Es war ein frostiger Dezemberabend im Berliner Stadtteil Wedding. Die Straßenlaternen warfen ihr sanftes Licht auf den feinen Schneefilm, der sich über die Autos und die Kopfsteinpflastergassen gelegt hatte. Doch in unserer Altbauwohnung war die Stimmung alles andere als beschaulich: Die Heizungen hatten beschlossen, in den Streik zu treten. Eingewickelt in Decken und mit dampfenden Teetassen in der Hand, hörten wir, wie der Wind durch die Fenster pfiff und sich langsam ein Gefühl der Verzweiflung breit machte.
Da klingelte es plötzlich an der Tür. Verwundert blickten wir uns an. Wer würde an einem solchen Abend unterwegs sein? Als wir öffneten, stand dort ein mysteriöser Bote, der keinerlei Anzeichen von Kälte zeigte. Sein Lächeln war wärmer als jede Heizung, und in seinen Händen hielt er ein riesiges Paket. „Das Weddinger Winter-Wunder-Paket“, verkündete er, zwinkerte uns zu – und war im nächsten Moment verschwunden.
Neugierig schleppten wir das Paket ins Wohnzimmer und öffneten es vorsichtig. Was wir darin fanden, war nichts weniger als die Rettung in der Not – und noch viel mehr!
Zuerst entdeckten wir einen Hoodie mit der Aufschrift „Wedding“. Sobald wir ihn anzogen, fühlten wir uns nicht nur warm, sondern auch irgendwie stolz. Dieser Hoodie war ein Statement, und wir wussten sofort, dass wir damit selbst im Afrikanischen Viertel Eindruck machen würden. Darunter zog ich das mitgelieferte T-Shirt mit "Wedding Side Story" an, denn wie wir schnell lernten: Schichten ist das neue „funktionierende Heizung“.
Ein Craft-Beer-Set funkelte uns aus der Verpackung entgegen. Wir mussten lachen – wie ironisch, Bier an einem kalten Abend! Doch sobald wir die Flaschen öffneten und anstießen, wurde klar, dass ein gutes Weddinger Bier alles ist, was man braucht, um die Kälte zu vertreiben. Dazu gab es Delikatessen aus dem genossenschaftlichen Supermarkt in den Osramhöfen: Feinkost, die uns echte Hygge-Momente bescherte. Ob Brotaufstrich, Käse oder Marmelade – wir waren im Himmel. Als Highlight fanden wir Weddinger Schokolade, die uns in den schlimmsten Momenten, wenn der Strom oder die Laune ausfielen, zuverlässig rettete. Eine Packung von im Wedding gerösteten Kaffee ließ bei uns die Vorfreude auf weitere gemütliche Wintertage wachsen. Ein Kalender mit den schönsten Motiven aus dem Stadtteil lag auch dabei - so würde uns jeden Monat eine neue Sehenswürdigkeit aus dem Wedding an der Wand erfreuen.
Doch das Beste kam zum Schluss: ein Tablet, das uns online Zugriff auf Geschichten aus dem Weddingweiser verschaffte. Es enthielt Geschichten über mutige Nachbarn, die Heldentaten vollbrachten, über Cafés, die selbst bei Minusgraden draußen servierten, und über Spätis, die trotz aller Widrigkeiten nie die Türen schlossen. Jede Seite war wie ein wärmender Tee für die Seele und ließ uns für einen Moment vergessen, dass der Winter uns fast überlistet hätte.
Mit diesem magischen Paket überlebten wir nicht nur die eisige Nacht, sondern verliebten uns noch mehr in unseren Bezirk. Der Winter wurde zur Nebensache, denn die Geschichten, der Geschmack und der Stolz, Teil von Wedding zu sein, wärmten uns von innen.
Zum Schluss dachten wir uns: Wenn ein so einzigartiger Bezirk solche Wunder vollbringen kann, sollten wir das nächste Mal vielleicht sogar die Heizung freiwillig abschalten. Aber nur vielleicht. 😉
Anheimelnde Fabel, nett beschrieben. Reicht der Blick weiter in die Vergangenheit, also zählt man zu jenen, die ich Weddinger Stammpersonal nenne, eine Spezies, die in Habitus, Charakter und Selbstverständnis längst als ausgestorben angesehen werden darf, kennt man winterliche Kälte in der Behausung noch als Normalität seines Daseins. Bis zu meinem zehnten Lebensjahr, 1964, hausten (das genau ist der korrekte Terminus) meine Eltern und ich im Seitenflügel einer Mietskaserne in der Grüntaler Str. Richtung Esplanade. Selbst Kellerwohnungen damals keine ungewöhnliche Bleibe. Unsere Wohnung, drei Seiten Außenwand, davon zwei unverputzt, einfache Fenster, in der kalten Jahreszeit stets mit windabweisenden Decken behangen, schäbig-gruseliges Treppenhaus, dem der Putz längst abhanden gekommen war, abgehalfterte Kohleöfen nebst Kochmaschine als Erstausstattung überdauert. Morgens brauchte es Heizsonnen, dicke Kleidung Standard. Des Nachts klirrende Kälte, oft eingefrorene Toilette im Treppenhaus. Und immer wieder Stromausfälle maroder Hauselektrik wegen, Kerzenbeleuchtung als Notbehelf. Die Winter, anders als heute, seinerzeit lang und hart. Das Umfeld in Trümmern, selbst ein Kind wußte, es lebt auf einem Schlachtfeld. Der beschrieben Seitenflügel wurde erst Anfang der achtziger Jahre abgerissen, während das Vorderhaus saniert überdauerte. Selbst heutzutage als alter Zausel empfinde ich den Komfort einer Neubauwohnung als nicht selbstverständlichen Luxus.
Genau so kenne ich das auch.