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“Weddingwandler”: Lern’ Deinen Nachbarn kennen!

29. Juni 2013
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Nur noch kurz die Welt ret­ten – das hat sich als illu­so­risch erwie­sen. Eine schnell wach­sen­de Grup­pe von enga­gier­ten Wed­din­gern möch­te die Ver­än­de­run­gen im unmit­tel­ba­ren Umfeld begin­nen – und so einen ganz neu­en Zusam­men­halt im Kiez erreichen.

Julian Gröger„Spä­tes­tens nach dem geschei­ter­ten Kli­ma­gip­fel von Kopen­ha­gen war mir klar: es wird kein Wan­del von oben kom­men“, sagt Juli­an Grö­ger. Wenn sich etwas ändern soll, muss der Auf­bruch von der Bevöl­ke­rung aus­ge­hen. Dies ist der Ansatz der „Tran­si­ti­on Town“-Bewe­gung, eine glei­cher­ma­ßen öko­lo­gi­sche wie sozia­le Initia­ti­ve mit vie­len Ansät­zen: „Unse­re mate­ria­lis­ti­sche Gesell­schaft basiert auf der Ver­schwen­dung begrenz­ter Res­sour­cen“, erklärt der 31-jäh­ri­ge Umwelt­ma­na­ger. Die Ener­gie­er­zeu­gung durch fos­si­le Brenn­stof­fe, eine indus­tria­li­sier­te Land­wirt­schaft, eine Weg­werf­ge­sell­schaft oder Haus­ge­mein­schaf­ten in der Miet­fal­le – wer dar­an etwas ändern möch­te, kann als Ein­zel­per­son schnell ver­zwei­feln. Für Juli­an fängt es damit an, den heu­ti­gen Zustand nicht als den Höhe­punkt der Zivi­li­sa­ti­on zu akzeptieren.

Nicht nur bei sich selbst soll­te man etwas ändern, son­dern am bes­ten auch sein Umfeld mit ein­be­zie­hen: „Um gemein­sam mehr zu errei­chen, müs­sen wir uns erst ein­mal in unse­rer Nach­bar­schaft ken­nen­ler­nen“, glaubt Juli­an. In sei­nem Kiez in der Utrech­ter Stra­ße gibt es mit einer Erzeu­ger- und Ver­brau­cher­ge­mein­schaft, die sich von einem Bio­bau­ern­hof in Bran­den­burg belie­fern lässt, schon einen Anknüp­fungs­punkt. Seit letz­tem Jahr ver­such­ten Juli­an und sei­ne Frau mit the­ma­ti­schen Film­aben­den wei­te­re Mit­strei­ter für den Auf­bau einer Wed­din­ger Tran­si­ti­on-Town-Grup­pe zu gewinnen.

Seit Früh­jahr 2013 sind die „Wed­ding­wand­ler“ schon mit meh­re­ren Aktio­nen auf dem Platz in der Mal­plaquet-/ Ecke Utrech­ter Stra­ße in Erschei­nung getre­ten, wie z.B. einer kos­ten­lo­sen Fahr­rad­re­pa­ra­tur. „Wie, ihr wollt dafür nichts haben?“, wun­der­ten sich vor allem älte­re Kiez­be­woh­ner. „Wir sind doch Nach­barn“, ent­geg­nen dann die Wed­ding­wand­ler. „Geben ist eine Qua­li­tät“, erklärt Juli­an, „aber für man­che ist es auch nicht leicht, etwas anneh­men zu kön­nen.“ Die Bewe­gung möch­te der Nach­bar­schaft einen Rah­men geben. So ist z.B. die Auf­stel­lung eines Schranks im Café Tas­sen­Ku­chen geplant, in den die Kiez­be­woh­ner Tausch­ge­gen­stän­de legen können.

Julian und SophiaDie etwa 20 Akti­ven bei den Wed­ding­wand­lern orga­ni­sie­ren sich in ver­schie­de­nen, the­ma­ti­schen Unter­grup­pen, um Model­le zu ent­wi­ckeln und Akti­vi­tä­ten zu pla­nen. Dazu gehö­ren auch gemein­sa­me Aus­flü­ge, Tex­til­werk­stät­ten und die gemein­sa­me Wei­ter­bil­dung im Erwerb von ver­lo­ren gegan­ge­nen Fer­tig­kei­ten. „Ich glau­be nicht, dass in Kri­sen­zei­ten die Stun­de der Groß­fa­mi­lie wie­der schlägt“, sagt Juli­an. „Bes­ser wäre es, wenn wir uns auf den Wan­del vor­be­rei­ten, indem wir ein sozia­les Netz bil­den, wie es frü­her in Dör­fern funk­tio­niert hat.“ Um in Zukunft in ver­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen über­le­ben zu kön­nen, muss der Ein­zel­ne wie­der ler­nen, mit mehr Men­schen aus­zu­kom­men, glaubt der gebür­ti­ge Holsteiner.

Dass Ber­lin kein Dorf ist, wis­sen auch die Wed­ding­wand­ler. Bis jetzt sind über­wie­gend Stu­den­ten und Aka­de­mi­ker zwi­schen 20 und 40 Jah­ren dabei, aber der nach­bar­schaft­li­che Ansatz bezieht bewusst auch Älte­re und Migran­ten mit ein. Der Begriff „Nach­bar­schaft“ zeigt zugleich aber auch die Gren­zen der Tran­si­ti­on Town-Bewe­gung auf: die Ideen der klein­tei­li­gen, wider­stands­fä­hi­gen Struk­tu­ren las­sen sich nur im direk­ten Umfeld orga­ni­sie­ren, schon eine Aus­wei­tung auf den gan­zen Wed­ding wäre eine logis­ti­sche Her­aus­for­de­rung. „Wir brau­chen eine Art kom­mu­na­le Intel­li­genz“, fin­det Juli­an. Und so müss­te es in jedem Kiez eine Grup­pe geben, die Nach­bar­schaft, Gemein­schaft und Aus­tausch för­dert. Viel­leicht lässt sich ja so die Welt tat­säch­lich retten…

Web­site der Wed­ding­wand­ler mit Über­sicht über die Grup­pen und die nächs­ten Termine

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

13 Comments

  1. “Bis jetzt sind über­wie­gend Stu­den­ten und Aka­de­mi­ker zwi­schen 20 und 40 Jah­ren dabei, aber der nach­bar­schaft­li­che Ansatz bezieht bewusst auch Älte­re und Migran­ten mit ein.”
    Ich bin Aka­de­mi­ke­rin UND Migran­tin UND ich bin eine Wed­ding­Wand­le­rin. Und die oben zitier­te Äuße­rung fin­de ich unpassend.

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