Wie in keinem anderen Teil von Berlin-Wedding spiegeln sich in diesem grünen Viertel Weltanschauungen und politische Einflüsse in den Straßennamen und in der Architektur der Gebäude. Togostraße, Kameruner Straße, Swakopmunder Straße - im ansonsten unscheinbar wirkenden Wohngebiet östlich des Volksparks Rehberge tragen die Straßen exotisch anmutende Namen. Das Gelände des späteren Volksparks war vom Hamburger Kaufmann Carl Hagenbeck für eine Ausstellung vorgesehen, in der auch Afrikaner zur Schau gestellt werden sollten.
Straßennamen repräsentieren deutsche Kolonialgeschichte
Das Viertel weist mehrere Bauphasen auf: am Ende des 19. Jahrhunderts wurde mit der planmäßigen Anlage zwischen See- und Otawistraße begonnen. Die Benennung der Straßen erfolgte aus einer kolonialen Euphorie heraus, die das Deutsche Reich damals erfasst hatte. Mit der “Kongo-Konferenz”, einer Afrika-Konferenz der europäischen Großmächte in Berlin im Jahre 1884⁄85 wurde der afrikanische Kontinent willkürlich aufgeteilt. Neue Grenzen zerrissen die angestammten Siedlungsräume der afrikanischen Völker. Für das Deutsche Reich fiel nur ein vergleichsweise kleines Stück vom Kuchen ab, nämlich Kamerun, Togo, Deutsch-Südwest (heute Namibia), Deutsch-Ostafrika und Sansibar (heute Tansania). Nach diesen so genannten “Schutzgebieten” wurden die ersten Straßen im Afrikanischen Viertel benannt.
Auch drei Persönlichkeiten der deutschen Afrikapolitik wurden mit Straßennamen geehrt: Gustav Nachtigal, Franz Adolf Lüderitz und Carl Peters. Sie hatten dazu beigetragen, Teile des Kontinents militärisch oder durch Kaufverträge für deutsche Interessen zu sichern. Dabei wurde wenig Rücksicht auf die Urbevölkerung genommen- blutiger Höhepunkt war die Niederschlagung des Herero-Aufstands von 1904 bis 1908.
Nach dem Verlust der deutschen Kolonien 1918 erfolgten weitere Straßenbenennungen – man wollte sich nicht damit abfinden, dass es eine deutsche Kolonialpolitik nicht mehr geben sollte.
Den Bewohnern des Afrikanischen Viertels ist die Bedeutung der Namen nahezu unbekannt. Zusatztafeln, die eine historische Einordnung der Straßenbezeichnungen erlauben, fehlen bis heute . Einige Parteien, antirassistische Initiativen oder Vereine, die sich der Aufarbeitung der kolonialen Geschichte verschrieben haben, forderten die Umbenennung einzelner Straßen. Vor allem die drei Namen Lüderitzstraße, Nachtigalplatz und Petersallee standen im Kreuzfeuer der Kritik. Zwei Namen sind im Dezember 2022 geändert worden (Nachtigalplatz > Manga-Bell-Platz, Lüderitzstraße > Cornelius-Fredericks-Straße). Über den historischen Kontext des Viertels informiert eine Stele an der Müllerstraße / Ecke Otawistraße. Inzwischen ist eine mobile Website mit Audioguides hinzugekommen, die der historisch interessierte Besucher mit seinem Smartphone bei einem Spaziergang herunterladen kann.
Moderne Architektur im Afrikanischen Viertel
In den 1920ern Jahren, als der Wedding ein eigenständiger Bezirk in Berlin war, waren die dort regierenden Sozialdemokraten besonders aufgeschlossen gegenüber dem “Neuen Bauen”, das den Wohnungsbau reformieren sollte. Zudem verfügte der Bezirk über große Freiflächen im Nordosten. So kam es, dass gerade dort besonders viele Reformansätze bei den neu zu errichtenden Wohnhäusern ausprobiert wurden.
Um 1927 entstanden nach Entwürfen des Architekten Ludwig Mies van der Rohe in der südlichen Afrikanischen Straße vier Häuserzeilen, die für die damalige Zeit eine besonders rationelle und auf das Wesentliche reduzierte Bauweise darstellen. Mies van der Rohe leitete zeitgleich auch die Planung der als wegweisend angesehenen Weißenhof-Siedlung in Stuttgart und war dort für den Bau eines Wohngebäudes verantwortlich.
Ideologisches Bauen und Versperren
1929 wurde der erste Bauabschnitt des nach damals sehr modernen landschaftsplanerischen Kriterien angelegten Volksparks Rehberge westlich des Afrikanischen Viertels fertiggestellt. In den Jahren bis 1931 entstand am nördlichen Rand die Friedrich-Ebert-Siedlung, ein frühes Beispiel modernen Bauens der Architekten Mebes, Emmerich und Bruno Taut. Was in der Nachkriegszeit beim Wiederaufbau “normal” wurde, war hier noch eine Pionierleistung: Konsequent wurden die Häuser in Zeilenbauweise und mit Flachdächern versehen errichtet. Dadurch hat jede der 1.700 Wohnungen einen Blick auf die Grünflächen zwischen den Häuserreihen. Neu war auch, dass auf Schmuckelemente verzichtet wurde – nur die Anordnung von Fenstern und Treppenhäusern sorgt für eine Fassadengliederung. Die Siedlung wurde nach dem sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert benannt, zu dessen Ehren man einen Gedenkstein errichtete. Den Nationalsozialisten war dies ebenso ein Dorn im Auge wie die Architektur der Siedlung: Der Gedenkstein wurde kurzerhand entfernt, die Siedlung umbenannt und nach Süden hin mit einer die Sichtachse versperrenden Bebauung in konservativerem Stil ergänzt. Aus der Zeit um 1940 stammt die gesamte Bebauung zwischen Nachtigalplatz/Petersallee und der Otawistraße. Die Gebäude sind ähnlich schlicht gehalten wie die Friedrich-Ebert-Siedlung, jedoch verfügen die Häuser wieder über Satteldächer. Der Gedenkstein wurde zwischenzeitlich wieder als Kopie an der Afrikanischen Straße (nahe Swakopmunder Str.) aufgestellt.
Erwähnt werden sollten auch die Häuser in der Sansibarstraße, die zwar nicht mehr über Hinterhäuser verfügen, aber immer noch an der durchgehenden Blockrandbebauung festhalten. Nur im vergleichsweise großen Block Sansibar-/Togo-/Otawistr./Afrikanische Str. haben die Architekten das “Verbot” von Hinterhäusern umgangen: Zur Afrikanischen Straße hin öffnet sich der begrünte Hof, und anstelle eines Vorderhauses gibt es hier zwei einzeln stehende “Torhäuser”. In Verbindung mit dem ockerfarbenen Anstrich bietet die Wohnanlage mit Ausrichtung auf den Volkspark Rehberge einen repräsentativen Anblick.
Hinter gleichförmigen Wohnbauten an der Togostraße liegt die Kleingartenanlage “Togo e.V.”, eine planmäßig errichtete Kleingartenanlage aus dem Jahr 1939. Auch wenn sich der früher verwendete Begriff Kolonie eindeutig auf die Schrebergärten bezieht, ist der Name – in Verbindung mit der ehemaligen deutschen Kolonie Togo – nicht weniger umstritten als einige andere Straßennamen des Afrikanischen Viertels.
Ein wenig bürgerlicher, vorstädtischer und grüner als die anderen Kieze des Wedding – das Afrikanische Viertel ist seit einiger Zeit aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Neue Cafés, sogar Bars und Galerien tauchen als erste Vorboten einer Veränderung der Nachbarschaft auf – ohne dass sich der Charakter des Kiezes bis jetzt wesentlich gewandelt hätte. Übrigens wohnen tatsächlich überdurchschnittlich viele Afrikanischstämmige im Kiez.
Artikel über die Kameruner Straße
Filmprojekt Müller Ecke Afrika
mehr Informationen zu den Straßennamen im Einzelnen
[…] dieses Bild passten die alten Schilder des Dauer-Kleingartenvereins Togo im Afrikanischen Viertel allerdings nicht. Auch wenn der Name längst in „Dauer-Kleingartenverein Togo“ geändert wurde, […]
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[…] ist ungefähr zwei Kilometer lang und erstreckt sich vom Nachtigalplatz im nördlichen Afrikanischen Viertel bis hin zum Zeppelinplatz direkt am Campus der Beuth-Hochschule. Auch der Zeppelinplatz wird just […]
[…] sagt Christian. Der 55-Jährige wohnt ganz in der Nähe. Die FLOP-Bar ist im eher betulichen Afrikanischen Viertel tatsächlich etwas Einmaliges. Bisher wohnten in der großen Mehrzahl Senioren und alteingesessene […]
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[…] Was hatte es mit dem deutschen Kolonialismus auf sich und welche Rolle spielte dabei Berlin? Das Afrikanische Viertel ist ein einmaliger Ort, um mehr darüber zu […]
[…] postkoloniale Initiativen, stellen diese Schilder einen regelrechten Affront dar. Wie fast alle Straßennamen im Afrikanischen Viertel stammt dieser Namensbezug zum westafrikanischen Land Togo aus der Kaiserzeit. Das 56.000 […]
[…] Lüderitz. Ja, das gibt es auch. An den Scheiben nennt sich’s Frederick’s. Das koloniale Erbe wurde den Machern später erst klar. Also nennt sich’s Frederick’s. Eine moderne Café-Bar an […]
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[…] viel bewirken: es würde sicher schon viel ändern, wenn Zusatzschilder die Widmung der bisherigen Straßennamen erläutern und eine historische Einordnung der Namensgebung […]
[…] Beitrag über das Afrikanische Viertel […]
[…] fühlen sich Afrikaner in einem Viertel, in dem Straßennamen an Personen erinnern, die in ihrem Kontinent für schwere Verbrechen verantwortlich waren? […]
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[…] sie eigentlich Café Lüderitz heißt, aber nach einem Hinweis auf den schlechten Ruf des Herrn Lüderitz noch in der Gründungsphase in „Fredericks“, nach einem afrikanischen Freiheitskämpfer, […]
[…] belgischen Städten und nach Luxemburg benannt (der Brüsseler Kiez). Ebenso verfuhr man auch im Afrikanischen Viertel, das in der Kolonialbegeisterung des Deutschen Kaiserreichs zahlreiche afrikanische Straßennamen […]
[…] was bedeuten die Straßennamen für uns? Für die meisten ist das Afrikanische Viertel wie das Holländische oder das Englische Viertel einfach nur eine Kiezbezeichnung. Ein Trugschluss: […]
[…] Entwicklung zu verbessern. Mit der Togostraße im Afrikanischen Viertel wurde ein Bereich im Afrikanischen Viertel ausgewählt, der bislang wenig durch Förderprogramme erfasst wurde. Ziel ist es, die Togostraße […]
Bitte das Wort “Schwarzafrikaner” streichen – es handelt sich hierbei um einen veralteteten, kolonial-geprägten, rassistischen Begriff!
[…] schmutzig. Die Sonnenstrahlen sind zu schwach, um den Winterfrost annähernd bezwingen zu können. Das Afrikanische Viertel im Berliner Stadtteil Wedding harmoniert in seiner Architektur farblich mit dem unreinen Schnee. An der Schnittstelle zwischen […]
[…] Entdeckung der Kieze rund um die Malplaquetstraße und die Osramhöfe, den Brüsseler Kiez, das Afrikanische Viertel und das Englische […]
[…] Togo benannt – im Zuge der kolonialen Begeisterung im wilhelminischen Kaiserreich wurden alle Straßen im umliegenden Viertel nach solchen Orten oder Gebieten benannt. Die Togostraße ist dabei so etwas […]
[…] auf der Rückseite. In diesen Texten wird aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Geschichte des Afrikanischen Viertels, des deutschen Kolonialismus in Afrika und des afrikanischen Widerstands eingegangen. Eigentlich […]
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[…] Pionierbauten im Stil der Neuen Sachlichkeit gelten die Wohnkuben Ludwig Mies van der Rohes an der Afrikanischen Straße. Anregende Vergleiche bieten die gleichzeitigen Wohnbauten von Erich Glass an der Edinburger […]
[…] der Gefahr einer Explosion ist am Dienstagabend ein Mehrfamilienhaus in der Togostraße in Berlin-Wedding geräumt worden, meldet DPA. Aus einer Propangasflasche ausgeströmtes Gas habe […]
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