Zeitweise war der Ruf unseres Stadtteils so dermaßen im Keller, dass manche Bewohner ihren Wohnort schamhaft verschwiegen oder mit einer diffusen Ortsangabe verschleierten. Über eine besonders gute Reputation verfügt der Wedding in der öffentlichen Meinung nicht. Ja, geradezu unterirdisch geht es im Wedding zu – wie wir anhand einiger Beispiele zeigen.
Wenn wir lesen wollen
Wollen wir Bücher ausleihen, gehen wir am Luisenbad vom Erdgeschoss eine Etage tiefer. 1995 entstand der moderne, überwiegend unterirdisch angelegte Neubau der Architekten Chestnut und Niess, wobei Teile das alten Gebäudes erhalten geblieben sind. Sie befindet sich in einem Haus, das früher zum Vergnügungsviertel rund um die einstige Heilquelle entstanden ist. Der mit Backsteinen in der Bibliotheksfassade gebildete Schriftzug “Kafé Küche” zeugt noch heute von der Geschichte des Hauses. Dazu gehört auch der Puttensaal im ersten Obergeschoss, der heute als stilvoller Veranstaltungssaal dient.
Wenn wir schnell weg wollen
Schon in der Vergangenheit wurden städtische Bauprojekte nicht termingerecht fertig. Vor dem Ersten Weltkrieg begann der Bau der Nordsüd-U-Bahn. Es dauerte noch bis 1923, bis die heutige U 6 zwischen Hallesches Tor bis zur Seestraße in Betrieb ging, wodurch auch der Wedding über einen U‑Bahn-Anschluss verfügte. Ebenso die 1912 begonnene heutige U 8: Erst nachdem die Stadt 1926 den eingestellten Bau übernahm, wurde 1930 der Endpunkt Gesundbrunnen erreicht. Es dauerte bis 1977, als der vorläufige Endpunkt Osloer Straße erreicht wurde, wo kurz vorher auch die Endstation der neuen Linie 9 eröffnet worden war.
Artikel über die U‑Bahnen im Wedding Artikel über den S‑Bahn-Tunnel
Wo Röhren kommunizieren
Als König Friedrich I. (1657 – 1713) eine schiffbare Verbindung zwischen seinen Schlössern Charlottenburg und Schönhausen verlangte, begann man mit dem Bau von Wasserstraßen. Der Weg zu Wasser war bequemer als die Landstraße. Dazu ließ der König von der Spree aus, auf Höhe des heutigen Hauptbahnhofs, den Schönhauser Graben anlegen. Nach etwa zwei Kilometern traf der Graben auf Höhe der Schönwalder Straße im Wedding auf das Bett der Panke. Da das königliche Interesse an Schönhausen bald nachließ, wurde die Schiffbarmachung der Panke nicht mehr weiterverfolgt. Das 450 Meter lange Verbindungsstück zwischen dem heutigen Kanal und dem natürlichen Pankebett bildet heute den Unterlauf des Flüsschens. Ein sogenannter „Düker“ unter der U‑Bahn der Chausseestraße dient der Unterführung der Panke, ohne dass hierfür Pumpen eingesetzt werden müssen. Dabei wird das physikalische Prinzip des Einpegelns von Wasser in kommunizierenden Röhren auf ein gleiches Niveau genutzt.
Mehr Infos zum Unterlauf der Panke
Wenn wir uns gruseln wollen
Ob es stimmt, dass die meisten Touristen den Wedding von unten kennen? Etwa 300.000 Besucher sind es jedenfalls, die die Berliner Unterwelten im Jahr zählen. Die Zeit, so scheint es, steht noch immer still im Bunker am Blochplatz im Wedding. Kühles Licht, zahllose kleine und große Räume aus grauem Beton. Es sind kahle Räume, menschenleer. Grau, langweilig und stumm. Taschenlampen gehören zur Ausstattung einer jeden Führung im unterirdischen Berlin.. Wenn ein neugieriger Tourist fragt, ob die Farbmarkierungen an den Wänden im Dunkeln wirklich leuchten, knipst der Tourenleiter das Neonlicht aus. Denn ja, sie leuchten.
Ältester U‑Bahntunnel Deutschlands im Wedding
Wo man die Schrecken des Kriegs nachfühlen kann
Ein in diesen unsicheren Zeiten besonders eindrucksvoller Ort dürfte sicher das Anti-Kriegs-Museum in der Brüsseler Straße sein. Den Aufenthalt (mitsamt passender Geräuschkulisse) im original erhaltengebliebenen Luftschutzbunker dürften die Besucher:innen so schnell nicht vergessen.
Artikel über das Anti-Kriegs-Museums
Wo man in den Westen krabbeln konnte
An der Bernauer Straße, die direkt an der Berliner Mauer lag, wurden mindestens zwölf Fluchtunnel begonnen, von denen jedoch nur drei erfolgreich waren. Die anderen Projekte scheiterten – meist durch Verrat – vor ihrer Fertigstellung. Im Keller der Schönholzer Straße 7 endete ein vom Wedding aus gegrabener, 135 Meter langer Tunnel, durch den am 14. und 15. September 1962 insgesamt 29 Menschen die Flucht in den Westen gelang.
Kennt Ihr denn, die Kleien Panke?
Sie geht unter der Chausseestr. durch.
Wäre mein Fluchtweg aus der DDR gewesen