Das Bezirksamt will für das Café Leo ein Interessenbekundungsverfahren starten. Ein umständliches Wort für die Erlaubnis, auf dem Leopoldplatz Gastronomie anbieten zu dürfen. Was bedeutet das? Soll das Café Leo etwa weg? Soll das Café bleiben, aber der Betreiber Hüseyin Ünlü soll gehen? Will das Amt den Charakter des Cafés ändern? Warum ist überhaupt ein Kiosk auf dem Kirchvorplatz erlaubt? Und was ist am Café Leo eigentlich besonders? Und warum hat der Bezirk mitzureden? Hier die Antworten.
Will der Bezirk das Café Leo schließen?
Nein. Allein die Ausschreibung zeigt, dass der Bezirk weiterhin an einem Café auf dem Leopoldplatz interessiert ist. Das Interesse gründet sich auf einen Handlungsplan für den Platz. Zu diesem Plan gehört auch eine gastronomische Einrichtung. Dazu unten mehr. Die anstehende Ausschreibung (Interessenbekundungsverfahren) ist eine Formalie. So teilten es Mitarbeiter der Verwaltung beim Runden Tisch zum Leopoldplatzes am 2. Februar mit. Alle fünf Jahre wird die Erlaubnis, auf dem Platz Gastronomie zu betreiben, neu erteilt. “Ein Automatismus”, sagt Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel auf Nachfrage dem Weddingweiser. Man könnte sagen, das Thema Café Leo ist einfach dran, steht schlicht auf der Tagesordnung. Der Bürgermeister weist darauf hin, dass der Bezirk wegen Corona bereits eine kurzzeitige Verlängerung des Vertrages gewährt habe. “Wir wollen eine breite Beteiligung bei der Vergabe”, die war aufgrund der Corona-Einschränkungen bislang nicht möglich, sagt Stephan von Dassel. Und er bekräftigt: “Wir haben Lust auf das Café Leo”.
Will der Bezirk den Betreiber wechseln?
Hier muss das Amt in seinen Äußerungen neutral bleiben. Ein Votum sowohl für den aktuellen Betreiber Hüseyin Ünlü als auch gegen ihn darf sich der Bezirksbürgermeister nicht entlocken lassen. “Hinter dem Interessenbekundungsverfahren steht jedenfalls nicht die Aussage, dass wir mit dem Betreiber unzufrieden sind”, sagt Stephan von Dassel immerhin. Beim Runden Tisch sagt ein Mitarbeiter des Bezirksamtes, es sei bereits eine Aussage, dass es so viele positive Wortmeldungen zur Person Hüseyin Ünlü gebe. Wenn der Bezirk öffentliche Beteiligung ernst nimmt, dann werden die zahlreichen Bekundungen während des Runden Tisches ein schwerwiegendes Argument sein. Der Runde Tisch ist ein Gremium, zu dessen Sitzungen in der Regel zehn Interessierte kommen. Am 2. Februar zeigte der Zähler des Zoom-Meetings 35 Teilnehmer. Fast alle, die sprachen, lobten das Café Leo, einige auch explizit die besondere Erfahrung von Hüseyin Ünlü und seine Kenntnis der besonderen Situation. Das alles müsse ein neuer Betreiber erst aufbauen. Das sind ebenfalls Argumente, die nicht leicht wegzuwischen sein werden.
Fazit: Vieles spricht dafür, dass Hüseyin Ünlü weiterhin der Betreiber sein wird. Zudem dürfte im Amt die Online-Petition für den Erhalt des Cafés aus dem Jahr 2017 noch in guter Erinnerung sein. 15.000 Menschen unterschrieben damals, Hüseyin Ünlü ist offenkundig im Kiez verankert. Aber auf hoher See und vor einer Auswahljury ist jeder in Gottes Hand. Jeder Selbständige, der Auftragnehmer der öffentlichen Hand ist, kennt das.
Soll beim Café Leo alles so bleiben wie es aktuell ist?
Der Charakter des Café Leo könnte sich durchaus ändern, muss es aber nicht. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel sagt dem Weddingweiser, er höre “andere Stimmen”. Genauer: Das Café Leo könne “durchaus stärker vom Querschnitt der Bevölkerung angenommen werden”. Dagegen hoben beim Runden Tisch alle Redner hervor, wie positiv die “soziale Funktion” des Cafés ist. Die Formulierung “soziale Kontrolle” verwendete eine Person explizit. “Vor zehn Jahren musste man noch durch die Drogendealer hindurch, da haben sich manche gefürchtet”, sagte ein Anwohner. Gemeint ist: offenbar tut das Café Leo seine Wirkung. Allein, dass dort nun ein Café ist, habe die Atmosphäre des Platzes verändert. Für Stephan von Dassel ist die “bunte Mischung” aber damit nicht erreicht. Oder wie ein Leser des Weddingweisers formuliert: “Eine Ausschreibung ist nicht nur schlecht. Für Fördernehmer und Fördergeber besteht die Chance, über den weiteren Weg nachzudenken.”
Wie steht der Weddingweiser zum Café Leo?
Scrollt man die Beiträge auf diesem Blog zurück, so wird schnell deutlich, dass die Redaktion des Weddingweisers auf Seiten des Café Leo steht und Hüseyin Ünlü die Herzen der Autoren auf seiner Seite hat. Der Weddingweiser berichtete 2015 über das drohende “Aus” durch das Straßen- und Grünflächenamt, über das “Verwirrspiel” beim Interessenbekundungsverfahren vor fünf Jahren oder über das Bußgeld wegen des eigenmächtig aufgesetellten Windschutzes und damit das Cafe Leo “schon wieder in Gefahr” war. Bemühen wir uns an dieser Stelle einmal ein wenig um Neutralität und gehen schnell zur nächsten Frage weiter.
Warum ist das Café Leo überhaupt ein Politikum?
Wer sich nicht täglich mit der Sache befasst, der ist erst einmal überrascht, dass ein privat betriebenes Café von Ausschreibungen des Bezirks abhängig ist. Grund ist, dass das Café Leo auf einer Grünfläche steht. Wo bitte, ist der Leo grün? Nun ja, die Zuordnung Grünfläche ist eine behördliche, also gewissermaßen ein Wunsch. Unabhängig von der Realität sind unter den öffentlichen Flächen die grünen besonders schützenswerte. Deshalb bedarf es für das Café Leo einer Sondergenehmigung. Diese erteilt der Bezirk deshalb, weil das Café Leo Teil eines Handlungskonzeptes ist und der Prävention dient. Durch Belebung soll der Platz auch außerhalb der Trinkerszene attraktiv werden. Außerdem ist das Café Leo – wenn auch privat betrieben – eine soziale Einrichtung. Denn der Kaffee ist billig, Alkohol wird nicht ausgeschenkt, die Gäste sind “interkulturell und generationsübergreifend”, wie ein Teilnehmer des Runden Tisches sagt.
Alles gut?
Auch wenn im Moment alle Zeichen auf einen sicheren Bestand des Café Leo hindeuten, gibt es auch skeptische Stimmen. So befürchtet die Stadtteilvertretung Müllerstraße, dass das Café Leo gefährdet sein könnte. Die Haltung der Stadtteilvertretung ist hier zu finden.
Was gibt es sonst noch zu wissen?
Das Café Leo kam 2011 auf den Leo, feiert dieses Jahr also zehnjähriges Bestehen. Hüseyin Ünlü soll mehrere zehntausend Euro in das feste Häuschen investiert haben. Der Start des Cafés war in einem Imbisswagen. 2017 baute der Betreiber den Kiosk. Der Vorplatz vor der Schinkelkirche gehört der evangelischen Kirche, der Rand des Platzes, wo das Café steht, gehört dem Bezirk. Der Runde Tisch Leopoldplatz ist ein regelmäßiger, öffentlicher Treff, an dem alle Interessierten teilnehmen können. Er ist Teil des Handlungsplans “Leo – ein Plaz für alle”. Auf der Seite des Bezirksamtes heißt es zum Runden Tisch: “Ziel ist es, den Platz für unterschiedliche Nutzergruppen attraktiver zu machen.” Dazu macht er Vorschläge für geeignete Maßnahmen.
Andrei Schnell sortiert und beantwortet die Fragen, die ihm Leser zur Ausschreibung des Café Leo schickten.
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