“Also eigentlich ist das ein Thema für nach der Wahl”, beginnen die meisten Redebeiträge in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am Donnerstag, 27. Mai. Doch diskutiert wird schon heute. Schließlich geht’s ums Geld, um den Haushalt. In Erwartung wiederauferstehender Spardebatten, wollen Mittes Politiker jetzt vorsorgen. Außerdem: Das Café Leo steht zum x‑ten Mal auf der Tagesordnung der BVV. Die Politik schreibt nun vor, wie das Amt den neuen alten (oder doch den neuen neuen?) Betreiber finden soll. Hier die Einzelheiten.
Where is all the money gone, honey?
“Der nächste Senat wird viel mehr investieren”, sagte Innensenator Andreas Geisel von der SPD. Das war bei der Eröffnung der Badesaison vor einer Woche im Freibad Humboldthain. Seine Botschaft: Die Sarrazin-Jahre mit “Sparen bis es quietscht” kommen nie wieder. Trotz Mehrkosten der Pandemie. Trotz Steuerausfällen. Auf Bezirksebene sieht die Sache dagegen düsterer aus. “Das Hauptproblem: Der Senat hat uns acht Millionen zur Konsolidierung aufgezwungen”, berichtet Bürgermeister Stephan von Dassel. Die Bezirke sollen sparen. Pauschal. Das weckt Erinnerungen. “Der Fehler darf nicht noch mal geschehen, dass Einschnitte passieren, die nicht passieren hätten dürfen”, sagt Sascha Schug von der SPD. Benjamin Fritz von der CDU will Investitionen sichern: “Wir müssen Schwerpunkte für die nächsten Jahre setzen, etwa beim baulichen Unterhalt der Schulen”. Johannes Schneider von den Grünen sagt: “Nicht wieder an den Strukturen sparen”, vor allem die Bildung sei zu schützen. Und Thilo Urchs von den Linken: “Auf uns kommen Verteilungskämpfe zu”. Mitte müsse kämpferischer gegenüber dem Senat auftreten.
Eigentlich ist es zu früh, um an den Bezirkshaushalt mit den geplanten Ausgaben für die Jahre 2022 und 2023 zu denken. Das wäre vornehmste Aufgabe der neuen Verordneten nach der Wahl im Herbst. Doch immerhin Eckwerte sollen festgezurrt werden. Die berühmten Pflöcke, die eingeschlagen werden sollen. Der Sparwut vorzubeugen, das klingt vernünftig. Gleichzeitig ist die Liste der Eckwerte eine umfangreiche Wünsch-Dir-Was-Liste (siehe Beschluss 3132). Zumindest dann, wenn man tatsächlich davon ausginge, dass das Geld knapp wird. Motto der Eckwerte scheint nicht Erhalt und Sicherung zu sein, sondern: Es darf ruhig ein bisschen mehr sein. So soll die Stelle des Klimaschutzbeauftragten zu einem Klimareferat wachsen. Angestellte Ingenieure sollen mehr verdienen. Zusätzliche Stellen für Radverkehrsplanung sollen geschaffen werden. Geld für ein Dekolonialisierungs-Konzept soll vorhanden sein. Ehrenamtliche Arbeit in Stadtteilvertretungen und Quartiersräten soll mit Honoraren gewürdigt werden. Das klingt nach Maximalforderungen.
Unabhängig von der Wortwahl (Maximalziele oder Eckwerte), eines ist klar: Die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Weckruf. Denn: “Wir alle wissen, dass nach der Wahl ein Kassensturz erfolgen wird”, sagt Stephan von Dassel. Im Herbst geht die Schlacht am kalten Budget erst richtig los. Falls Berlin wirklich das Geld ausgeht.
PS: Erinnert sich jemand? 2017 titelten wir noch: Bezirkshaushalt, es wieder Geld da.
Café Leo, Klappe, die hundertste
Die beruhigende Nachricht zuerst: Das Café Leo soll erhalten bleiben. Es soll auch weiterhin halb kommerziell, halb sozial betrieben werden. Niedrige Kaffeepreise wird es weiterhin geben.
Strittig ist lediglich die Frage, wer es betreiben soll. Wer unbeteiligt ist, denkt vielleicht: na, irgendwer halt. Die Bezirkspolitik ist offenkundig nicht unbeteiligt, sondern verstrickt. Man hängt sich rein. Sven Diedrich von den Linken sagt: “Man muss die bisherige Arbeit des Betreibers würdigen, auf das Interessenbekundungsverfahren hätte verzichtet werden können”. Das IBV (Interessenbekundungsverfahren) ist eine offizielle Suche von Amts wegen nach einem Betreiber. Und da kommt es auf das Kleingedruckte an. Wie sind die Bedingungen? Sind diese so formulierte, dass alle, die Kaffee kochen können, sich beteiligen können? Oder so, dass nur Hüseyin Ünlü eine Chance hat. Wobei eine Auschreibung eigentlich ein normaler Vorgang ist, der beinahe täglich vor sich geht. Immer wenn der Bezirk etwas einkauft oder einen Auftragnehmer sucht, muss das Amt schauen, wer macht das beste Angebot. Der Auftrag für den Leopoldplatz lautet: zur Vorbeugung von Verwahrlosung den Platz mittels eines Treffs für jedermann beleben. Bislang hat diesen Job Hüseyin Ünlü erledigt. Entlohnung: eine geringe Standortmiete und vor allem die Erlaubnis für Gastronomie auf einem als Grünfläche markierten Ort. Nun sind vier Jahre um, der Job muss turnusmäßig öffentlich ausgeschrieben werden.
Für Benjamin Fritz von der CDU ist eine ergebnisoffene Ausschreibung entscheidend: “Es darf keine Freifahrtscheine geben”. Und “ein Interessenbekundungsverfahren ist dringend geboten, üblich und angemessen”. Susanne Fischer von der SPD klingt ähnlich: “Wir wollen ein offenes, ehrliches und faires Verfahren”. Aber sie meint: ein Verfahren, das Hüseyin Ünlü nicht von vornherein ausschließt. Sie denkt, der Bezirk will die Ausschreibung so formulieren, dass der jetzige Café-Inhaber benachteiligt ist. Benjamin Fritz befürchtet genau das Gegenteil: “Soll die Ausschreibung etwa auf den aktuellen Betreiber zugeschnitten werden?”
Und Sebastian Pieper von der CDU sieht Gefahren, wenn die Politik in das Verfahren eingreift: “Es überschreitet die Kompetenzen der Bezirkspolitik, in die ureigenste Arbeit der Verwaltung, in die Durchführung einer Ausschreibung, hineinzureden.” Rechtliche Probleme könnten entstehen, unterlegene Bewerber könnten möglicherweise klagen.
Am Ende stimmen Grüne, SPD und Linke für den Antrag 3188. Damit bekommt das Bezirksamt umfangreiche und detaillierte Vorgaben für seine Suche nach einem neuen/alten Betreiber. Ist damit alles klar und Hüseyin Ünlü weiter der Imbissmann vom Leopoldplatz? Ob die mehrheitlich von der BVV beschlossenen Vorgaben dazu führen, dass der alte tatsächlich auch der neue Besitzer sein wird, das bleibt für Unbeteiligte eine Frage, die eine Wette lohnt.
Beiträge zum Café Leo aus diesem Jahr: Stadtteilvertretung: Das Café Leo muss bleiben vom 9. Februar und Starkes Votum fürs Café Leo vom 9. Februar.
Die BVV in den Augen der Parteien
Einige Parteien berichten auf ihren Webseiten über ihre jeweiligen Anträge und Anfragen: SPD, Grüne, Linke, CDU.
Für Politiknerds stellt das Bezirksamt sämtliche Informationen für die selbständige Sortierung bereit.