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Debatte über Subvention:
29 Euro-Ticket: Keine gute Idee

23. April 2024
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Wenn Politiker ein Wahlversprechen umsetzen, ist das normalerweise eine gute Sache. Die SPD hat das 29 Euro-Ticket für den Nahverkehr versprochen und liefert jetzt ab: Ab Juli wird eine Monatskarte, die weniger als einen Euro am Tag kostet, in Berlin Realität. Vorbild ist die 365-Euro-Jahreskarte aus Wien, die zu Recht hochgelobt wird. Warum ist das Berliner Gegenstück aber dennoch keine gute Idee?

Ganz einfach: Inzwischen wurde erst mit dem 9 Euro-Ticket, jetzt mit dem Deutschlandticket für 49 Euro, ein noch viel besseres Modell eingeführt, das keine Rücksicht mehr auf Tarifgrenzen nimmt, sondern den Nahverkehr in ganz Deutschland mit nur einem Ticket ermöglicht. Dennoch wird es subventioniert, denn es trägt sich zu diesem Preis nicht allein.

Nun wird oft argumentiert, dass 49 Euro (und bei diesem Preis wird es voraussichtlich auch nicht mehr lange bleiben) zu teuer sind, um es für einkommensschwache Personengruppen bezahlbar zu machen. Doch gerade in Berlin gibt es zielgerichtete Angebote: ein Sozialticket, ein Seniorenticket, kostenlose Schülertickets für alle (auch für Reiche), subventionierte Jobtickets mit integriertem Deutschlandticket.

Das 29 Euro-Ticket nur für das eigene Stadtgebiet wird Berlin viel Geld kosten. Das hätte man besser in neue Angebote, bessere Takte, moderne Infrastruktur und gut bezahltes Personal gesteckt. Hamburg geht einen anderen Weg und subventioniert das Deutschlandticket, indem es bedürftigen Personengruppen einen Rabatt für dieses Abo gibt, sodass es dann nur noch 19 Euro kostet.

Ein preiswertes Ticket nur fürs Berliner Stadtgebiet bedeutet: Die brandenburgischen Verkehrsunternehmen werden vor den Kopf gestoßen, es werden keine Anreize für Pendler aus dem Umland geschaffen, ihr Auto vor der Stadt stehenzulassen und (berechtigten) Ärger aus anderen Geber-Bundesländern und vom Bund gibt es noch obendrauf. Gerade hier im Wedding werden wir bald spüren, was es für soziale Angebote wie Jugendklubs bedeutet, wenn jetzt 330 Millionen Euro im Jahr für diese fragwürdige Investition im Landeshaushalt veranschlagt werden. Oder wird dann am Nahverkehr gespart, an U-Bahnen, Bustakten oder am Sicherheitspersonal? Das wirft die Frage auf: Wollen wir lieber weniger für Tickets bezahlen oder das Geld in eine bessere Qualität des ÖPNV stecken?

Und was auf den ersten Blick so wohlfeil klingt, hat auch einen Haken, und zwar einen gewaltigen: Die 29 Euro pro Monat gibt es nur, wenn man sich für ein ganzes Jahr bindet. Übertragbar ist das Ticket dann auch nicht mehr, anders als die Umweltkarte. Der Vorverkauf beginnt jetzt, los geht es dann ab Juli.

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Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

9 Comments

  1. Da hat aber ein Joachim Faust mit der heißen Nadel genäht:
    Das sog. Seniorenticket ist lediglich als Verbund-Ticket (also Verkehrsverbund BB) zu haben und kostet dementsprechend; siehe „VBB-Abo 65pPlus“ = 57,70 €.
    Mindestalter: 65 Jahre
    Als Älterer hat man sich seinerzeit mit dem 10Uhr-Ticket (frei verkäufliches Monatsticket mit variablem Laufzeitbeginn) als Krücke beholfen, wenn absehbar war, dass mehr Fahrten anstehen.
    Diese Variante kostet mittlerweile aber auch 71,40 €.
    Aus Jux und Dallerei hab ich mein Fahrrad dann nicht aus dem Keller geholt.
    Es ist nicht verwunderlich, dass im hiesigen Großraum das Deutschlandticket für 49 € reißenden Absatz findet.

  2. Für die Allgemeinheit wäre es sicher besser, die BVG würde sauber, sicher, pünktlich und häufig fahren. Selbst bin ich ein Wenigfahrer, für den ein 29 Abo ok ist (im Vergleich zu Einzelfahrscheinen), 49 oder mehr aber ein ungenutztes Sponsoring bedeutet.
    Es wäre interessant, wie viele Abonnenten es in diesem und wie viele in jenem Modell gäbe.

  3. Das Argument zählt: Das Deutschlandticket/Monatskarte ist zu teuer ist für „Sozialschwache“ (= traurige Normalität in diesem Land), z. B. für mein Kind, für das ich als Rentner mitbezahle.
    Die Gegenargumente sind nicht überzeugend. Brandenburgische Öffies sind diejenigen, die immer wieder einfach losfahren, ohne die wartenden Berliner Fahrgäste mitzunehmen.
    Selbstverständlich sind bessere Lösungen denkbar, aber deshalb die zweitbeste Lösung ablehnen? Und die SPD hats ja verbockt. Warum sollte ich die deshalb wählen?

  4. ich sehe das pragmatisch aus der Ego Perspektive. 29€ sind bezahlbar und damit wohl gelitten. ob das nun Berlin Ticket oder Deutschlandticket heißt ist mir erstmal schnuppe. 49€ sind mir zuviel, subventioniert wie in Hamburg (und damit billiger) kostet es aber doch auch Steuer-Geld. Klar ist die Deutschlandweite
    Gültigkeit super, aber bis dahin freu ich mich über 29€ für Berlin. Nur die Bindung an 12 Monate, die find ich daneben

  5. Das alles haben wir schon einmal bezahlt, mit unseren Steuern, die uns zwangsweise abgezogen werden, klar ist es wichtig.! Aber man wird immer nur abgezockt, ich habe 47 Arbeitsjahre hinter mir. Und ich bin der Meinung, dass jeder Rentner in gesamt Deutschland, eigentlich Freie-Fahrt haben sollte! In den Öffentlichen Verkehrsmitteln.!

  6. Ich denke auch, dass dieses „alles für alle“- Prinzip dringend aufgelöst werden sollte! Wenn ohne Rücksicht auf die individuelle Einkommenssituation mit der Gießkanne die Gelder ausgeschüttet werden, ist dies auf Dauer nicht zu finanzieren! Keine Familie, die ein Jahreseinkommen von z.B. > 100.000 € hat (und diese Summe ist schnell erreicht) braucht Zuschüsse für Kita-Plätze, Schulessen, Klassenfahrten usw.
    Hier sollte eine klare Trennung nach Bedürftigkeit erfolgen! Aber „die Berliner“ gaben schon immer fremdes Geld mit offenen Armen aus – ohne dem eigene Leistungen entgegenzusetzen!

  7. Hallo
    hier einfach mal in der BerlinerZ nachlesen…. von mir ein klares nein zu diesem Ticket
    Berlin muss sparen, leistet sich aber kostspielige Wohltaten. Das neue 29-Euro-Ticket, Berlin-Abo genannt, kommt das Land teuer zu stehen. Um das teure Wahlgeschenk subventionieren zu können, hat die CDU-SPD-Koalition 300 Millionen Euro pro Jahr in den Landeshaushalt eingestellt. Finanzsenator Stefan Evers rechnet bereits mit 350 Millionen Euro
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/strassenbahnlinie-m10-nach-moabit-immer-voller-und-immer-langsamer-li.2208293
    reizende Woche noch

  8. Sicher sind viele von denen, die sich das 29€-Ticket kaufen würden, nicht so bedürftig, dass sie nicht auch die 49€ für das Deutschlandticket zahlen können, mit dem sie schon deutlich gegenüber den bisherigen Monatskarten der BVG sparen.

  9. Ich sehe das ganz anders. Das neue Ticket ist eine echte Erleichterung! Viele von uns haben keinen Zugang zum Sozialticket, obwohl wir nur über sehr begrenzte finanzielle Mittel verfügen.

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