Es weihnachtet schon, lassen wir uns nicht von der ziemlich miesen Lage runterziehen und konzentrieren wir uns lieber auf schöne und bereichernde Ideen zum Verschenken an unsere Lieben. Heute gibt es ein paar Tipps zu verschiedenen Büchern über den Wedding, vom Roman über eine geschichtliche Reportage bis hin zu Kurzgeschichten. Der Wedding ist in der Literatur gut vertreten. Hier sechs Tipps für eure Weihnachtsliste:
1. „Vom Wedding verweht“ von Heiko Werning
Ich fange gleich mit meinem Favoriten an: „Vom Wedding verweht“ von Heiko Werning aus den Brauseboys. Knackige Kurzgeschichten im Wedding zum Totlachen. Liest sich sehr zügig, obwohl die Wortwahl sehr ausgeklügelt ist und eins zum Ziel hat: (Selbst)-Ironie. Als neuen Vorsatz für das neue Jahr könnte man sich eine Geschichte pro Abend vornehmen und so hat man die Garantie, den Tag mit einer positiven Note abzuschließen. Jeder Weddinger erkennt sich in diesen Geschichten wieder, ob der Hipster, der vor kurzem oder vor langem Zugezogene oder aber auch der alteingesessene Weddinger. Alle Altersgruppen werden vertreten und erscheinen mal in einem Geschäft der Müllerstraße, mal auf der Tram-Promenade der Seestraße oder in einem heruntergekommenen Hinterhof. Wer am Ende des Buches immer noch nicht genug davon hat, kann zum Beispiel mit einem früheren Band weitermachen: „Im wilden Wedding“ (2014 erschienen).
Verlag TIAMAT, 2017 erschienen, 192 Seiten, ISBN 978–3893202188, 14€
2. „Gott wohnt im Wedding“ von Regina Scheer
Trotz seiner 416 Seiten liest sich das Buch von Regina Scheer ziemlich schnell, lasst euch also von diesem dicken Buch aus dem Grund nicht abschrecken. Es beginnt mit einem ungewöhnlichen Monolog, dem Monolog eines Hauses in der Utrechter Straße im Leopoldkiez, das uns seine Eindrücke und Gefühle über seine oft wechselnden Bewohner*innen mitteilt. Es sieht alles und weiß am Besten über alle Geschehnisse. Uns verrät es endlich, was es denkt. Und so beklagt es sich oder reflektiert immer mal wieder zwischen zwei Erzählungen von Hausbewohner*innen mit anscheinend ganz unterschiedlichem Hintergrund, so dass wir mit jeder Seite, mit jeder Geschichte immer mehr mitbekommen, was in diesem Haus seit den 30er Jahren alles passiert ist. Trotz der Verschiedenheiten sind aber alle durch das Haus und den Kiez verbunden. Die Erzählungen des jüdischen Opas Leo, der jungen Sinti Leila oder der alten Gertrud überschneiden sich und am Ende ergibt sich ein ganzes Bild vom Wedding, so bunt wie er heute geworden ist.
Regina Scheer ist eine echte Berlinerin, nach der Wende in den Wedding zugezogen. Wohin denn sonst? Im Bürgersaal der Wohnanlage vom Karl-Schrader-Haus hat sie das Erzählcafé Wedding über mehrere Jahre hinweg moderiert, in dem Personen von ihrem vielfältigen Leben bei Kaffee und Kuchen berichtet haben. Nach der 100sten Ausgabe endete die Veranstaltung im Jahr 2016.
Penguin Verlag, 2019 erschienen , 416 Seiten ‚ISBN 978–3328600169, 24€
3. „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada
Seid ihr schon durch die Amsterdamer Straße gelaufen? Oft? Habt ihr jemals auf das Schild auf dem Haus Nummer 10 neben der Erika-Mann-Grundschule geachtet? Es ist total unscheinbar, hinter Ästen und Zaun versteckt. Wenn man sich auf die Fußspitzen stellt und sein Fernglas aus der Tasche rauszieht, kann man auf der weißen Gedenktafel lesen: Otto und Elise Hampel. Das Ehepaar wohnte in diesem Haus. Es gehörte keiner Widerstandsgruppe an, verteilte aber Postkarten gegen das Nazi-Regime und wurde 1943 im Gefängnis Plötzensee hingerichtet. Hans Fallada verewigt diese Geschichte in seinem Buch, wobei er den Ort nach Pankow verlegt. Wenn ihr lieber Filme schaut, könnt ihr sogar eine der beiden Verfilmungen aus den Jahren 1975 oder 2013 („Alone in Berlin“ mit Daniel Brühl) verschenken.
Aufbau Taschenbuch, 1948 erschienen, 704 Seiten, ISBN 978–3746628110, 12,99€
4. „Geschichten aus der Müllerstraße“ von den Brauseboys
„Geschichten aus der Müllerstraße“ präsentiert das Best of der Brauseboys. Knappe Geschichten über das hektische Epizentrum des Weddings auf lustige Art und Weise präsentiert. Durch die verschiedenen Stilrichtungen wird es nie langweilig. Eins haben sie alle gemeinsam: Die Müllerstraße und die skurrilen Einwohner des Weddings. Die Autoren nehmen jeden auf den Arm, gelegentlich und gerne auch sich selber. Mehr dazu im Artikel über das Buch.
be.bra verlag, 2015 erschienen, 144 Seiten, ISBN: 978–3898091084, 9,95€
5.“Barrikaden am Wedding“ von Klaus Neukrantz
Dieses Buch schildert die Ereignisse vom Blutmai 1929, die in der eher unbekannten Weddinger Kösliner Straße (zwischen Reinickendorfer Straße und Panke) abspielen. Es ist heute kaum zu glauben, aber in dieser ruhigen L‑förmigen Straße, wurden nach dem Erschießen eines Arbeiters durch einen Polizisten Barrikaden für mehrere Tage aufgebaut. Als einziges Überbleibsel kann man einige Schritte weiter Richtung Panke auf der Walter-Röber-Brücke einen Gedenkstein an die 19 Opfer dieses Ausnahmezustandes erspähen. Der Autor des Buches, Klas Neukrantz, schrieb für die kommunistische Zeitschrift „Die Rote Fahne“ und berichtet über diese dreitägigen Krawallen und ihre Zusammenhänge ausführlich. Eine genaue Dokumentation für alle Geschichtsinteressierten des Weddings. Eine kurze Anspielung dieses historischen Ereignisses ist übrigens in der ARD-Serie „Berlin Babylon“ zu sehen.
Manifest Verlag, 2014 erschienen, 264 Seiten, ISBN 978–3961560691, 11,90€
6. „Allein ist man weniger zusammen“ von Paul Bokowski
Wahrscheinlich der bekannteste Autor aus dem Wedding: Paul Bokowski, ein weiterer Junge der Brauseboys, der Jüngste sogar. Seine humorvolle Art bezaubert. Die Texte scheinen auf den ersten Blick nicht zusammenhängend zu sein, eins haben sie aber gemeinsam: Die Satire. Paul Bokowski berlinert, spricht aber auch Polnisch und manchmal sogar auch Hochdeutsch. Für richtige Fans gibt es eine ganze Reihe von seinen spannenden Büchern: „Hauptsache nichts mit Menschen“ oder „Bitte nehmen Sie da meine Hand weg“ zum Beispiel. Hörbücher stehen im Übrigen auch zur Verfügung.
Manhattan Verlag, 2015 erschienen, ISBN 978–3442547579, 160 Seiten, 12,99€
Text: Elsa
Übrigens bleiben auch während des “harten Lockdowns” ab 16. Dezember die Buchhandlungen offen. Zum Beispiel das Belle-et-triste in der Amsterdamer Straße.