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Kultur im Hinterhof:
Das vergessene Ballhaus Prinzenallee

8. März 2022
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Im Hinterhof der Prinzenallee 33 befindet sich ein Gebäude, das schon viele Zwecke erfüllte: Tanzlokal, Diskothek, Theater, Treffpunkt für Kommunisten, Sturmlokal, Folterkeller, Kriegsgefangenenlager, Kirche, Restaurant, Kegelbahn, Varieté. Doch nun soll dieser geschichtsträchtige Ort zur Bühne werden für die wichtigen Geschichten. Mit neuen Ideen und einer riesigen Portion Idealismus möchten die neuen Betreiber:innen vom Ballhaus Prinzenallee einen kulturellen Mittelpunkt für den Wedding erschaffen.

Im Inneren erinnern einige Fragmente an die Entstehungszeit.

Dass diesem Ort eine besondere Atmosphäre innewohnt, wird einem spätestens bewusst, wenn man den Hinterhof der Prinzenallee 33 betritt. Aus der Unscheinbarkeit einer grauen Weddinger Straße kommend wirkt dieser gläserne Anbau fast pompös, wie eine surreale Erscheinung aus einer anderen Zeit. Beim Bau des Gebäudes tickten die Uhren definitiv noch anders. Fast 120 Jahre ist es her, dass der Restaurantbesitzer Hermann Schmidt diesen Tanzsaal errichten ließ, um 300 Personen Platz für Veranstaltungen und Versammlungen bieten zu können. Die gläserne Fassade brachte dem Gebäude den Spitznamen „Glaskasten“ ein. In den Räumlichkeiten wurden ab 1907 Feste gefeiert, Theaterstücke geprobt und aufgeführt, Ausstellungen arrangiert und Konzerte gegeben. Zudem gab es im Keller eine Kegelbahn und der Besitzer servierte günstiges Essen. So wurde das Ballhaus in der Prinzenallee schnell zu einem kulturellen Mittelpunkt für die proletarische Bevölkerung im Wedding.

Der "Glaskasten" im Hinterhof der Prinzenallee 33.

Mit den politischen Umwälzungen sollte sich das jedoch ändern. In den 1920ern nutzte die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) den Saal für Versammlungen und kommunistische Schulungen. Immer wieder lieferten sich die Mitglieder der KPD Schlägereien mit der SA (Sturmabteilung der NSDAP), da diese den Ort für sich beanspruchten. Der Besitzer Schmidt mischte sich nicht ein, da er lediglich ein Auge auf seine Mieteinnahmen hatte und sich politisch nicht positionierte. Mit der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 verloren die Kommunisten schließlich den Kampf um den Raum, sodass die SA den Saal zu einem Sturmlokal umfunktionierte. Den Keller des Gebäudes nutzten die Nazis, um hunderte Gegner ihres Regimes zu foltern. Manche von ihnen starben an den Folgen der Misshandlungen.  

Während des Krieges blieb das Gebäude des Ballsaals unversehrt und wurde nach 1945 von den französischen Alliierten eine Zeitlang als Kriegsgefangenenlager genutzt. Im Anschluss residierte bis in die 1950er eine Kirchengemeinde in den Räumlichkeiten, da deren Kirche im Krieg teilweise zerstört wurde. Ab dann stand das Gebäude zeitweise leer, wurde dann und wann als Diskothek („Top Secret“) genutzt oder als Theater. Das Gebäude wurde immer wieder saniert und instandgehalten. Doch nichts hielt sich länger als 2 oder 3 Jahre.  

Das soll sich jetzt ändern. Die Betreiber:innen vom Ballhaus Prinzenallee sind gekommen, um zu bleiben. Auch wenn die Historie niemals vergessen werden sollte: hier entstehen jetzt wieder neue Geschichten. Seit Dezember ist dies ein Ort für Theater, Tanz, Musik und Performance. Hier ist Raum für Community- und Theaterpädagogikprojekte. Der Ballsaal soll wieder zum kulturellen Treffpunkt für Weddinger:innen werden.

Eine platte Komödie wird man hier höchstwahrscheinlich nicht finden. Die Ansprüche an die Auswahl der Stücke sind hoch. Hier soll ein Raum entstehen, der möglichst kreativ, divers und politisch genutzt wird. Dieses Theater will gesellschaftlich relevante Themen auf die Bühne bringen. Dabei möchte das Ballhaus fünf Stücke im Jahr mit professionellen Schauspieler:innen selbst inszenieren. Darüber hinaus soll der Raum an kulturschaffende Gruppen vermietet werden und offen für Gastspiele sein. Theaterpädagogische Projekte werden bereits realisiert. In den Winterferien gab es beispielsweise ein Projekt, in dem sich Jugendliche mit der Geschichte des Hauses auseinandergesetzt haben und das Ergebnis auf die Bühne brachten.

Das Theater 28, das vorher hier ansässig war und hauptsächlich türkischsprachige Stücke inszenierte, ist allerdings nicht komplett von der Bildfläche verschwunden. Der Gründer vom Theater 28 Ufuk Güldür leitet nun auch das Ballhaus Prinzenallee. Türkischsprachige Stücke sollen weiterhin aufgeführt werden.

Dieses Theater will den Wedding bewegen. Ein Theater für hier mit einer Bühne für die wichtigen Themen. Der Regisseur Oliver Toktasch fasst seine Zukunftsvision folgendermaßen zusammen: „Irgendwann sollen die Leute wissen: hier wird regelmäßig Theater gespielt und es lohnt sich immer.“

Es lohnt sich definitiv schon jetzt, dieses Theater zu besuchen. Alle Termine findet ihr in unserem Veranstaltungskalender oder auf der Homepage vom Ballhaus Prinzenallee.

Ballhaus Prinzenallee
Prinzenallee 33
13359 Berlin

http://www.ballhausprinzenallee.de/

[email protected]

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Ina Raterink

ist irgendwo zwischen Feldern, Massentierhaltung und Holland im niedersächsischen Nirgendwo aufgewachsen und wurde deswegen schon früh zur Autorin. Jetzt genießt sie den Gegensatz im Wedding und will all seine Facetten kennenlernen und festhalten.

1 Comment

  1. Wer sind denn die neuen Betreiber, wenn die Alten scheinbar weiter das Sagen haben? Warum werden diese im Artikel nicht erwähnt und warum findet man nichts auf ihrer Seite über die?
    Kann es sein, dass hier einfach jemand auf den Medienrummel um das Ballhaus Wedding eine Querstraße weiter aufspringen will und deshalb das Theater 28 nur umbenannt hat, weil Ballhaus natürlich besser klingt als der bisherige Name?
    Wenn dem so wäre: ziemlich einfallslos!

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