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Demokratie-Kolumne, Teil 2:
Die NS-Geschichte der Osloer Straße 12

14. April 2024

Auch im Wedding finden sich – wie überall in Berlin und in Deutschland – zahlreiche Spuren von Zwangsarbeit, die während der Zeit des Nationalsozialismus geleistet werden musste. Häufig ohne dass die heutigen Bewohner:innen davon wissen. Auch auf dem Gelände der Fabrik Osloer Straße e.V. wurde Zwangsarbeit geleistet. Hier war die Streichholzmaschinen-Fabrik A. Roller angesiedelt und etwa 400 Menschen arbeiteten zwangsweise, um Teile für die Rüstungsproduktion herzustellen. Der Fabrik Osloer Straße e.V. beschäftigt sich nun mit der Geschichte des Ortes und will Spuren der NS-Zwangsarbeit im Wedding sichtbar machen.

Das Schild weist auf die Zündholzmaschinenfabrik A. Roller in der Osloer Straße 12 hin. Aktuell ist es vorübergehend nicht am Haus angebracht. Foto: Hensel
Das Schild weist auf die Zündholzmaschinenfabrik A. Roller in der Osloer Straße 12 hin. Aktuell ist es vorübergehend nicht am Haus angebracht. Foto: Hensel

Bereits vor fast 20 Jahren hat der Historiker Thomas Irmer mit Mitgliedern des Vereins die Geschichte der Zwangsarbeit auf dem Gelände erforscht. Herr Tandura, ein ehemaliger Zwangsarbeiter konnte nach Berlin eingeladen werden und hat hier mit Besucher:innen und Kolleg:innen der Fabrik, mit Schüler:innen und Auszubildenden über seine Erinnerungen an die Zwangsarbeit gesprochen. Heute wissen jedoch nur noch Wenige von diesem Besuch und auch, dass auf dem Gelände Zwangsarbeit geleistet werden musste. Eine Kollegin von Demokratie in der Mitte fand aber schnell Mitstreiter:innen und Interessierte für ihre Idee, sich erneut mit dem Thema zu beschäftigen und ein sichtbares Gedenkzeichen auf dem Gelände der Fabrik zu entwickeln.

Wie können wir ein Gedenkzeichen entwickeln?

Zuerst haben wir Einrichtungen gesucht, die uns mit ihrem Wissen und ihrer Expertise unterstützen konnten. Zu danken ist hier vor allem den Kolleg:innen des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide. Und wir hatten ja bereits die recherchierten Informationen zur Zwangsarbeit bei Roller. Eine wertvolle Vorarbeit, auf der wir sehr gut aufbauen konnten.

Workshop zur NS-Vergangenheit der Fabrik A. Roller. Foto: Fabrik Osloer Straße
Workshop zur NS-Vergangenheit der Fabrik A. Roller. Foto: Fabrik Osloer Straße

Um möglichst viele Nachbar:innen, Nutzer:innen und Kolleg:innen als Erstes über das Thema zu informieren, organisierten wir Ende letzten Jahres zwei Rundgänge zu „Spuren von NS-Zwangsarbeit entlang der Panke“. Zu jedem dieser Spaziergänge kamen fast 50 Interessierte, was uns überrascht und gefreut hat. Wir dachten das Thema der NS-Zwangsarbeit wäre keines, dass besonders viele Menschen an kalten Wintertagen vor die Tür lockt. Aber wir haben uns geirrt. Derzeit spüren viele Menschen, dass unsere liberale Demokratie durch neue rechte politische Positionen und weniger Akzeptanz von Vielfalt bedroht sind. Demokratie zu schützen ist eine Aufgabe von uns allen. Zum Beispiel durch die Beschäftigung mit den Geschichten von Orten des Nationalsozialismus in unserer Nachbarschaft, um unsere Mitmenschen auf die Gefahren menschenverachtender Positionen aufmerksam zu machen.

Am 22. Februar dieses Jahres fand dann eine Geschichtswerkstatt „Spuren der NS-Zwangsarbeit sichtbar machen“ in der Fabrik Osloer Straße e.V. statt. Es gab verschiedene, informative Vorträge - zu Einführung in NS-Zwangsarbeit, NS-Zwangsarbeit bei der Firma Roller + Besuch von Herrn Tandura, Gedenken und Erinnern im Stadtraum sowie in Berlin-Mitte. Doch zu Beginn interessierten uns die Gedanken, Geschichten und Ideen der Besucher:innen: Was verbinden die Menschen mit kollektivem Gedenken? Welche Ereignisse und Themen sind Ihnen wichtig zu erinnern? Wir stellten die Idee vor, gemeinsam im Austausch mit den Besucher:innen und Mitarbeiter:innen der Fabrik ein sichtbares Gedenkzeichen, welches zum Nachdenken anregt, zu entwickeln.

Wie geht es weiter?

Im nächsten Schritt wollen wir uns im Rahmen eines künstlerischen Workshops (Keine Angst, jede:r ist willkommen und kann sich einbringen!) dem Thema nähern. Wie könnte ein Gedenkzeichen in der Fabrik aussehen, dass mich anspricht? Was verbinde ich mit dem Thema der NS-Zwangsarbeit? An was möchte ich erinnern? Welche anderen Themen, die für mich wichtig sind, sind damit verbunden? Und wie passt das alles zu dem Ort und zur heutigen Zeit?

Wie es danach weitergeht auf dem Weg zu einem Gedenkzeichen in der Fabrik ist ein offener Prozess. Wir freuen uns über Interessierte, die sich uns anschließen möchten. Gerne bei Katja Korshikova melden unter [email protected] für mehr Informationen.

Blick in eine Broschüre zum 25. Gebutstag des Fabrik Osloer Straße e.V. im Jahr 2001. Links ist ein Auszug eines Geschäftsbuchs mit Aufträgen für die Rüstungsindustrie zu sehen. Rechts sind Sperrholzmaschinen in der Montagehalle in der Osloer Straße 12 abgebildet (1935). Foto: Fabik Osloer Straße e.V.
Blick in eine Broschüre zum 25. Gebutstag des Fabrik Osloer Straße e.V. im Jahr 2001. Links ist ein Auszug eines Geschäftsbuchs mit Aufträgen für die Rüstungsindustrie zu sehen. Rechts sind Sperrholzmaschinen in der Montagehalle in der Osloer Straße 12 abgebildet (1935). Foto: Fabik Osloer Straße e.V.

Weitere Spuren von Zwangsarbeit

Eigene davon sind in unserem Faltblatt zu „Spuren der Zwangsarbeit entlang der Panke“, dass wir kostenlos abgeben, beschrieben. Auf der Webseite des Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit https://www.ns-zwangsarbeit.de/home/ finden sich darüber hinaus Informationen zu ehemaligen Unterkunftslagern in Berlin, manche waren nur für wenige Personen, teils in Wohnungen und Hinterhöfen untergebracht, andere waren Barackenlager für hunderte Zwangsarbeiter:innen mitten in der Stadt. Auch an welchen Orten Zwangsarbeiter:innen (in Berlin allein eine halbe Million) eingesetzt wurden, ist vielfach dokumentiert und durch eine App zugänglich (verfügbar hier: https://human-commodity.de/).

Und wer in diesen warmen Frühlingstagen einen Ausflug machen möchte, dem empfehle ich die sehr sehenswerte Ausstellung im Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide, in den Baracken eines ehemaligen Lagers.

demokratieindermitte

Demokratie in der Mitte eine Fachstelle für Demokratie-Entwicklung und diskriminierungskritischer Arbeit, angesiedelt in der Fabrik Osloer Straße e.V. Mehr zum Projekt und den Angeboten steht auf www.demokratie-in-der-mitte.de.

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