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Aus Nachtigalplatz und Lüderitzstraße wird …

28. Februar 2018
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Schon  fast gestri­chen: Lüderitzstraße

Aus einer kolo­nia­len Begeis­te­rung in der Kai­ser­zeit her­aus wur­den im Afri­ka­ni­schen Vier­tel Stra­ßen nach Prot­ago­nis­ten der deut­schen Kolo­ni­al­ge­schich­te, Städ­ten, Flüs­sen oder Län­dern Afri­kas benannt. Im letz­ten Jahr sorg­ten Ideen für den Ersatz umstrit­te­ner Stra­ßen­na­men in ganz Ber­lin und dar­über hin­aus für Furo­re. Nun lie­gen neue Namens­vor­schlä­ge für den Nach­ti­gal­platz, die Lüde­ritz­stra­ße und die Peter­s­al­lee vor, die am Don­ners­tag (1.3.) vor­ge­stellt wer­den. Sie läu­ten die nächs­te Run­de in der Aus­ein­an­der­set­zung um die Kolo­ni­al­na­men ein.

Neue Vorschläge für Straßennamen

Nun gibt es Neu­es zum The­ma Stra­ßen­um­be­nen­nung im Afri­ka­ni­schen Vier­tel, aller­dings nicht aus dem Wed­ding. Die aus­ge­wähl­ten Namen wer­den am Don­ners­tag (1.3.) der Öffent­lich­keit vor­ge­stellt. Doch statt die Prä­sen­ta­ti­on in einem Raum im Afri­ka­ni­schen Vier­tel durch­zu­füh­ren, wie es ange­sichts der schwie­ri­gen Vor­ge­schich­te nahe gele­gen hät­te, wur­de ein Saal in einem ganz ande­ren Orts­teil aus­ge­wählt, näm­lich im Rat­haus Tier­gar­ten. Ist das Zufall? Ring frei für die zwei­te Run­de – im Kampf um die Luft­ho­heit in Sachen Straßenumbenennungen.

Nach­ti­gal­platz, Peter­s­al­lee und Lüde­ritz­stra­ße wer­den viel­leicht bald nach einer die­ser Per­so­nen oder Ereig­nis­se benannt:

Rudolf Man­ga Bell (1873−1914), König des Dua­la-Vol­kes in Kame­run zur deut­schen Kolo­ni­al­zeit. Er war Anfüh­rer des Wider­stan­des gegen die Ver­trei­bung der Dua­la aus ihren ange­stamm­ten Wohnplätzen.

Miri­am Make­ba (1932−2008), eine süd­afri­ka­ni­sche Sän­ge­rin und eine Ver­tre­te­rin der Welt­mu­sik, kämpf­te seit ihrem Exil 1960 gegen die Apart­heid-Poli­tik Süd­afri­kas und setz­te sich für die Men­schen­rech­te ein. 

Anna Mun­gun­da (1932−1959), eine Here­ro aus Nami­bia, die 1959 bei Unru­hen gegen die Kolo­ni­al­herr­schaft ums Leben kam. 

Jako­bus Mor­en­ga (bzw. Jacob Maren­go)(1875 ‑1907), Anfüh­rer im Auf­stand der Here­ro und Nama von 1904 bis 1908

Maji-Maji Der Maji-Maji-Krieg 1905–1906 war der größ­te Wider­stands­krieg gegen die deut­sche Kolonialherrschaft.

Cor­ne­li­us Fre­de­ricks (†1907) war einer der Anfüh­rer des Wider­stands­krie­ges der Nama gegen die deut­sche Kolo­ni­al­herr­schaft im dama­li­gen Deutsch-Südwestafrika

Aud­re Lor­de (1934−1992), eine afro­ame­ri­ka­ni­sche Schriftstellerin

Simon „Cap­tain“ Kooper (vor 1860–1913), Anfüh­rer der Nama im heu­ti­gen Namibia

Die Geschichte eines Streits

Eini­ge Stra­ßen­na­men im Afri­ka­ni­schen Vier­tel wer­den aus heu­ti­ger Per­spek­ti­ve als  frag­wür­dig ange­se­hen. Aus die­sem Grund wur­de die Peter­s­al­lee  bereits 1965 umge­wid­met. Sie ehrt heu­te statt des Kolo­ni­al­ver­bre­chers Carl Peters einen CDU-Stadt­ver­ord­ne­ten glei­chen Nach­na­mens. Doch zwei wei­te­re umstrit­te­ne Namen sind bis­lang unan­ge­tas­tet geblie­ben: der Nach­ti­gal­platz und die Lüde­ritz­stra­ße. Das Bezirks­par­la­ment von Mit­te, die Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV), hat die grund­sätz­li­che Vor­ent­schei­dung für die Umbe­nen­nung aller drei Stra­ßen bereits im März 2016 getrof­fen. Was die Umbe­nen­nung der 1986 bereits umge­wid­me­ten Peter­s­al­lee angeht, ist aller­dings unklar, ob eine Umbe­nen­nung über­haupt juris­tisch mach­bar ist. Wie auch immer: Die Anwoh­ne­rin­nen und Anwoh­ner sind im Fal­le einer Umbe­nen­nung beson­ders gebeu­telt. Die Ummel­dun­gen und Aktua­li­sie­rung von Per­so­nal­do­ku­men­ten muss jeder selbst beim Bür­ger­amt vor­neh­men. Um die büro­kra­ti­schen Kom­pli­ka­tio­nen für die über 1000 betrof­fe­nen Anwoh­ner und Gewer­be­trei­ben­den mög­lichst gering zu halten­, wird eine unkom­pli­zier­tes Durch­füh­rung sei­tens des Bür­ger­am­tes angestrebt.

Die erste Runde ging gründlich schief

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Eine Info­s­te­le erklärt mit zwei Tex­ten, was es mit den Namen auf sich hat.

Alles fing ganz harm­los an. Die Bür­ger und post­ko­lo­nia­le Akti­vis­ten konn­ten bis Febru­ar 2017 Namens­vor­schlä­ge vor­le­gen, über die eine Jury bera­ten soll­te. Das Pro­blem dabei: Die Zusam­men­set­zung der Jury war geheim, und wie sich spä­ter her­aus­stel­len soll­te, saß kein ein­zi­ger Bewoh­ner der betrof­fe­nen Stra­ßen in der Jury. Die ange­frag­te Anwoh­ner­initia­ti­ve „Pro Afri­ka­ni­sches Vier­tel“ hin­ge­gen schlug die Ein­la­dung aus, da sie die Umbe­nen­nung grund­sätz­lich ablehnt.

Nach acht ver­trau­li­chen Sit­zun­gen wur­den Ende Mai 2017 sechs Namens­vor­schlä­ge ermit­telt, mit denen die gehei­me Jury und die Bezirks­stadt­rä­tin Sabi­ne Weiß­ler erst­mals an die Öffent­lich­keit tra­ten. Die Empö­rung war groß, und zwar zu Recht: Die Geheim­hal­tung der Jury­be­set­zung, eine sehr frag­wür­di­ge Aus­wahl (unter den Top 6 war sogar eine Skla­ven­händ­le­rin) und die feh­len­de Betei­li­gung von Anwoh­nern mach­ten die ohne­hin schon streit­be­haf­te­te Umbe­nen­nung zu einem hand­fes­ten Skan­dal. Die eigent­li­che Absicht, his­to­risch umstrit­te­ne Per­sön­lich­kei­ten nicht mehr mit einem Stra­ßen­na­men zu ehren, dafür jedoch afri­ka­ni­sche Frei­heits­kämp­fer oder Per­so­nen der Kolo­ni­al­ge­schich­te, geriet völ­lig in den Hintergrund.

Doch statt das ver­murks­te Pro­ze­de­re noch ein­mal neu zu star­ten und dies­mal eine ange­mes­se­ne Betei­li­gung von Betrof­fe­nen zu gewähr­leis­ten, soll­te eine wis­sen­schaft­li­che Kom­po­nen­te das begon­ne­ne Ver­fah­ren auf­wer­ten. Im Juni 2017 wur­de nach hef­ti­ger Kri­tik beschlos­sen, dass die im Bezirks­par­la­ment ver­tre­te­nen Par­tei­en zusätz­li­che Gut­ach­ten ein­ho­len kön­nen. Davon haben alle bis auf die CDU Gebrauch gemacht. Die AfD begrün­det in ihrem Gut­ach­ten aus­führ­lich, wes­halb aus ihrer Sicht auf eine Umbe­nen­nung ganz ver­zich­tet wer­den kann.

Nun wer­den die neu­en Namens­vor­schlä­ge prä­sen­tiert. Auf ihrer Sit­zung im März oder April könn­ten den Bezirks­ver­ord­ne­ten dann eine Ent­schei­dung zur Umbe­nen­nung der Stra­ße im Afri­ka­ni­schen Vier­tel fällen.

Info­ver­an­stal­tung

  1. März, 19.00 Uhr, BVV-Saal im Rat­haus Tier­gar­ten, Mat­hil­de-Jacob-Platz 1

 

NACHTRAG 12. APRIL 2018: Inzwi­schen hat sich der Kul­tur­aus­schuss der BVV auf vier Namen geei­nigt, die für den West-Abschnitt und den Ost-Abschnitt der Peter­s­al­lee, den Nach­ti­gal­platz und die Lüde­ritz­stra­ße fest­ge­legt wur­den. Es han­delt sich um Maji-Maji-Allee, Anna-Mun­gun­da-Allee, Bell-Platz und Cornelius-Frederiks-Straße.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

2 Comments Leave a Reply

  1. Die Stras­sen­um­wid­mung der Peter­s­al­lee ( Carl Peters) wur­de von den Anwoh­nern selbst gewünscht – und wur­de 1986 ( nicht 1965 ) nach Hans Peters vollzogen.

  2. Aus dem Tages­spie­gel: “Für die Sozi­al­de­mo­kra­ten schlug Afri­ka­ex­per­te Andre­as Eckert von der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät Rudolf Man­ga Bell vor, der sich in Kame­run gegen die deut­sche Kolo­ni­al­herr­schaft ein­setz­te. Eckert merk­te jedoch an, dass die Fami­lie Bell auch Skla­ven besaß. ”

    Letz­te­res wird lei­der im obi­gen Arti­kel NICHT erwähnt..

    Ansons­ten fürch­te ich, ist es – man­gels ander­wei­ti­ger, wich­ti­ge­rer Auf­ga­ben (z. B. gen­der­neu­tra­le WCs 🙂 ) – die krampf­haf­te Suche der Abgeordneten/der grü­nen Kul­tur­tan­te nach einem ordent­li­chen Betätigungsfeld.

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