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Die Brunnenstraße wird zur Spielstraße

23. Juni 2015
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Casinos und Wettbüros auf 100 Meter Brunnenstraße.
Casi­nos und Wett­bü­ros auf 100 Meter Brunnenstraße.

Die Post­fi­lia­le ist weg, das Laden­ge­schäft des Kopier­la­dens steht seit kur­zem leer, zwei Super­märk­te haben geschlos­sen, die Cowor­king-Stu­di­os sind Geschich­te. Ende Juni ver­lässt ein wei­te­rer Hof­fungs­trä­ger den Wed­din­ger Teil der Brun­nen­stra­ße: das Krea­tiv­zen­trum Super­markt. Jetzt ärgern sich die Anwoh­ner über die Eröff­nung eines wei­te­ren Wett­bü­ros im ehe­ma­li­gen Hos­tel am U‑Bahnhof Vol­ta­stra­ße. Sie fin­den, dass es mit der Brun­nen­stra­ße immer wei­ter berg­ab geht.

Die Brun­nen­stra­ße war einst eine leben­di­ge Ein­kaufs- und Ver­gnü­gungs­mei­le. Der Teil auf heu­ti­gem Wed­din­ger Gebiet hat­te sei­ne Blü­te vor über 100 Jah­ren – als die Heil­quel­le und der Kur­be­trieb nahe der Bad­stra­ße die Gegend beleb­ten. Ihre bes­te Zeit hat die Stra­ße hin­ter sich: Mit Schlie­ßung der Heil­quel­le, der Kahl­schlag­sa­nie­rung und dem Mau­er­bau fiel die Stra­ße aus ihrem gewach­se­nen Gefü­ge. Die Bemü­hun­gen und Kon­zep­te, die Gewer­be­struk­tur in der Brun­nen­stra­ße zu ver­bes­sern, grei­fen nur teil­wei­se. In den letz­ten Jah­ren haben immer mehr Spiel­ca­si­nos und Wett­bü­ros die leer ste­hen­den Gewer­be­räu­me übernommen.

Geschlossen: Hoffnungsträger Supermarkt.
Geschlos­sen: Hoff­nungs­trä­ger Supermarkt.

Als 2010 ein gro­ßes Casi­no in einem der Pavil­lons am U‑Bahnhof Vol­ta­stra­ße eröff­ne­te, war man auch beim kom­mu­na­len Woh­nungs­un­ter­neh­men dege­wo ver­är­gert. Die dege­wo bemüht sich seit Mit­te der 90er Jah­re um die Sta­bi­li­sie­rung des Brun­nen­vier­tels. „Als offen­si­ves Zei­chen gegen das Casi­no haben wir direkt dane­ben eine Spiel­sucht­be­ra­tungs­stel­le ein­ge­rich­tet“, erklärt die dege­wo die Eröff­nung des Bera­tungs­pa­vil­lons direkt neben der Spiel­hal­le. Die­ses Zei­chen konn­te die Ent­wick­lung jedoch nicht auf­hal­ten. Aktu­ell befin­den sind auf den betref­fen­den 100 Metern Brun­nen­stra­ße ins­ge­samt sie­ben Spiel­stät­ten und Wettbüros.

Als im Früh­jahr das Hos­tel am U‑Bahnhof Vol­ta­stra­ße aus­zog, ahn­te nie­mand, dass hier eine Sports­bar eröff­nen wür­de. Doch in der letz­ten Woche konn­te es jeder sehen. „Ich dach­te, wir woll­ten ver­su­chen, die Anzahl der Spiel­hal­len zu redu­zie­ren?“, ärgert sich eine Anwoh­ne­rin. Eine Gewer­be­trei­ben­de aus einem nahen Geschäft fragt, wie so etwas direkt unter einer Kita mög­lich ist. Auch das Quar­tiers­ma­nage­ment ist über­rascht von dem neu­en Mie­ter und hat ange­kün­digt, sich an die Bezirks­ver­ord­ne­ten zu wenden.

Vie­le der wüten­den Wort­mel­dun­gen im Kiez dre­hen sich in die­sen Tagen auch um das Ber­li­ner Spiel­hal­len­ge­setz, mit dem die Eröff­nung von immer mehr Spiel­hal­len ver­hin­dert wer­den soll. Zu den Auf­la­gen gehö­ren ein Min­dest­ab­stand von 500 Metern zwi­schen zwei Casi­nos und eine Begren­zung der Auto­ma­ten pro Hal­le. Außer­dem dür­fen Spiel­hal­len nicht in der Nähe von Kin­der- und Jugend­ein­rich­tun­gen eröff­net wer­den. „In dem Haus ist doch ein Kin­der­gar­ten. Wie kann das nur sein? Wer geneh­migt denn so etwas“, fragt eine Pas­san­tin, die nicht ver­steht, wie­so genau an die­ser Stel­le ein Wett­bü­ro eröff­nen darf. Doch ein Wett­bü­ro ist kein Casi­no, und seit Casi­nos per Gesetz stark regle­men­tiert wer­den, schie­ßen die Wett­bü­ros nur so aus dem Boden. Nach Ansicht der wüten­den Brun­nen­viert­ler ist das eine Lücke im Gesetz, die die Poli­tik schlie­ßen muss.

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

8 Comments

  1. […] Der Wed­ding­wei­ser hat das The­ma Spiel­ca­si­no seit lan­gem ver­folgt: Zwei Jah­re lang Gewinn gemacht, Was kommt nach den Spiel­hal­len?, Brun­nen­stra­ße wird zur Spielstraße. […]

  2. Es klingt para­dox, aber die­se Wett­bü­ros wer­den ganz gezielt in Gegen­den auf­ge­macht, wo es den Leu­ten nicht gut geht – denn da ist das Ver­lan­gen nach “Glück” am gröss­ten. Wo die Leu­te für Spiel­sucht am anfäl­ligs­ten sind. Und in Gegen­den mit hohem Migran­ten­an­teil, vie­len Kin­dern, hoher Arbeits­lo­sig­keit. gerin­gem Bil­dungs­durch­schnitt. Dass die Bezirks­äm­ter da mit­ma­chen ist ein ech­ter Skandal.

  3. “Wer geneh­migt denn so etwas?” Genau das fra­ge ich mich auch! Ich kann nicht ver­ste­hen, wie­so man die Aus­brei­tung die­ser zwie­lich­ti­gen Wett­bü­ros nicht ver­hin­dern kann. >.<

  4. ne, ne das ist wie mit dem Zitro­nen­fal­ter, der fal­tet auch kei­ne Zitro­nen. In Spiell­hal­len wird nicht gespielt (bzw nicht vor­wie­gend) son­dern gewa­schen und zwar Geld, genau­so wie eben in Wettbüros!

  5. Tja, lie­be Wed­din­ger – offen­sicht­lich gibt es genü­gend Anwoh­ner, die dort ihr Geld ver­bal­lern kön­nen. Andern­falls gäbe es die­se Loka­le doch gar nicht.

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