Aktualisiert 2017: Viele Automaten-Casinos sollen ab August 2016 schließen, weil dann das Mindestabstandsgesetz gilt. Ein Betreiber eines Casinos findet das Gesetz erwartungsgemäß ungerecht. Aber heißt das, dass sich ab August aus Sicht der Weddinger die Situation rund ums Geldspiel verbessert? Der Casino-Betreiber nutzt die Gelegenheit, seine Sicht darzustellen. Eine Sicht, die provoziert.
Florian Dzyck ist Betreiber einer Spielhalle und ist sichtlich erregt. Er spricht hektisch, als wolle er verhindern, dass er einen seiner vorbereiteten Gedanken vergisst. Im Kern geht es ihm darum zu sagen, dass das neue Gesetz ausgerechnet die “ehrlichen Betreiber” vom Markt verdrängen würde. Gemeint ist das “Gesetz zur Umsetzung des Mindestabstands nach dem Spielhallengesetz Berlin für Bestandsunternehmen”. Es regelt, welche Casinos schließen müssen, weil sie den Mindestabstand von 500 Metern zu anderen Spielhallen nicht einhalten.
Spielhallengesetze und andere Spielbetriebe
Florian Dzyck meint, dass sein Gewerbe im Vergleich zu verwandten Branchen im Markt des Geldspiels schon immer stark reguliert wird. Sein Gewerbe ist das Aufstellen von Glückspielautomaten, wie er sagt. Diese Automaten seien aber nur ein Teil des Glücksspiels in Deutschland. Er sagt, dass die Spielbanken wie die am Potsdamer Platz viel schwächeren Auflagen unterliegen würden als sein Casino mit wenigen Automaten. Das Spielbank-Gesetz sei weniger streng, obwohl es dort um viel größere Einsätze und Umsätze ginge.
Und dann, so Florian Dzyck, gebe es da noch den Graubereich der Wettbüros, die vom neuen Gesetz nicht erfasst würden. Und man dürfe das unzureichend geregelte Glücksspiel im Internet nicht übersehen. Und nicht zuletzt gebe es die illegalen Betreiber, die sich erst gar nicht anmeldeten und sich an keinerlei Auflagen hielten – und das manchmal jahrelang. Und außerdem gebe es die Schein-Gastronomen, die eine kleine Gastrolizenz beantragen, bloß um drei Automaten aufstellen zu können. „Warum wird es ausgerechnet denjenigen unter den Automaten-Aufstellern, die sich an die Regeln halten, schwer gemacht?“, fragt Florian Dzyck.
Wozu wird das neue Gesetz führen?
Für Florian Dzyck bedeutet das Gesetz, dass er mindestens eines seiner zwei baulich getrennten Casinos auf einer Etage schließen muss. Welchen der beiden Betriebe er beenden wird, weiß er noch nicht, weil im Detail noch unklar ist, von welchem Punkt aus die 500 Meter gemessen werden. Es könne passieren, dass er beide schließen muss.
Indem der Casino-Betreiber mit zwei Auszubildenden zum Automatenfachmann dafür wirbt, „dass auch einmal unsere Sicht gezeigt wird”, hat er unbeabsichtigt eine ganz andere Frage aufgeworfen. Wird ab Ausgust 2016 wirklich alles gut? Werden die Einkaufsstraßen wieder schön? Werden im Wedding die Ladenschilder “Casino” in einige wenige Nebenstraßen verlegt, wie es in den meisten Ortsteilen Berlins bereits jetzt der Fall ist? Oder werden im Wedding statt der Casinos die Wettbüros und die Café-Casinos mit drei Automaten das Bild bestimmen?
Nachtrag: Das ab August geltende Gesetz
Die Meisten wissen mittlerweile, dass seit dem 6. April in Berlin das “Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin”, abgekürzt MindAbstUmsG Bln, gilt. Es regelt ab dem 1. August 2016 für die bereits bestehenden Spielhallen die so genannte 500 Meter-Abstandsregel zu anderen Spielhallen und zu Jugendeinrichtungen. Ein wichtiges Element in diesem Gesetz ist der Losentscheid. Experten schätzen, dass ab August die Anzahl der Spielhallen in Berlin drastisch zurückgehen wird.
Nachtrag Mai 2017: Auf eine mündliche Anfrage von Felix Hemmer, Fraktionsvorsitzender der FDP in der BVV Mitte, hieß es nun: „Insgesamt haben 133 Unternehmen Anträge auf Teilhabe am Sonderverfahren nach dem Mindestabstandsumsetzungsgesetz (MindAbstUmsG) gestellt. Das Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen, sodass sich konkretere Aussagen hierzu nicht treffen lassen.“ Heißt so viel wie: nix passiert. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Spielhallen in Berlin lediglich um 38 gesunken. (Tagesspiegel-Leute Newsletter Berlin-Mitte, 26.5.17)
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Der Weddingweiser hat das Thema Spielcasino seit langem verfolgt: Zwei Jahre lang Gewinn gemacht, Was kommt nach den Spielhallen?, Brunnenstraße wird zur Spielstraße.
Beitrag über die Auswirkungen des Gesetzes
Für Juristen der Wortlaut des Mindestabstandsgesetz.
Stellungnahme zum Gesetz von Seiten der Deutschen Automatenwirtschaft.
Die Sicht eines der Gesetzesveranlasser, Daniel Buchholz, auf das neue Spielhallen-Gesetz.
Text und Fotos: Andrei Schnell