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Zu übersichtlich? Neues Rathausumfeld

30. Januar 2019

Nicht allen Wed­din­gern gefällt das neue Rat­haus­um­feld. Vie­len ist es zu kahl: »Die­se Stein­wüs­te hat 4,5 Mil­lio­nen Euro Steu­er­geld gekos­tet«, titel­te die Bou­le­vard­zei­tung »B.Z.« nach der fei­er­li­chen Eröff­nung – und sprach damit vie­len Anwoh­nern aus der Seele. 

Tiefergelegtes Bodenniveau

Ein gro­ßer Teil des ver­bau­ten Geld­be­tra­ges ist aller­dings unter dem Platz ver­bud­delt. Dort wur­de unter ande­rem eine Regen­was­ser­zis­ter­ne ein­ge­rich­tet, die dafür sorgt, dass bei Stark­re­gen die im Wed­ding übli­che Misch­was­ser­ka­na­li­sa­ti­on nicht über­läuft und den gan­zen Unrat der Stadt unge­klärt in die Spree spült. Und weil die Kapa­zi­tät der Kana­li­sa­ti­on unter der Mül­lerstra­ße begrenzt ist, muss­ten zudem neue Abwas­ser­roh­re in Rich­tung Gen­ter Stra­ße ver­legt wer­den. Das kos­te­te viel Zeit und Geld – zu sehen ist davon frei­lich nichts mehr. Die Unzu­frie­den­heit mit dem neu­en Platz­be­reich ent­zün­det sich jedoch nicht an dem Geld, das sei­ne Neu­ge­stal­tung ver­schlun­gen hat. Die meis­ten stö­ren sich an der stei­ner­nen Wei­te, die er jetzt aus­strömt. Und in der Tat hat die­ser Teil des zen­tra­len Wed­ding durch die Neu­ge­stal­tung sei­nen Cha­rak­ter grund­sätz­lich geän­dert. Vie­le Bäu­me sind ver­schwun­den, weil die Hoch­bee­te, in denen sie wur­zel­ten, abge­baut wur­den und weil die Trep­pen, die einst zu dem Bereich unter dem ehe­ma­li­gen BVV-Saal am ehe­ma­li­gen Rat­haus-Neu­bau geführt haben, zuguns­ten eines sanf­ten, bar­rie­re­frei begeh­ba­ren Boden­ge­fäl­les abge­tra­gen sind. Wo sich das Boden­ni­veau änder­te, muss­ten die alten Bäu­me wei­chen, denn man kann sie ja nicht samt Wur­zel­werk ein­fach einen Meter tie­fer legen. Und die neu­en Bäu­me, die etwa ent­lang des »Eli­se-und-Otto-Ham­pel-Wegs« am Rat­haus gepflanzt sind, wir­ken im Ver­gleich dazu noch mick­rig. Es wird noch ein paar Jah­re dau­ern, bis sie ihre vol­le Pracht entfalten.

Wie­so aber, so fra­gen sich vie­le, konn­te man die Hoch­bee­te, die den Platz einst struk­tu­riert hat­ten, nicht belas­sen? Man hät­te sie ja auch neu ein­fas­sen kön­nen, so dass sie eine zeit­ge­mä­ße Gestalt anneh­men, und dabei bei­spiels­wei­se auch Bän­ke an ihren Rän­dern anbrin­gen kön­nen. Die Pla­nung wur­de aller­dings nicht im Gehei­men gemacht, son­dern öffent­lich in zahl­rei­chen und auch gut besuch­ten Ver­an­stal­tun­gen dis­ku­tiert. Und es gibt ja auch nicht weni­ge, die den jet­zi­gen Zustand für bes­ser hal­ten als den frü­he­ren. Denn sie erken­nen in der Über­sicht­lich­keit des Rat­haus­um­fel­des einen eige­nen Wert. Nicht nur, weil sie das Sicher­heits­ge­fühl stärkt, den Dro­gen­dea­lern weni­ger Ver­ste­cke für ihre zwei­fel­haf­te Ware bie­tet und dem geplan­ten Platz­dienst die Arbeit erleich­tert, der – ähn­lich wie auf dem Leo­pold­platz – auch im Rat­haus­um­feld für die Ein­hal­tung der Grund­re­geln des mensch­li­chen Zusam­men­le­bens sor­gen soll. Zudem trägt die neue Gestal­tung auch dem Umstand Rech­nung, dass das Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt in Mit­te per­so­nell kaum noch in der Lage ist, die vor­han­de­nen Grün­flä­chen nach­hal­tig zu pfle­gen, und des­halb kate­go­risch pfle­ge­leich­te Neu­ge­stal­tun­gen des öffent­li­chen Rau­mes verlangt. 

Öffentliche Räume, die Weite ausstrahlen

Einen Wert stellt die Über­sicht­lich­keit aber auch des­halb dar, weil »Wei­te« in der dicht besie­del­ten Innen­stadt vie­len ein beson­de­res Bedürf­nis ist. Immer mehr Men­schen woh­nen hier in immer enge­ren Ver­hält­nis­sen – der neue Trend auf dem Immo­bi­li­en­markt sind ja auch im Wed­ding extrem klei­ne »Mikro-Apart­ments«. Und immer mehr Kul­tu­ren tref­fen hier auf­ein­an­der. Die Zuwan­de­rung aus dem Aus­land wird in den nächs­ten Jah­ren ganz sicher wei­ter­ge­hen, ob man das nun gut fin­det oder nicht. Wo unter­schied­lich gepräg­te Men­schen aber eng auf­ein­an­der leben, da brau­chen sie öffent­li­che Räu­me, die Wei­te aus­strah­len. Da wird die Ent­span­nung, die ein unver­stell­ter Blick »über die Step­pe« uns Men­schen nun ein­mal bie­tet, zu einem Grund­be­dürf­nis. So oder so ähn­lich den­ken der­zeit jeden­falls vie­le, die sich pro­fes­sio­nell und inten­siv mit urba­ner Land­schafts­ar­chi­tek­tur und der Gestal­tung des öffent­li­chen Raums aus-einandersetzen.

Baustelle, Schillerbibliothek, Foto: Joachim Faust
Der Platz als Baustelle 

Der »stei­ner­ne Stadt­platz«, an dem sich die Kon­tro­ver­se ent­zün­det, bil­det zudem nur eine Teil­zo­ne des neu­en Rat­haus­um­fel­des. Die ande­ren Zonen sind der neue »Lese­gar­ten« an der Biblio­thek, der »Eli­se-und-Otto-Ham­pel-Weg« ent­lang des Rat­hau­ses mit sei­nen Bän­ken und Auf­ent­halts­be­rei­chen sowie die Lie­ge­wie­se an der Gen­ter Stra­ße. Im kom­men­den Som­mer wird sich her­aus­stel­len, ob die­se kla­re Zonie­rung tat­säch­lich so funk­tio­niert, wie sich die Pla­ner das vor­ge­stellt haben: Dass die unter­schied­li­chen Bevöl­ke­rungs­grup­pen, die hier auf­ein­an­der­tref­fen, sie sich aneig­nen – ob es nun Stu­den­ten der Beuth-Hoch­schu­le, Arbeits­lo­se vom Job­cen­ter, Beam­te aus dem Rat­haus oder Flücht­lin­ge aus den Wed­din­ger Wohn­hei­men sein mögen. Und dass sie sich hier gegen­sei­tig als Stadt­bür­ger wahr­neh­men und nicht aus­blen­den, wie es ansons­ten ja lei­der all­zu oft üblich ist.

Autor: Chris­tof Schaf­fel­der, Ecke Müllerstraße

Die­ser Arti­kel erschien zunächst in der Sanie­rungs­zeit­schrift “Ecke Mül­lerstra­ße

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