Mastodon

Graubrot und Simit

Es war einmal: Laden-Vielfalt im Wedding
9. Februar 2022
7

Die ver­schwun­de­ne Geschäfts­welt im Wed­ding wird gern beklagt. Legen­där waren die vie­len Kauf­häu­ser wie Her­tie an der Chaus­see­stra­ße, Held an der Brun­nen­stra­ße oder Bil­ka in der Mül­lerstra­ße. In Letz­te­rem gab es so vie­le Fach­ge­schäf­te, dass die schnur­ge­ra­de Mei­le sogar als Ku’­damm des Nor­dens bezeich­net wur­de. Und das war nicht iro­nisch gemeint, denn trotz der Lage im weni­ger gut betuch­ten Arbei­ter­stadt­teil gab es auch ein paar hoch­prei­si­ge Klei­dungs­ge­schäf­te oder Filia­lis­ten. Aber war frü­her alles besser?

Von der eins­ti­gen Pracht der Geschäfts­stra­ßen mit Ange­bo­ten für jede Preis­klas­se ist nahe­zu nichts mehr übrig. Das kann man bedau­ern, aber muss man sich wun­dern? Denn dafür gibt es zum Bei­spiel im Gesund­brun­nen-Cen­ter 100 Shops. Die Kauf­kraft wur­de ein­fach dort gebün­delt. Auch fin­den Geschäfts­in­ha­ber kaum Nach­fol­ger für ihre immer älter und weni­ger wer­den­de Kund­schaft. Und die Jün­ge­ren kau­fen im Zwei­fel eben im Inter­net. Das Ende der Geschäfts­stra­ßen war also abseh­bar und kein Stra­ßen­ma­nage­ment hat ihm wirk­lich etwas ent­ge­gen­set­zen kön­nen, weder im Wed­ding noch anderswo.

In der Ams­ter­da­mer Straße

In den Kiezen selbst gab es frü­her vie­le klei­ne Händ­ler für Lebens­mit­tel wie Fisch, Milch und Eier, Hand­werks­bä­cker und ‑flei­scher sowie für Obst und Gemü­se. An man­chen Haus­fas­sa­den erin­nern noch ver­blas­sen­de Schrift­zü­ge dar­an. Mit der Mül­ler­hal­le gab es sogar einen über­dach­ten Markt. 2012 wur­de die Hal­le, die zuletzt mehr Leer­stand hat­te als beleg­te Flä­chen, abge­ris­sen und durch einen Super­markt­neu­bau ersetzt. Von denen gibt es immer grö­ße­re Filia­len, viel­leicht zu vie­le – denn auch in den bei­den rie­si­gen real-Filia­len im Wed­ding sind längst die Lich­ter aus­ge­gan­gen. Ob sich da eine Trend­wen­de abzeich­net – weg von den Hyper­märk­ten mit Park­haus zu fuß­läu­fig erreich­ba­ren klei­nen Märkten? 

Wie heute eingekauft wird

Was den Lebens­mit­tel­ein­kauf angeht, hal­ten sich die Wed­din­ger alles offen. Denn es gibt noch die klas­si­schen Wochen­märk­te: die Wed­din­ger Märk­te auf dem Leo­pold­platz und in der Gen­ter Stra­ße haben ihre treue Kund­schaft. Auch die tür­ki­schen Super­märk­te flo­rie­ren seit Jahr­zehn­ten und es sind nicht nur Migran­ten, die dort ein­kau­fen und die Viel­falt schät­zen. Und mit dem Kar­tof­fel­la­den in der Lüde­ritz­stra­ße gibt es sogar einen rich­ti­gen Hof­la­den bei uns. Wie der koope­ra­tiv betrie­be­ne Super­markt Super Coop in den Osram­hö­fen beweist, wol­len auch immer mehr Wed­din­ger abseits der gro­ßen Ket­ten ein­kau­fen. Brot gibt es in vie­len klei­nen Bäcke­rei­en, die meis­tens von tür­ki­schen Fami­li­en betrie­ben wer­den. Dort gibt es neben neben güns­ti­gen Bröt­chen oft auch Auf­back-Grau­brot und lecke­re Simit-Sesam­rin­ge im Ange­bot. Und kön­nen wir nicht heu­te zu fast jeder Tages­zeit Klei­nig­kei­ten im Späti an der Ecke erste­hen? Für ganz Beque­me gibt es dann noch die vie­len Lie­fer­diens­te, ob vom loka­len Super­markt oder eilig mit dem Fahr­rad vom Dark Store um die Ecke. Ein moder­ne Erschei­nung sind die Öff­nungs­zei­ten: Noch vor weni­gen Jahr­zehn­ten mach­ten die Geschäf­te schon um 18.30 Uhr zu, heu­te öff­nen nicht nur gro­ße Ket­ten zwi­schen 7 Uhr mor­gens und spät am Abend.

Max-Urich-Stra­ße / Hussitenstraße

Den Nie­der­gang der Geschäfts­stra­ßen und den Ver­lust der klei­nen Läden kann man zu Recht bedau­ern. Aber es gibt eben auch Hoff­nung, dass im Wed­ding neue Geschäfts­ideen dafür sor­gen, dass nicht alle Laden­flä­chen leer­ste­hen. Und dass Unter­neh­mer­geist immer auch einen Platz in unse­rem Stadt­teil findet.

Viel­leicht war frü­her nicht alles bes­ser, son­dern ein­fach nur anders?

San­si­bar­stra­ße

7 Comments Leave a Reply

  1. Bei der Wie­der­ho­lung der Läden auf der Mül­lerstr. feh­len noch die Bar­ber­shops, Wett­bü­ros, Spiel­ca­si­nos und die als Cock­tail­bar getarn­ten Hin­ter­zim­mer-Spiel­höl­len, auch Geld­wasch­an­la­gen. Oft auch in den Neben­stra­ßen der Mül­lerstr. zu finden.
    Die­se Ange­bo­te gehen voll an mei­nem Bedarf vor­bei. Aber es scheint eine Nach­fra­ge zu geben.
    Und die schafft das Angebot.

  2. Hal­lo

    die Mül­lerstr mit­te der 70er war ein Genuss… es gab gute klei­ne Geschäf­te… div. Jeans­lä­den , einen guten aber teu­ren Her­ren­aus­stat­ter (also schi­cke Anzü­ge). , Kar­stadt C&A , meh­re­re Wool­wort­hs , Bil­ka usw
    Heu­te ist die Stras­se ver­dreckt , es wie­der­holt sich immer in der glei­chen Rei­hen­fol­ge Bäcke­rei-Han­dy­shop-Thai­im­biss-Döner-Spät­kauf ‑Bar-Shis­ha­bar und wie­der von vorne
    Die hier in der Rad­ak­ti­on neu Hin­zu­ge­zo­ge­nen ken­nen die Mül­ler so eben nicht mehr… dar­um ist es eben nicht ein­fach nur anders son­dern Frü­her war es wirk­lich schö­ner auf der Müller

    Den­noch wie immer noch eine schö­ne Woche

    • Es wird ja gar nicht bezwei­felt, dass die Mül­lerstra­ße frü­her leben­di­ger und schö­ner war, aber auf­grund ande­rer Kun­den­wün­sche und eines ande­ren Ein­kaufs­ver­hal­tens wird die­se Zeit wohl nicht mehr zurückkommen.

      • Es fehlt: “… und einer ande­ren Bevölkerungsstruktur..”

        Aber zurück­kom­men wird hier nix – eher geht es (spä­tes­tens wenn Gale­ria mal weg ist – wei­ter bergab!

    • Hal­lo noch­mal ver­bin­de die Punk­te – in die­sem Fall die­se 3 Kommentare :))

      .…ande­rer Kun­den­wün­sche und eines ande­ren Ein­kaufs­ver­hal­tens… plus .…und einer ande­ren Bevölkerungsstruktur…Bäckerei-Handyshop-Thaiimbiss-Döner-Spätkauf ‑Bar-Shis­ha­bar
      noch ver­ges­sen 1‑Euroläden!!

      in die­sem Sinne

  3. “Und die Jün­ge­ren kau­fen im Zwei­fel eben im Internet!”
    Ist das nicht ein wenig pau­schal? Wir (bei­de deut­lich über 60, bzw. fast 70) kau­fen nahe­zu 70% aller Waren (aus­ser Lebens­mit­tel u.ä.) im Inter­net ein!
    Warum:
    1. Gibt es hier die deut­lich grö­ße­re Aus­wahl (u.a. stößt man auf Din­ge, die man in kei­nem Laden sieht!
    2. Es gibt ein unbe­grenz­tes Umtausch­recht – d.h., man darf sich auch ein­mal “ver­tun”. In vie­len Geschäf­ten ist eine Rück­ga­be nicht (oder nur gegen Gut­schein) möglich!
    3. Das Ein­kau­fen in den vorhandenen/verbliebenen Geschäf­ten ist hier kein Genuss (aber man kann/will) ja nicht immer auf den Kudamm!
    4. Die Mül­lerstra­ße lädt nun wirk­lich nicht zu Bum­meln ein. Hin – kau­fen – und schnell wie­der weg!

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?