Kurz vor der Grenze zum unwirtlichen Teil Reinickendorfs befindet sich ein kleines gallisches Dorf namens Centre Français. Mutig stemmt es sich im Norden des Wedding gegen die Trostlosigkeit der Müllerstraße und bemüht sich um Strahlkraft weit übers benachbarte Afrikanische Viertel hinaus. Zu Hotel und City Kino gesellte sich nun auch noch ein Restaurant, das es unter selbigem Namen schon im wesentlich gediegeneren Wilmersdorf gibt. Zur Enttäuschung all jener, die sich lieber einen weiteren Billigheimer gewünscht haben, macht das „Pastis“ richtig was her. Nicht nur durch seine Einrichtung, sondern und vor allem durch das, was auf der Speisekarte zu finden ist. Zu Preisen versteht sich, an die sich der geneigte Weddinger erst einmal gewöhnen muss. Schon höre ich leise den Chor, der den Untergang unseres schrabbelig-liebenswerten Stadtteils besingt und „Pastis“-Betreiber Vincent Garcia dafür verfluchen wird, dass er Feinschmecker womöglich und unnötigerweise aus der benachbarten Mitte oder dem unweiten Prenzlauer Berg anlocken wird. Ein weiterer Störenfried des heiligen Weddinger Beharrens, der ausgerechnet mit Boudin und Bouillabaisse der schleichenden Gentrifizierung den passenden Fraß serviert. Nicht auszudenken, wenn Dunckerstraßen-Hipster oder gar die Mütter vom Kollwitzplatz sich tatsächlich die raue Müllerstraße hinauf wagen würden, um ausgerechnet hier ihre heiße Sehnsucht nach Frankreich zu stillen. Und wenn sie vorher oder danach dem Vintage-Charme des City Kinos erliegen. Und sich am Ende gar noch überlegen, den nächsten Familienbesuch im Hotel de France einzuquartieren. Und überhaupt: Wer mag schon Froschschenkel …?
Autor: Ulf Teichert
De Kolumne erscheint auch in der Weddinger Ausgabe des Berliner Abendblattes.