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David gegen Goliath am Vinetaplatz

16. Juli 2016
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Hier gehört er eigentlich hin, der Müll. Nicht auf die Straße. Foto: Dominique Hensel
Hier gehört er eigent­lich hin, der Müll. Nicht auf die Stra­ße. Foto: Domi­ni­que Hensel

Über­all die­ser Müll! Aber Ceci­lia Stick­ler will nicht meckern. Seit fünf Jah­ren sam­melt sie den Müll vor ihrem Haus im Brun­nen­vier­tel statt­des­sen auf. Für ihr Enga­ge­ment hat sie gera­de den Umwelt­preis Mit­te bekom­men. Doch es ist nicht Freu­de, die Ceci­lia Stick­ler in die­sem fik­ti­ven Brief an sagen­haf­ten David aus­drückt. Sie ärgert sich voll­mun­dig über einen Nach­barn und den gemein­sa­men Ver­mie­ter, weil sie sich durch sie bei­de in ihrem Enga­ge­ment behin­dert fühlt. Auch die BSR sieht sich ver­an­lasst, etwas für Ceci­lia Stick­ler zu tun.

“Lie­ber David, sei mir nicht böse, wenn ich mich mit Dir so ein klit­ze­klei­nes biss­chen ver­glei­che, aber: Ich woh­ne seit fünf Jah­ren hier im Brun­nen­vier­tel – am schö­nen, grü­nen Vin­eta­platz. Füh­le mich dort sehr wohl. Echt! Nur: der Müll stört mich. Und ehe ich groß lamen­tie­re, habe ich mir von der Ber­li­ner Stadt­rei­ni­gung Grei­fer und Tüten geben las­sen und so gehe ich seit fünf Jah­ren früh am Mor­gen – wenn man älter wird, schläft man halt nicht so viel – und sam­me­le unend­lich vie­le Eis­pa­ckun­gen, Kaf­fee­be­cher, Tem­pos und was der Mensch sonst noch nicht mehr braucht, auf.

Cecilia Stickler beim Müllsammeln am Vinetaplatz. Foto: D. Hensel
Ceci­lia Stick­ler beim Müll­sam­meln am Vin­eta­platz. Foto: D. Hensel

Nun gut, die Zeit ver­ging, ich freu­te mich ganz beschei­den, wenn mor­gens die Spiel­plät­ze und der Vin­eta­platz sau­ber waren. Oft bedank­ten sich Anwoh­ner freund­lich. Aber nun fand mein Nach­bar, dass es an der Zeit war, einen neu­en Streit mit mir anzu­fan­gen. Wir haben schon vie­le schwach­sin­ni­ge Fights gehabt, und unser gemein­sa­mer Ver­mie­ter knickt jedes Mal ein und gibt ihm Recht – egal wie schwach­sin­nig der Streit war. Die­ses Mal beschloss er, mich bei der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft wie­der mal anzu­zei­gen, weil ich – aus sei­ner Sicht rotz­frech – den Müll in unse­ren Haus­müll ent­sorg­te. Die Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft sand­te mir post­wen­dend eine schrift­li­che und offi­zi­el­le Unter­sa­gung zu, mit dem Vor­schlag, ich kön­ne doch den Müll sortieren.

Packun­gen in die gel­be Ton­ne – die­se wür­de kei­ne Kos­ten ver­ur­sa­chen (seit wann ist sie umsonst?) und den Rest könn­te ich doch in die oran­ge­far­be­nen, öffent­li­chen Abfall­ei­mer mit der klit­ze­klei­nen Öff­nung rein­quet­schen. Doch die wer­den von mei­nen Mit­men­schen offen­bar bei Tes­to­ste­ron­ab­bau ger­ne immer wie­der auf­ge­tre­ten, so dass der Müll wie­der auf der Stra­ße liegt. Ich sah mich schon dort ste­hen, Hun­de­kack­beu­tel rechts, Kaf­fee­be­cher links, vol­le Win­del (hof­fent­lich platzt sie nicht..) rechts, lee­re Capri­Son­ne-Tüte links. Net­ter­wei­se bot man mir gleich­zei­tig an, mir meh­re­re Grei­fer und Tüten zur Ver­fü­gung zu stel­len. Mir ist noch nicht ganz klar, was ich jetzt mit mei­nem Müll­sam­mel-Ver­bot anfan­gen soll. Hilft mir jemand das zu erklären?

Cecilia Stickler (3. von rechts) bei der Verleihung des Umweltpreises Mitte im Schul-Umwelt-Zentrum.
Ceci­lia Stick­ler (3. von rechts) bei der Ver­lei­hung des Umwelt­prei­ses Mit­te im Schul-Umwelt-Zentrum.

Die Tat­sa­che, dass ich mit eini­gen flei­ßi­gen Vin­eta­platz-Küm­me­rern soeben den ers­ten Preis in der Kate­go­rie Initia­ti­ven des Umwelt­prei­ses Ber­lin-Mit­te 2016  gewon­nen habe, hat den Klein­krieg nicht beein­flusst. Alle Ver­su­che ein­zu­len­ken sind bis jetzt geschei­tert. Im Wind flat­tern die Plas­tik­tü­ten und die Tem­po­tü­cher, die Kaf­fee­be­cher rol­len so still vor sich hin … Unser Ver­mie­ter sitzt den Kampf aus. Still ruht der See und ich fra­ge mich, war­um der Nach­bar immer Recht bekommt. Was hat er, was ich nicht habe? Und lie­ber David – hier tren­nen sich unse­re Wege. Anders als du habe ich lei­der nicht gewon­nen…  Soll der Vin­eta­platz doch in Müll ersticken!”

Zwi­schen­zeit­lich hat die BSR auf die­sen Bei­trag reagiert.Es kann eben der Frömms­te nicht in Frie­den leben, wenn’s dem bösen Nach­barn nicht gefällt, schreibt uns die Pres­se­spre­che­rin Sabi­ne Thüm­ler. “Wir fin­den das Enga­ge­ment von Frau Stick­ler super. Eine Müll­ton­ne stel­len geht lei­der nicht – damit müss­ten wir ja auf den Müll­platz und dann schmeißt viel­leicht der besag­te Nach­bar sei­nen Müll da rein oder beschwert sich, dass dafür der Platz genutzt wird.” Trotz­dem möch­te die BSR das Enga­ge­ment von Frau Stick­ler unter­stüt­zen: “Wir freu­en uns natür­lich über jeden und jede, die als ‘Keh­ren­bür­ger’ mit uns an einem sau­be­ren Ber­lin arbei­tet. Daher wür­den sich die Kollegen/innen vom zustän­di­gen Stand­ort gern zwecks Abspra­che mit Frau Stick­ler in Ver­bin­dung setzen.”

Text: Ceci­lia Stick­ler, Redak­ti­on Wed­ding­wei­ser, Fotos: Domi­ni­que Hensel

Gastautor

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7 Comments

  1. Ich habe mich jetzt nicht tief in das Pro­blem ein­ge­ar­bei­tet, aber mir scheint, dass du ein eigent­lich öffent­li­ches Pro­blem (der umher­lie­gen­de Müll) mit dei­nen pri­va­ten Mit­teln (und eben auch denen dei­nes Nach­barn) ver­suchst zu lösen. Aus mei­ner Sicht scheint mir der rich­ti­ge­re Weg zu sein, das Pro­blem im Rah­men einer Bür­ger­initia­ti­ve auf der poli­ti­schen Ebe­ne anzu­ge­hen. Bei so einer Bür­ger­initia­ti­ve wür­den bestimmt vie­le mit­ma­chen, mich jeden­falls nervt der Müll genauso.

  2. könn­te die stadt­rei­ni­gung nicht einen gro­ßen con­tai­ner( zb. auf einem fried­hofs­pfle­ge­platz o. ä.) aufstellen ?
    ich habe das im aus­land (kana­ren ) erlebt , jeder kann dort sei­nen müll hin­ein­ge­ben, und es wird regel­mä­ßig abgeholt.
    als ehe­ma­li­ge haus­be­sit­ze­rin ist mir schon begreif­lich, dass der ver­mie­ter sich gegen den zusätz­li­chen müll wehrt , er benö­tig­te dann bestimmt bald grö­ße­re müll­be­häl­ter, was wie­der­um mit mehr­kos­ten ver­bun­den ist.
    lei­der leben wir in einer (scheißegal‑u. ) weg­werf­ge­sell­schaft , in der das gefühl für all­ge­mein­wohl abhan­den gekom­men ist.……
    es hängt bestimmt auch mit dem sozia­len hin­ter­grund zusam­men , wie jun­ge men­schen erzo­gen wor­den sind., wel­che vor­bil­der sie haben.…usw.
    aber es gibt grund zur hoff­nung ‚.….….die jun­gen eltern leben viel bewuß­ter (öko-und bio­trend) blei­bet nur zu hof­fen, dass es sich auch gene­ra­ti­ons­über­grei­fend durch­set­zen kann und zum mit-und nach­ma­chen animiert.

    • Es ist nicht so, dass eine grö­ße­re Ton­ne gebraucht wird. Es ist eine Fra­ge ob sie zu 810 gefüllt ist oder 910. Es ist also rei­ne Schi­ka­ne von mei­nem fie­sen Nach­barn. Aber ich habe Hoff­nung dass sich was ändert, dege­wo und BSR sind jetzt bei­de am über­le­gen, wie man das Wahn­sinns­pro­blem lösen kann.

    • Naja, ich hof­fe ja immer noch auf eine Wen­de und es sieht aus als ob was kommt. dege­wo und BSR sind jetzt bei­de bemüht und dann, ja dann samm­le ich weiter :-))

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