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Bezirkspolitik diskutiert (BVV-Sitzung):
Ist das Geld alle? Plus: Café Leo, die 100.

Die Angst geht um in der Bezirkspolitik: Kehren die Sparjahre wieder? Und: Bei der Ausschreibung des Café Leo wird ums Kleingedruckte gekämpft.
29. Mai 2021
Geld

“Also eigent­lich ist das ein The­ma für nach der Wahl”, begin­nen die meis­ten Rede­bei­trä­ge in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) am Don­ners­tag, 27. Mai. Doch dis­ku­tiert wird schon heu­te. Schließ­lich geht’s ums Geld, um den Haus­halt. In Erwar­tung wie­der­auf­er­ste­hen­der Spar­de­bat­ten, wol­len Mit­tes Poli­ti­ker jetzt vor­sor­gen. Außer­dem: Das Café Leo steht zum x‑ten Mal auf der Tages­ord­nung der BVV. Die Poli­tik schreibt nun vor, wie das Amt den neu­en alten (oder doch den neu­en neu­en?) Betrei­ber fin­den soll. Hier die Einzelheiten.

Where is all the money gone, honey?

“Der nächs­te Senat wird viel mehr inves­tie­ren”, sag­te Innen­se­na­tor Andre­as Gei­sel von der SPD. Das war bei der Eröff­nung der Bade­sai­son vor einer Woche im Frei­bad Hum­boldt­hain. Sei­ne Bot­schaft: Die Sar­ra­zin-Jah­re mit “Spa­ren bis es quietscht” kom­men nie wie­der. Trotz Mehr­kos­ten der Pan­de­mie. Trotz Steu­er­aus­fäl­len. Auf Bezirks­ebe­ne sieht die Sache dage­gen düs­te­rer aus. “Das Haupt­pro­blem: Der Senat hat uns acht Mil­lio­nen zur Kon­so­li­die­rung auf­ge­zwun­gen”, berich­tet Bür­ger­meis­ter Ste­phan von Das­sel. Die Bezir­ke sol­len spa­ren. Pau­schal. Das weckt Erin­ne­run­gen. “Der Feh­ler darf nicht noch mal gesche­hen, dass Ein­schnit­te pas­sie­ren, die nicht pas­sie­ren hät­ten dür­fen”, sagt Sascha Schug von der SPD. Ben­ja­min Fritz von der CDU will Inves­ti­tio­nen sichern: “Wir müs­sen Schwer­punk­te für die nächs­ten Jah­re set­zen, etwa beim bau­li­chen Unter­halt der Schu­len”. Johan­nes Schnei­der von den Grü­nen sagt: “Nicht wie­der an den Struk­tu­ren spa­ren”, vor allem die Bil­dung sei zu schüt­zen. Und Thi­lo Urchs von den Lin­ken: “Auf uns kom­men Ver­tei­lungs­kämp­fe zu”. Mit­te müs­se kämp­fe­ri­scher gegen­über dem Senat auftreten.

Ein Haus mit einem Eingang und dem Schriftzug Rathaus Mitte
Anlauf zum Haus­halt. Rat­haus legt Eck­wer­te fest. Foto: And­rei Schnell

Eigent­lich ist es zu früh, um an den Bezirks­haus­halt mit den geplan­ten Aus­ga­ben für die Jah­re 2022 und 2023 zu den­ken. Das wäre vor­nehms­te Auf­ga­be der neu­en Ver­ord­ne­ten nach der Wahl im Herbst. Doch immer­hin Eck­wer­te sol­len fest­ge­zurrt wer­den. Die berühm­ten Pflö­cke, die ein­ge­schla­gen wer­den sol­len. Der Spar­wut vor­zu­beu­gen, das klingt ver­nünf­tig. Gleich­zei­tig ist die Lis­te der Eck­wer­te eine umfang­rei­che Wünsch-Dir-Was-Lis­te (sie­he Beschluss 3132). Zumin­dest dann, wenn man tat­säch­lich davon aus­gin­ge, dass das Geld knapp wird. Mot­to der Eck­wer­te scheint nicht Erhalt und Siche­rung zu sein, son­dern: Es darf ruhig ein biss­chen mehr sein. So soll die Stel­le des Kli­ma­schutz­be­auf­trag­ten zu einem Kli­ma­re­fe­rat wach­sen. Ange­stell­te Inge­nieu­re sol­len mehr ver­die­nen. Zusätz­li­che Stel­len für Rad­ver­kehrs­pla­nung sol­len geschaf­fen wer­den. Geld für ein Deko­lo­nia­li­sie­rungs-Kon­zept soll vor­han­den sein. Ehren­amt­li­che Arbeit in Stadt­teil­ver­tre­tun­gen und Quar­tiers­rä­ten soll mit Hono­ra­ren gewür­digt wer­den. Das klingt nach Maximalforderungen. 

Unab­hän­gig von der Wort­wahl (Maxi­mal­zie­le oder Eck­wer­te), eines ist klar: Die Debat­te zum jet­zi­gen Zeit­punkt ist ein Weck­ruf. Denn: “Wir alle wis­sen, dass nach der Wahl ein Kas­sen­sturz erfol­gen wird”, sagt Ste­phan von Das­sel. Im Herbst geht die Schlacht am kal­ten Bud­get erst rich­tig los. Falls Ber­lin wirk­lich das Geld ausgeht.

PS: Erin­nert sich jemand? 2017 titel­ten wir noch: Bezirks­haus­halt, es wie­der Geld da.

Café Leo, Klappe, die hundertste

Die beru­hi­gen­de Nach­richt zuerst: Das Café Leo soll erhal­ten blei­ben. Es soll auch wei­ter­hin halb kom­mer­zi­ell, halb sozi­al betrie­ben wer­den. Nied­ri­ge Kaf­fee­prei­se wird es wei­ter­hin geben. 

Strit­tig ist ledig­lich die Fra­ge, wer es betrei­ben soll. Wer unbe­tei­ligt ist, denkt viel­leicht: na, irgend­wer halt. Die Bezirks­po­li­tik ist offen­kun­dig nicht unbe­tei­ligt, son­dern ver­strickt. Man hängt sich rein. Sven Died­rich von den Lin­ken sagt: “Man muss die bis­he­ri­ge Arbeit des Betrei­bers wür­di­gen, auf das Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren hät­te ver­zich­tet wer­den kön­nen”. Das IBV (Inter­es­senbekun­dungsverfah­ren) ist eine offi­zi­el­le Suche von Amts wegen nach einem Betrei­ber. Und da kommt es auf das Klein­ge­druck­te an. Wie sind die Bedin­gun­gen? Sind die­se so for­mu­lier­te, dass alle, die Kaf­fee kochen kön­nen, sich betei­li­gen kön­nen? Oder so, dass nur Hüsey­in Ünlü eine Chan­ce hat. Wobei eine Aus­chrei­bung eigent­lich ein nor­ma­ler Vor­gang ist, der bei­na­he täg­lich vor sich geht. Immer wenn der Bezirk etwas ein­kauft oder einen Auf­trag­neh­mer sucht, muss das Amt schau­en, wer macht das bes­te Ange­bot. Der Auf­trag für den Leo­pold­platz lau­tet: zur Vor­beu­gung von Ver­wahr­lo­sung den Platz mit­tels eines Treffs für jeder­mann bele­ben. Bis­lang hat die­sen Job Hüsey­in Ünlü erle­digt. Ent­loh­nung: eine gerin­ge Stand­ort­mie­te und vor allem die Erlaub­nis für Gas­tro­no­mie auf einem als Grün­flä­che mar­kier­ten Ort. Nun sind vier Jah­re um, der Job muss tur­nus­mä­ßig öffent­lich aus­ge­schrie­ben werden.

Für Ben­ja­min Fritz von der CDU ist eine ergeb­nis­of­fe­ne Aus­schrei­bung ent­schei­dend: “Es darf kei­ne Frei­fahrt­schei­ne geben”. Und “ein Inter­es­sen­be­kun­dungs­ver­fah­ren ist drin­gend gebo­ten, üblich und ange­mes­sen”. Susan­ne Fischer von der SPD klingt ähn­lich: “Wir wol­len ein offe­nes, ehr­li­ches und fai­res Ver­fah­ren”. Aber sie meint: ein Ver­fah­ren, das Hüsey­in Ünlü nicht von vorn­her­ein aus­schließt. Sie denkt, der Bezirk will die Aus­schrei­bung so for­mu­lie­ren, dass der jet­zi­ge Café-Inha­ber benach­tei­ligt ist. Ben­ja­min Fritz befürch­tet genau das Gegen­teil: “Soll die Aus­schrei­bung etwa auf den aktu­el­len Betrei­ber zuge­schnit­ten werden?” 

Und Sebas­ti­an Pie­per von der CDU sieht Gefah­ren, wenn die Poli­tik in das Ver­fah­ren ein­greift: “Es über­schrei­tet die Kom­pe­ten­zen der Bezirks­po­li­tik, in die urei­gens­te Arbeit der Ver­wal­tung, in die Durch­füh­rung einer Aus­schrei­bung, hin­ein­zu­re­den.” Recht­li­che Pro­ble­me könn­ten ent­ste­hen, unter­le­ge­ne Bewer­ber könn­ten mög­li­cher­wei­se klagen. 

Am Ende stim­men Grü­ne, SPD und Lin­ke für den Antrag 3188. Damit bekommt das Bezirks­amt umfang­rei­che und detail­lier­te Vor­ga­ben für sei­ne Suche nach einem neuen/alten Betrei­ber. Ist damit alles klar und Hüsey­in Ünlü wei­ter der Imbiss­mann vom Leo­pold­platz? Ob die mehr­heit­lich von der BVV beschlos­se­nen Vor­ga­ben dazu füh­ren, dass der alte tat­säch­lich auch der neue Besit­zer sein wird, das bleibt für Unbe­tei­lig­te eine Fra­ge, die eine Wet­te lohnt.

Bei­trä­ge zum Café Leo aus die­sem Jahr: Stadt­teil­ver­tre­tung: Das Café Leo muss blei­ben vom 9. Febru­ar und Star­kes Votum fürs Café Leo vom 9. Februar.

Die BVV in den Augen der Parteien

Eini­ge Par­tei­en berich­ten auf ihren Web­sei­ten über ihre jewei­li­gen Anträ­ge und Anfra­gen: SPD, Grü­ne, Lin­ke, CDU.

Für Poli­tik­nerds stellt das Bezirks­amt sämt­li­che Infor­ma­tio­nen für die selb­stän­di­ge Sor­tie­rung bereit.

Der Weddingweiser berichtet aus der BVV
Der Wed­ding­wei­ser berich­tet aus der BVV

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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