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Schöne neue Einkaufswelt:
Bringen’s Lieferdienste?

Per Fahrradkurier, innerhalb von zehn Minuten, auch spät abends: Das versprechen Lieferdienste wie Gorillas. Einfach nur eine ganz neue Art des Einkaufens?
20. August 2021
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Neu­lich saß eine Haus­ge­mein­schaft im Hof. Jemand hat­te Lust auf einen Schwe­den-Eis­be­cher. Doch nie­mand hat­te auch nur eine Zutat in der Woh­nung. Trotz­dem war kei­ne zehn Minu­ten spä­ter alles da, auch wenn nie­mand das Haus ver­las­sen muss­te. Die Digi­ta­li­sie­rung, eine neue Lie­fer­in­fra­struk­tur und die neue Arbeits­welt machen’s möglich. 

Späti war ges­tern. Der ver­gess­li­che Kun­de von heu­te lässt lie­fern, und zwar von Fahr­rad­ku­rie­ren, die inner­halb von zehn Minu­ten auf der Mat­te ste­hen. Das spart Zeit, man­che Ein­kaufs­fahrt mit dem Auto und schafft (aller­dings sehr frag­wür­di­ge) Jobs. Wie kann das gehen? 

Pio­nier in Deutsch­land war im Jahr 2020 das Ber­li­ner Start-up Goril­las. “In jedem Fall gehört Goril­las zu den inter­es­san­tes­ten Expe­ri­men­ten im deut­schen Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del”, schrieb der Super­markt­blog im letz­ten Jahr. Inzwi­schen hat das Unter­neh­men nicht nur wegen sei­nes Kon­zepts, son­dern wegen der Arbeits­be­din­gun­gen der Fahr­rad­ku­rie­re Schlag­zei­len gemacht. Die äußerst pre­kä­ren befris­te­ten fest­an­ge­stell­ten Jobs, oft von migran­ti­schen Arbei­tern aus­ge­übt, wer­den zwar mit dem Min­dest­lohn ver­gü­tet, aber es fehlt an der Bereit­schaft, einen Betriebs­rat zuzu­las­sen und oft auch an einer ver­nünf­ti­gen Aus­stat­tung der Kuriere. 

Bestellung per Smartphone, Belieferung mit Pedalkraft

“Darksto­re” in den Osram­hö­fen, Foto: Andar­as Hahn

Wie funk­tio­niert das Bestel­len in rekord­ver­däch­ti­gen Zeit­span­nen? Nun, ein Smart­phone ist wegen der App unbe­dingt erfor­der­lich. Was aber die ent­schei­den­de Beson­der­heit ist: In Ber­lin gibt es jede Men­ge Mikro-Lager, soge­nann­te Darksto­res. Die­se kön­nen für die Kund:innen weit­ge­hend unsicht­bar in jeder frei­en Gewer­be­flä­che ein­ge­rich­tet wer­den, und davon gibt es im Wed­ding jede Men­ge. Spren­gel­kiez, Brüs­se­ler Kiez, der Bereich zwi­schen Mül­lerstra­ße und Bahn­hof Gesund­brun­nen (Kar­te sie­he hier) gehö­ren zum Lie­fer­ge­biet und ver­fü­gen in der Mit­te der Lie­fer­zo­ne über ein sol­ches Lager. Das Sor­ti­ment ist nicht so groß wie im Super­markt, sodass sich die Kos­ten für Belie­fe­rung, Lage­rung und Flä­che in Gren­zen hal­ten. Hier also eine Gemein­sam­keit mit dem klas­si­schen Späti. 

Die­se Lager wer­den per­ma­nent mit Lkws belie­fert – so umwelt­freund­lich wie die Fahr­rad­ku­rie­re daher­kom­men, ist die­se Art des Ein­kaufs also auch nicht. Anwoh­ner die­ser Lager dürf­ten sich außer­dem gestört von dem Tru­bel fühlen. 

Mehr als zehn Kilo lie­fern die Kurie­re auch nicht. Zudem muss man bei jeder Lie­fe­rung 1,80 Euro Gebüh­ren bezah­len, man kann die Ein­käu­fe aber auf meh­re­re klei­ne­re Fuh­ren auf­tei­len – der Groß­ein­kauf, womög­lich mit Auto am Wochen­en­de, ent­fällt somit. Und wer etwas für die schlecht bezahl­ten Fahr­rad­ku­rie­re tun will, kann ja beim Trink­geld groß­zü­gig sein. Dann ist der beque­me Ein­kauf inner­halb von weni­gen Minu­ten zwi­schen Klick und Lie­fe­rung an die Haus­tür eine Win-Win-Situa­ti­on für alle. Ob man Goril­las oder die Kon­kur­ren­ten Flink, Bring oder Getir nut­zen (und die­se Art des Han­dels) unter­stüt­zen will, muss jede:r selbst entscheiden. 

Nur euern Späti-Mann, den soll­tet ihr aus Grün­den der Soli­da­ri­tät ab und zu trotz­dem noch besuchen. 

Die klas­si­schen Ein­zel­händ­ler REWE und EDEKA lie­fern eben­falls im Wed­ding, mit grö­ße­rer Vor­lauf­zeit, ande­ren Zeit­fens­tern und mit LKWs. 

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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