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Tunnel und Untergeschosse:
6 Stellen, wo der Wedding echt unterirdisch ist

30. Dezember 2021
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Bücherreihen in der Bibliothek am Luisenbad. Foto: Hensel
Biblio­thek am Lui­sen­bad, Foto: Hensel

Zeit­wei­se war der Ruf unse­res Stadt­teils so der­ma­ßen im Kel­ler, dass man­che Bewoh­ner ihren Wohn­ort scham­haft ver­schwie­gen oder mit einer dif­fu­sen Orts­an­ga­be ver­schlei­er­ten. Über eine beson­ders gute Repu­ta­ti­on ver­fügt der Wed­ding in der öffent­li­chen Mei­nung nicht. Ja, gera­de­zu unter­ir­disch geht es im Wed­ding zu – wie wir anhand eini­ger Bei­spie­le zeigen.

Wenn wir lesen wollen

Wol­len wir Bücher aus­lei­hen, gehen wir am Lui­sen­bad vom Erd­ge­schoss eine Eta­ge tie­fer. 1995 ent­stand der moder­ne, über­wie­gend unter­ir­disch ange­leg­te Neu­bau der Archi­tek­ten Chest­nut und Niess, wobei Tei­le das alten Gebäu­des erhal­ten geblie­ben sind. Sie befin­det sich in einem Haus, das frü­her zum Ver­gnü­gungs­vier­tel rund um die eins­ti­ge Heil­quel­le ent­stan­den ist. Der mit Back­stei­nen in der Biblio­theks­fas­sa­de gebil­de­te Schrift­zug “Kafé Küche” zeugt noch heu­te von der Geschich­te des Hau­ses. Dazu gehört auch der Put­ten­saal im ers­ten Ober­ge­schoss, der heu­te als stil­vol­ler Ver­an­stal­tungs­saal dient.

Arti­kel über die Bibliothek

Wenn wir schnell weg wollen

Foto: Til­man Vogler

Schon in der Ver­gan­gen­heit wur­den städ­ti­sche Bau­pro­jek­te nicht ter­min­ge­recht fer­tig. Vor dem Ers­ten Welt­krieg begann der Bau der Nord­süd-U-Bahn. Es dau­er­te noch bis 1923, bis die heu­ti­ge U 6 zwi­schen Hal­le­sches Tor bis zur See­stra­ße in Betrieb ging, wodurch auch der Wed­ding über einen U‑Bahn-Anschluss ver­füg­te. Eben­so die 1912 begon­ne­ne heu­ti­ge U 8: Erst nach­dem die Stadt 1926 den ein­ge­stell­ten Bau über­nahm, wur­de 1930 der End­punkt Gesund­brun­nen erreicht. Es dau­er­te bis 1977, als der vor­läu­fi­ge End­punkt Oslo­er Stra­ße erreicht wur­de, wo kurz vor­her auch die End­sta­ti­on der neu­en Linie 9 eröff­net wor­den war.

Arti­kel über die U‑Bahnen im Wed­ding Arti­kel über den S‑Bahn-Tun­nel

Wo Röhren kommunizieren

Als König Fried­rich I. (1657 – 1713) eine schiff­ba­re Ver­bin­dung zwi­schen sei­nen Schlös­sern Char­lot­ten­burg und Schön­hau­sen ver­lang­te, begann man mit dem Bau von Was­ser­stra­ßen. Der Weg zu Was­ser war beque­mer als die Land­stra­ße. Dazu ließ der König von der Spree aus, auf Höhe des heu­ti­gen Haupt­bahn­hofs, den Schön­hau­ser Gra­ben anle­gen. Nach etwa zwei Kilo­me­tern traf der Gra­ben auf Höhe der Schön­wal­der Stra­ße im Wed­ding auf das Bett der Pan­ke. Da das könig­li­che Inter­es­se an Schön­hau­sen bald nach­ließ, wur­de die Schiff­bar­ma­chung der Pan­ke nicht mehr wei­ter­ver­folgt. Das 450 Meter lan­ge Ver­bin­dungs­stück zwi­schen dem heu­ti­gen Kanal und dem natür­li­chen Pan­ke­bett bil­det heu­te den Unter­lauf des Flüss­chens. Ein soge­nann­ter „Düker“ unter der U‑Bahn der Chaus­see­stra­ße dient der Unter­füh­rung der Pan­ke, ohne dass hier­für Pum­pen ein­ge­setzt wer­den müs­sen. Dabei wird das phy­si­ka­li­sche Prin­zip des Ein­pe­gel­ns von Was­ser in kom­mu­ni­zie­ren­den Röh­ren auf ein glei­ches Niveau genutzt.

Pan­ke am Erika-Heß-Eisstadion

Mehr Infos zum Unter­lauf der Panke

Wenn wir uns gruseln wollen

unterwelten1

Ob es stimmt, dass die meis­ten Tou­ris­ten den Wed­ding von unten ken­nen? Etwa 300.000 Besu­cher sind es jeden­falls, die die Ber­li­ner Unter­wel­ten im Jahr zäh­len. Die Zeit, so scheint es, steht noch immer still im Bun­ker am Bloch­platz im Wed­ding. Küh­les Licht, zahl­lo­se klei­ne und gro­ße Räu­me aus grau­em Beton. Es sind kah­le Räu­me, men­schen­leer. Grau, lang­wei­lig und stumm. Taschen­lam­pen gehö­ren zur Aus­stat­tung einer jeden Füh­rung im unter­ir­di­schen Ber­lin.. Wenn ein neu­gie­ri­ger Tou­rist fragt, ob die Farb­mar­kie­run­gen an den Wän­den im Dun­keln wirk­lich leuch­ten, knipst der Tou­ren­lei­ter das Neon­licht aus. Denn ja, sie leuchten.

Ältes­ter U‑Bahntunnel Deutsch­lands im Wedding

Wo man die Schrecken des Kriegs nachfühlen kann

Exponate
Foto: Aria­ne Hussy

Ein in die­sen unsi­che­ren Zei­ten beson­ders ein­drucks­vol­ler Ort dürf­te sicher das Anti-Kriegs-Muse­um in der Brüs­se­ler Stra­ße sein. Den Auf­ent­halt (mit­samt pas­sen­der Geräusch­ku­lis­se) im ori­gi­nal erhal­ten­ge­blie­be­nen Luft­schutz­bun­ker dürf­ten die Besucher:innen so schnell nicht vergessen. 

Arti­kel über das Anti-Kriegs-Museums

Wo man in den Westen krabbeln konnte

An der Ber­nau­er Stra­ße, die direkt an der Ber­li­ner Mau­er lag, wur­den min­des­tens zwölf Fluch­tun­nel begon­nen, von denen jedoch nur drei erfolg­reich waren. Die ande­ren Pro­jek­te schei­ter­ten – meist durch Ver­rat – vor ihrer Fer­tig­stel­lung. Im Kel­ler der Schön­hol­zer Stra­ße 7 ende­te ein vom Wed­ding aus gegra­be­ner, 135 Meter lan­ger Tun­nel, durch den am 14. und 15. Sep­tem­ber 1962 ins­ge­samt 29 Men­schen die Flucht in den Wes­ten gelang.

Mau­er­ge­denk­stät­te Ber­nau­er Straße

weddingweiserredaktion

Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

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