eine Direkt-Ver­ga­be über einen so lan­gen Zeit­raum hat immer ein Geschmäck­le. Eine offe­ne Aus­schrei­bung ist sicher der trans­pa­ren­te­re Weg und gibt auch neu­en Kon­zep­ten eine Chance.

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