“Wenn er dir die Fresse hinhält, dann reinhauen!” – ein Satz, den Weddinger Kunst-Aficionados selten auf der samstäglichen Vernissage hören. Die Veranstaltungsreihe der Uferstudios “Kunst und Kampf im Wedding” lässt Welten aufeinander treffen … und beweist, dass diese oft näher beieinander liegen, als man denkt.
Ein guter Kampf ist Kunst und Kunst ist immer auch Kampf . Dieser komplexen Beziehung widmen die Uferstudios regelmäßig eine Nacht, in der geboxt, gelesen, gespielt und zugleich ausgestellt wird. Wer am Samstag in Studio 14 die Halle betrat, war erstmal überrascht, von der angespannten Stille während der Kämpfe. Nur wenige Rufe aus dem Publikum, “Deckung!” oder “Raus aus der Ecke!”, übertönten das dumpfe Geräusch, das zu hören ist, wenn Boxhandschuhe auf ungedeckte Stellen treffen. Anfangs ließ sich bei den Zuschauern relativ klar zwischen Box- und Kunstfans unterscheiden. Letzteren stand der Schock über blaue Augen und geplatzte Lippen noch ins Gesicht geschrieben. Als Autor Johannes Ehrmann in der Pause seine ersten Texte vortrug, schenkten ihm unter den Boxfans nur wenige ihr Ohr. Es ist eine gewagte Kombination, die diese Abende prägt.
Die Malerin, die gern Boxkämpfe sieht
Aber für Künstlerin Anita Ernst sind sowohl das Boxen als auch die Kunst Disziplinen, zu denen jeder einen Zugang finden kann. Die Bilder der Malerin aus dem Ruhrpott wurden von der Liebe ihres Vaters zum Kampf inspiriert und erzählen nicht von Brutalität, sondern von Strategie, Mut und Eleganz. Schmeling, Ali und nicht zuletzt Klitschko – Ernst weist auch auf den politischen und kulturellen Einfluss hin, den Boxer haben können.
“Es ist etwas ganz anderes, meine Bilder hier hängen zu sehen und nicht in einer normalen Galerie”, schwärmt Ernst, die sich selbst gerne live Boxkämpfe ansieht. Die Kämpfe inmitten ihrer Bilder wiederholten die Szenen, die sie abbildet. Viele der Boxer waren beim Publikum bekannt und sorgten für beste Stimmung zwischen und während den Kämpfen. Die Band Whisky & Rhymes brachte mit ihrem Klanggemisch aus Blues, Folk und Jazz ein ideales Pendant zu den testosteron-gelandenen Auftrittsliedern der Boxer. (Einer der Kämpfer ließ sich dagegen wesentlich origineller mit “Boys don’t cry” ankündigen.)
Je länger der Abend, desto mehr ließ sich eine Vermischung der Lager beobachten. Bei den letzten beiden Kämpfen schrie plötzlich auch der Herr in den feinen Lackschuhen dazwischen: “Deckuuuuung!” Zwei junge Männer mit Kurzhaarschnitten und Trainingsanzügen besprachen angeregt eins von Ernsts Bildern. Und als Johannes Ehrmann Texte von Charles Bukowski – übrigens auch ein Boxer – verlas, war es schon viel stiller in der Halle.
Mehr über diese und die nächsten Veranstaltungen in den Uferstudios
unter http://fight-night.de/
Die nächste Fight Night findet am 5. Juli im der Sporthalle der Heinrich-Seidel-Schule in der Swinemünder Strg./Ecke Ramlerstr. 9 statt.