In dieser Serie laden wir euch dazu ein, aus dem U‑Bahn-Schacht herauszusteigen und die Umgebung von Weddinger U‑Bahnhöfen zu erkunden. Was erwartet euch, wenn ihr die Treppen heraufgeht? Was lohnt sich, woran geht ihr besser vorbei?
Dieser U‑Bahnhof gehört schon einmal zu den besonders bemerkenswerten Bahnhöfen im Pop-Art-Stil. Er wurde 1976 eröffnet und erinnert in seiner Farbgebung an die französische Trikolore. Schließlich befand er sich im französischen Sektor Westberlins. Die klobigen Leuchten, die knalligen roten Werbetafeln und die eigenartigen Metalltröge an der Decke atmen den Zeitgeist der 1970er Jahre wie kein anderer Bahnhof im Wedding. Seit kurzem ist der Bahnhof auch barrierefrei und hat einen zweiten Ausgang zur Schulstraße.
Der Nauener Platz selbst ist kein schöner Platz, eigentlich gar kein Platz, sondern eher eine laute Kreuzung, an der der Verkehr unentwegt durchrauscht. Er trägt seit 1910 seinen Namen – nach der brandenburgischen Kleinstadt im Havelland. Auf der Nordostecke des Platzes stehen keine Häuser, sondern dort befindet sich eine Freifläche und dahinter das Haus der Jugend. Davor ist ein kleiner Spielplatz. Das Gebäude aus den 1950er Jahren wurde jahrelang saniert und erstrahlt jetzt in knalligem Orange.
Wenngleich der Platz selbst alles andere als einladend ist, gilt das nicht unbedingt für die Umgebung. Es lohnt sich hier, wie so oft, in die Nebenstraßen zu gehen. Zu den baulich schönsten Straßen im Wedding zählen die Liebenwalder Straße Ecke Hochstätter Straße voller sanierter Mietskasernen aus der Kaiserzeit. Die Fassaden in der parallel verlaufenden Oudenarder Straße sind ebenfalls bemerkenswert.
An der Reinickendorfer Straße 67 befindet sich eine Gedenktafel am Geburtshaus des Malers Otto Nagel, einem der größten Söhne des Wedding. Einkehren kann man gut im Soul of Coffee gleich daneben. Es lohnt sich, weiter zu gehen: es sind vor allem an der nördlichen Reinickendorfer Straße Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Wohlfahrtseinrichtungen entstanden. Dort hörte die dicht bebaute Innenstadt auf, dort gab es genügend preiswerte Grundstücke. Die Hospitäler zum Heiligen Geist und St. Georg, schon im 13. Jahrhundert gegründet, errichteten 1897 einen schönen schlossartigen Ziegelbau (Hs.nr. 59). An der Ecke Iranische Straße kann man das Altersheim der Lange-Schucker-Stiftung bestaunen, ein gotisierendes Gebäude mit einer bemerkenswerten abgeschrägten Ecke. Gegenüber befindet sich ein ehemaliges Kinderkrankenhaus, das einen ganzen Baublock einnimmt (Reinickendorfer Str. 61–62). Das 1890 errichtete Ensemble war wichtig in der Bekämpfung der hohen Kindersterblichkeit.
Geht man südlich des U‑Bahnhofs in die Reinickendorfer Straße, sollte man sich von der unwirtlichen breiten, baulich ramponierten und oft lauten Straße nicht abschrecken lassen. Schon an der nächsten Ecke links geht es in die ruhigere Gottschedstraße. Dort befindet sich mit der Jatz Bar ein wichtiger Teil des Weddinger Nachtlebens. Gleich daneben steht ein Industriedenkmal, die Rotaprint-Fabrik. Nach und nach wurden die sehr alten und jüngeren 50er-Jahre-Gebäudeteile saniert und bilden heute das Herzstück von ExRotaprint, eine Mischung aus Gewerbe, Kunst und sozialen Unternehmen. Es lohnt sich, den nüchtern gehaltenen Fabrikhof und seine Nebengebäude zu bestaunen, auch wenn die eigentlichen Fabrikhallen heute nicht mehr existieren.
Nur noch einmal rechts in die Bornemannstraße biegen, und schon steht man an Weddings Hausfluss, der Panke. Doch das ist eine andere Geschichte, ein ganz eigener Spaziergang!
Man kann sich noch die ruppigste Weddinger Gegend schönreden, nur: cui bono?
Das ist einfach ne hässliche Kreuzung.