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Wie wir mit uns und miteinander umgehen:
Der Friedens-Knopf und wie wir ihn drücken

18. März 2023
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Es ist Mit­te März, wie so oft bin ich zu Fuß unter­wegs in Gesund­brun­nen. Ein küh­ler Wind weht durch die Stra­ße, an der Haus­fas­sa­de vor mir flat­tert eine blau-gel­be Fah­ne, weni­ge Meter wei­ter bauscht sich ein Ban­ner mit wei­ßer Tau­be. Ich gehe vor­bei an Later­nen­mas­ten, Sitz­bän­ken und U‑Bahn-Ein­gän­gen. Über­all sehe ich Auf­kle­ber und Graf­fi­ti, auf denen „Stop War“, „Nie wie­der Krieg“ oder „Street Art for Peace“ steht.

Ohn­macht

All die­se State­ments zei­gen, wie sehr sich die Men­schen ein Ende des Krie­ges in der Ukrai­ne wün­schen. Letzt­end­lich, so den­ke ich, brin­gen sie vor allem eins zum Aus­druck – wie sehr sich die Men­schen Frie­den wünschen.

Dazu passt ein Auf­kle­ber, der mir schon öfter auf mei­nem Weg durch die Wed­din­ger Stra­ßen begeg­net ist: Er zeigt eine Art gro­ßen Knopf und die Auf­for­de­rung „Press für Peace“ (Für Frie­den drücken).

Wer hät­te nicht gern solch einen Knopf, den man ein­fach nur drü­cken muss, damit end­lich Frie­den herrscht. Doch so ein­fach ist es lei­der nicht.
Wir als ein­zel­ne kön­nen Fah­nen auf­hän­gen, Auf­kle­ber ver­tei­len und uns in Hilfs­pro­jek­ten enga­gie­ren. All das ist wich­tig und rich­tig. Aber auf die glo­ba­len Krie­ge und Kon­flik­te haben wir als ein­zel­ner Mensch kei­nen direk­ten Ein­fluss. An die­ser Stel­le lässt uns der Slo­gan „Press for Peace“ hilf­los zurück. Die meis­ten von uns füh­len sich ange­sichts der Welt­la­ge ver­zwei­felt und nahe­zu ohn­mäch­tig. Doch sind wir wirk­lich so ohn­mäch­tig, wie wir glau­ben? Ich behaup­te: nein.

Ent­schei­dungs­frei­heit

Denn es gibt doch eine Art „Frie­dens-Knopf“, den wir betä­ti­gen kön­nen. Wir fin­den ihn aller­dings nicht im Außen, son­dern dort, wo wir zu Hun­dert Pro­zent Ein­fluss haben: in uns selbst.
Wenn ich mich ärge­re oder wütend bin, erschaf­fe ich Un-Frie­den. Wenn ich über ande­re läs­te­re oder mich an der Kas­se vor­dräng­le, weil ich mei­ne Zeit für wich­ti­ger hal­te als die der ande­ren, erschaf­fe ich Un-Frie­den. Wenn ich mit mei­nem Kind schimp­fe, weil ich selbst gera­de gestresst bin, erschaf­fe ich Un-Frie­den. Wenn ich mit mir selbst schimp­fe, weil ich zum x‑ten Mal mei­nen Schlüs­sel ver­legt habe, erschaf­fe ich Un-Frie­den. Wenn ich Türen knal­le oder mei­ne schlech­te Lau­ne an ande­ren aus­las­se, erschaf­fe ich Un-Frieden.

Äuße­re Ereig­nis­se kön­nen zwar der Aus­lö­ser mei­ner Aktio­nen sein, doch nur ich ent­schei­de, ob ich wirk­lich so han­deln will. Ich habe jeder­zeit die Frei­heit, mei­nen inne­ren Frie­dens-Knopf zu drü­cken. Dann über­le­ge ich, ob es jetzt wirk­lich nötig ist, mich zu ärgern, oder ob ich die Sache nicht bes­ser auf sich beru­hen las­se. Ich ent­schei­de mich dafür, nicht über die ande­re Per­son zu läs­tern, son­dern zu schwei­gen und im Ide­al­fall sogar etwas Posi­ti­ves zu den­ken. An der Kas­se drän­ge­le ich nicht, son­dern fra­ge, ob man mich viel­leicht vor­lässt. Wenn ich gestresst bin, atme ich zwei mal tief durch und spre­che ruhig mit mei­nem Kind. Genau­so ruhig und freund­lich spre­che ich auch zu mir selbst, wenn ich schon wie­der mei­nen Schlüs­sel suche. Ich darf lie­be­voll mit mir umge­hen – und ich darf lie­be­voll mit Türen umge­hen. Viel­leicht schaf­fe ich es ja, sie nicht zu knal­len, son­dern lei­se zu schließen.

Wirk­macht

Jede ein­zel­ne die­ser klei­nen Ent­schei­dun­gen bringt etwas mehr Frie­den in mich selbst und dadurch auch zu den Men­schen um mich her­um. Indem ich mei­nen eige­nen Frie­dens-Knopf drü­cke, ermög­li­che ich Frie­den in mei­nem Umfeld. Hier bin ich weder hilf­los noch ohn­mäch­tig, son­dern in mei­ner vol­len Wirk­macht. Je mehr Men­schen die­se Wirk­macht nut­zen, des­to wei­ter ver­brei­tet sich der Frie­den. Aber damit anfan­gen kann immer nur eine Per­son: ich selbst.

Und so fra­ge ich mich jedes Mal, wenn ich an Graf­fi­ti, Auf­kle­bern und Frie­dens­tau­ben vor­bei­kom­me: „Wie kann ich heu­te zum Frie­den in der Welt beitragen?“

Ste­pha­nie Esser lebt und arbei­tet im Brun­nen­vier­tel. Auf ihrem Blog www.danke-ich-liebe-dich.de schreibt sie über das Hawai­ia­ni­sche Ver­ge­bungs­ri­tu­al Ho’o­po­no­po­no und dar­über, wie wir unser täg­li­ches (Zusammen-)Leben posi­ti­ver gestal­ten können.

Stephanie Esser

Stephanie Esser lebt im Brunnenviertel, ist zertifizierte Lachyoga-Leiterin (CLYL), schreibt als Journalistin über Persönlichkeits- und Achtsamkeitsthemen und gibt Kurse im Lachyoga sowie zur hawaiianischen Konfliktlösungsmethode Ho'oponopono. Mehr darüber plus Praxistipps und Blogbeiträge gibt es auf ihren Websites www.frieden-freude-lachen.de sowie www.danke-ich-liebe-dich.de.

3 Comments

  1. Hal­lo
    ich hat­te es hier schon eini­ge male geschrie­ben , das wir in einer selt­sa­men Zeit leben … auch das es stür­misch wer­den kann oder wird
    Die­se Alte Welt löst sich lang­sam auf , es was Neu­es wird entstehen
    Wir dür­fen uns nicht dazu pro­vo­zie­ren las­sen, unse­re eige­ne inne­re Mit­te zu ver­las­sen. Die ist immer fried­lich, immer wohl­wol­lend und nie­mals ego­is­tisch und kei­nes­falls ängstlich.
    Das, was jetzt geschieht, ist vor allen Din­gen eine spi­ri­tu­el­le Revo­lu­ti­on. Egal, ob jemand auf die Stra­ße geht und fried­lich pro­tes­tiert, oder ob er zu Hau­se sitzt und ein­fach „nur“ um Frie­den bit­tet. Wenn vie­le den Weg des Frie­dens mit einem offe­nen Her­zen gehen, dann wird das die Früch­te tra­gen, die sich auch der Rest der Mensch­heit wünscht, der viel­leicht noch nicht so bewusst ist.
    Jeder von uns lebt in sei­ner eige­nen Welt und hat von dort eine Schnitt­stel­le zu der von ande­ren. Das bedeu­tet letzt­end­lich, dass wir das, was wir tun, vor allen Din­gen für uns selbst tun. Nie­mand hin­dert uns dar­an, zu wach­sen, außer wir selbst. Wenn es so weit ist, dann klet­tern wir allein eine Bewusst­seins­stu­fe weiter.
    In die­sem Sinne

  2. Ein tol­ler Text der sehr zum Nach­den­ken anregt. Es sind nur Klei­nig­kei­ten die das Leben ent­spann­ter machen kön­nen aber sie sind mach­bar und das zählt.

  3. Ein sehr nach­den­kens­wer­ter Bei­trag und man kann nur hof­fen das er vie­le erreicht, beson­ders in den so hip­pen Groß­städ­ten wie Berlin

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