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Plötzensee: “Übernutzung gepaart mit Ignoranz” – eure Meinungen

18. August 2020

Wild­ba­den im Plöt­zen­see, Zer­tram­peln der Ufer­bö­schun­gen, kei­ne Rück­zugs­mög­lich­kei­ten mehr für die Tie­re, Beschal­lung durch Blue­tooth-Boxen, Par­ty-Time den gan­zen Som­mer – unser Arti­kel über den Plöt­zen­see hat unge­wöhn­lich vie­le Wed­din­ger bewegt und uns zahl­rei­che Zuschrif­ten ver­schafft. Wir geben hier eini­ge wie­der, die wei­te­re Aspek­te des The­mas beleuchten.

Beschallung durch Boxen

Neben der lei­der schon alt­be­kann­ten Ver­mül­lung und rou­ti­nier­ten Ver­stö­ßen gegen den Natur­schutz hat auch eine klei­ne Dose den Umgangs­ton am Plöt­zen­see nach­hal­tig ver­än­dert. Wo der erho­lungs­be­dürf­ti­ge Groß­städ­ter sich einst­mals an Natur­ge­räu­schen laben konn­te, herrscht inzwi­schen akus­ti­sche Dik­ta­tur. Grund: Gefühlt jeder Zwei­te hat nicht nur die Bade­ho­se und ein küh­les Bier im Gepäck, son­dern knallt auch noch eine Blue­tooth-Box auf die Pick­nick­de­cke. Statt rau­schen­den Blät­tern und sanf­ten Wel­len lauscht man also nun den Tönen des Neben­man­nes. Und sei­en wir ehr­lich: Ein Vio­lin­kon­zert wird sel­ten von die­sen Boxen abgespielt.

Die Beats des einen sen­ken offen­bar auch die akus­ti­sche Hemm­schwel­le für alle ande­ren und so schwebt eine dezi­bel­in­ten­si­ve Kako­pho­nie aus House und Hip­hop über dem Plöt­zen­see. Statt Ruhe und Erho­lung in der Wed­din­ger Stadt­na­tur wird Dau­er­be­schal­lung gebo­ten. Dass Lärm nach­weis­lich krank macht: egal. Es gilt das akus­ti­sche Recht des Stär­ke­ren. Das Pro­blem ist, dass qua­si jeder Smart­phone­be­sit­zer inzwi­schen auch Dis­ko­the­ken­be­trei­ber sein kann, fasst Her­bert Loh­ner vom BUND Ber­lin e.V. die Pro­ble­ma­tik zusam­men. Es gibt einen mas­si­ven Ziel­kon­flikt zwi­schen dem laut­star­ken Frei­zeit­ver­hal­ten der einen und dem Natur­schutz bzw. dem Bedürf­nis nach Stil­le der ande­ren. Dabei sieht Loh­ner vor allem die Stadt in der Pflicht, die unter­schied­li­chen Nut­zungs­an­sprü­che an das Ber­li­ner Stadt­grün wie­der in einen fai­ren Aus­gleich zu brin­gen: „Nur mit mehr Per­so­nal vor Ort kön­nen die Regeln effek­tiv durch­ge­setzt wer­den. Alles ande­re funk­tio­niert nicht.

Das Bezirks­amt Mit­te ver­weist sei­ner­seits auf die im Land Ber­lin gel­ten­den Lärm­schutz­vor­schrif­ten; jeder habe sich so zu ver­hal­ten, dass schäd­li­che Umwelt­ein­wir­kun­gen, wozu auch Lärm gehört, ver­mie­den wer­den. Dem Nut­zungs­druck auf den Plöt­zen­see mit all sei­nen nega­ti­ven Begleit­erschei­nun­gen will das Bezirks­amt vor allem in Gestalt einer Auf­klä­rungs­kam­pa­gne zum rück­sichts­vol­len Umgang mit der Natur begeg­nen. Auch ein Park­dienst sowie Stadt-Natur-Ran­ger sei­en nun im Einsatz.

Bleibt zu hof­fen, dass die­se Maß­nah­men bald grei­fen. Viel­leicht wer­den dann irgend­wann sogar die heh­ren Wor­te der Ber­li­ner Char­ta für das Stadt­grün wahr: „Wert­schät­zung des Stadt­grüns ist eine essen­ti­el­le Vor­aus­set­zung für das Zusam­men­le­ben im öffent­li­chen Raum. Wert­schät­zung bedarf einer Kul­tur der Rück­sicht und Ver­stän­di­gung.“ A. Bolt­ze

Man wird sofort angefeindet

“Ich mag den Plöt­zen­see echt ger­ne. Seit ca. 20 Jah­ren gehe ich ger­ne dort spa­zie­ren und trin­ke dann und wann einen Kaf­fee in der uri­gen Fischer­pin­te. Aber in die­sem Jahr ist für mich (75 Jah­re alt) weder das eine noch das ande­re mög­lich, was ich sehr scha­de fin­de. Über­all ist es über­füllt und ver­müllt und nie­mand scheint bis­her etwas von den momen­ta­nen Abstands­re­geln gehört zu haben. Und man wird sofort ange­fein­det oder belei­digt, wenn man dar­um bit­tet. Habe es echt ver­sucht, aber das ist mir alles zu aggres­siv. Beson­ders schlimm ist es an den wil­den Bade­stel­len. Und wenn ich das so rich­tig sehe, sind es gera­de die Men­schen, die sonst so sehr auf Kli­ma­schutz drän­gen – was ja rich­tig ist – die hier alles zumül­len und auf Natur­schutz pfei­fen, wenn es um ihr eige­nes Ver­hal­ten geht. Da ist offen­bar kei­ne Bereit­schaft, selbst mit sei­nem eige­nen Ver­hal­ten dazu bei­zu­tra­gen. Wirk­lich sehr scha­de!” Moni­ka von Wegerer

Freie Badestelle schaffen

“Ich fin­de das Wild­ba­den auch nicht gut. Aber auch ich muss geste­hen, ich bin auch das eine oder ande­re mal schon über die Mau­er in den See gegan­gen. Man könn­te, und dafür bin ich zu 100 %, aus dem Wild­ba­den ein offi­zi­el­les Baden ohne bezah­len zu machen.  War­um nicht eine offi­zi­el­le freie Bade­stel­le schaf­fen, wo es legal ist, auch ohne Bezah­lung baden zu gehen? Natür­lich soll­ten die gesperr­ten Zonen dann respek­tiert wer­den. Ich bin mir aller­dings sicher, dass es dann trotz­dem noch die Mehr­heit sein wird, die das Frei­bad nut­zen wird. Mit ein wenig Gesprächs­an­ge­bot wer­den dann die etwas gedan­ken­ver­lo­re­nen Natur­ge­nie­ßer es auch ver­ste­hen, die Natur zu schüt­zen. Ja, auch das wird es geben, eini­ge die nicht zuhö­ren wol­len, aber wenn man es schaf­fen könn­te, die Ver­ant­wort­lich­keit eines jeden selbst zu geben, viel­leicht ach­tet dann jeder selbst ver­ant­wort­lich, respekt­voll und wert­schät­zend auf sei­ne Umge­bung und Mit­men­schen.” Deva Prem

Parks bräuchten Betreuung

“Das Wild­ba­den an sich ist kein Pro­blem, es könn­ten pro­blem­los an eini­gen Stel­len geord­ne­te Was­ser­zu­gangs­be­rei­che geschaf­fen wer­den und die rest­li­chen Ufer­bef­eich von Was­ser- und Land­sei­te geschützt. Bei respekt­vol­lem Umgang mit dem See/Ufer wie Ewig­kei­ten vor dem Hype an der FKK- Bade­stel­le ver­ant­wor­tungs­voll prak­ti­ziert. Der Bezirk könn­te hier ein nutzer*innen- und natur­freund­li­ches Kon­zept nach­hal­tig umset­zen. Aber das erfor­dert mehr als einen Zaun und Ver­bo­te und das braucht nach Ein­rich­tung auch kon­ti­nu­ier­lich per­so­nel­le Betreu­ung. Wie vie­le Parks im Wed­ding sie drin­gend bräuchten!

Das ande­re Pro­blem tritt unab­hän­gig vom Baden in immer mehr Grün­flä­chen Ber­lins auf und heißt Über­nut­zung gepaart mit Igno­ranz. Auch hier bedarf es bes­se­rer Kon­zep­te der Kom­mu­ni­ka­ti­on, der Grün­flä­chen­pfle­ge und Vor Ort-Betreu­ung und sicher auch Maß­nah­men, die Bürger*innen Respekt und Ach­tung vor Gemein­schafts­flä­chen ver­mit­teln. Das betrifft den Wed­ding als Stadt­teil gesamt lei­der in vie­len Berei­chen. Es ist, was das Stra­ßen- und Park­bild angeht, beson­ders z.B. in der Ver­mül­lung und will­kür­li­chen Müll­ent­sor­gung zu sehen.” M. Mül­ler

Für Renaturierung wären Jahre nötig

“Ich ken­ne den See schon lan­ge und habe dort sogar noch Was­ser­schild­krö­ten beob­ach­tet. Vor gefühlt sehr lan­ger Zeit. Inzwi­schen ist für die Tier- und Pflan­zen­welt ja kaum mehr Platz übrig. Ich habe den Ein­druck, dass der Bezirk den See auf­ge­ge­ben hat. Das klei­ne Zäun­chen hält nie­man­den ab und der Ufer­be­reich ist so nach­hal­tig rui­niert, dass wahr­schein­lich vie­le Jah­re nötig sind, für eine Rena­tu­rie­rung. Und das chro­nisch unter­be­setz­te Ord­nungs­amt küm­mert sich eher um Park­raum­be­wirt­schaf­tung im Bezirk. Ich schrieb bereits dem rbb, um irgend­wie zu bewir­ken, dass die­ser eigent­lich sehr schö­ne See media­le Auf­merk­sam­keit bekommt. Aber sei­tens der rbb-Redak­ti­on kam nüscht zurück. Wahr­schein­lich ist das The­ma nicht so sexy, wie die x‑te Repor­ta­ge über eine 30er Zone, in der nie­mand 30 fährt… Auch wich­tig, natür­lich, bei mir am Schil­ler­park ist das näm­lich auch der Fall… Aber was soll man machen ? Eine Bür­ger­initia­ti­ve grün­den? Falls es mal Aktio­nen geben soll­te, wel­cher Art auch immer, ich wür­de mich betei­li­gen.”  Dani­el Ruven Maes

Naturschutz weiterverfolgen

“Bekann­te, Freun­de und ich sehen es auch so, dass der Sta­tus Quo so nicht blei­ben darf. Natür­lich könn­te man dar­über nach­den­ken, das Ufer in irgend­ei­ner Form zu öff­nen. Jedoch fin­de ich es bes­ser, das bis­he­ri­ge Kon­zept des Natur­schut­zes wei­ter zu ver­fol­gen. Eine Auf­ga­be die­ser Linie wäre im Übri­gen ein Hin­ter­ge­hen der Wirt­schaft vor Ort: Päch­ter des Strand­ba­des oder der Boots­ver­leih müss­ten mit Ein­bu­ßen rech­nen oder gar ganz auf­ge­ben. Die jet­zi­ge Situa­ti­on schä­digt Natur und setzt Men­schen­le­ben auf Spiel. Ich habe mich daher mit mei­nem Man­dat dafür ein­ge­setzt, das Ufer bes­ser zu sichern. Hier der von mir ein­ge­brach­te Antrag.” Alex­an­der Frei­tag, Bezirks­ver­ord­ne­ter PIRATEN

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