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Unbeugsamer Badstraßenkiez

22. Oktober 2017

Fei­ne Crê­pes wie in der Bre­ta­gne. Authen­ti­sche Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten ser­viert vom ita­lie­ni­schen Baris­ta. Thea­ter­be­su­cher strö­men wie selbst­ver­ständ­lich aus der Ufer­stra­ße. Da reibt man sich die Augen. Ist das noch die Bad­stra­ße, die glei­che Gegend rund um den Gesund­brun­nen, wie man sie von frü­her her kannte?

Eher türkisch als arabisch geprägt

Der Wan­del war hier schon immer an der Tages­ord­nung. Die Bad­stra­ße hat­te schon viel Auf und Ab erlebt, war von ihrer Rol­le als Kino- und Ein­kaufs­mei­le abge­stie­gen zu einem trost­lo­sen Mau­er­blüm­chen­da­sein wäh­rend der Tei­lung der Stadt. Selbst der Bun­des­li­ga­ver­ein Her­tha BSC schien sich für sei­ne alte Heim­stät­te an der „Plum­pe“ an der Behm­stra­ße zu schämen.

Parken nach Gusto auf der Badstraße. Foto Andrei Schnell.
Foto And­rei Schnell.

Mit der Wie­der­ver­ei­ni­gung rück­te der Rand­be­zirk plötz­lich wie­der ins geo­gra­phi­sche Zen­trum der Stadt. Und trotz­dem schien sich der Gesund­brun­nen nicht dar­um zu sche­ren, dass er auf ein­mal zu Mit­te gehör­te und grenz­te sich zu sei­nen schi­cken Nach­bar­kiezen im Osten durch eine läs­si­ge Gleich­gül­tig­keit ab. Die meis­ten Bewoh­ner wäh­nen sich trotz Gebiets­re­form übri­gens nach wie vor ‚im Wedding.

Eher tür­kisch als ara­bisch geprägt, füll­ten sich die vie­len Geschäf­te an der Bad­stra­ße neben vie­len ein­fa­chen Läden und absurd vie­len Apo­the­ken auch mit immer mehr Spiel­ca­si­nos, Wett­bü­ros und Gemü­se­lä­den. In den Alt­bau­ten oder in den 80er-Jah­re-Sozi­al­bau­ten leb­te es sich preis­wert und teu­re Restau­rant- oder Café­be­su­che konn­ten sich die Bewoh­ner ohne­hin nicht leis­ten. Die Ber­nau­er Stra­ße und der Mau­er­park sorg­ten zusätz­lich für die Abschot­tung vor den immer bür­ger­li­cher wer­den­den Nachbarstadtteilen.

Rasante Aufwertung in einzelnen Teilen

Dass das nicht ewig so blei­ben konn­te, war aber irgend­wie auch klar. Schon vor zwan­zig Jah­ren war mit­ten in der Bau­stel­le am her­un­ter­ge­kom­me­nen S‑Bahnhof Gesund­brun­nen ein glit­zern­des UFO gelan­det, das Gesund­brun­nen-Cen­ter. Pünkt­lich zur Fuß­ball-WM 2006 wur­de dann direkt davor ein Fern- und Regio­nal­bahn­hof eröff­net – pas­send zum frü­her von Inves­to­ren unge­lieb­ten Kiez hat­te er aber zehn Jah­re lang über­haupt kein Zugangs­ge­bäu­de. Neubauten LichtburgringUnd dann begann die Auf­wer­tung, erst ganz schlei­chend, dann immer rasan­ter. Der Miet­druck auf der ande­ren Sei­te des Gleim­tun­nels sorg­te für kon­stan­tes Durch­si­ckern einer ganz neu­en Bewoh­ner­schaft. Zuerst schos­sen die Kitas wie die Pil­ze aus dem Boden, dann zogen ori­gi­nel­le Manu­fak­tu­ren und Geschäf­te, vor allem rund um die Euler- und die Grün­ta­ler Stra­ße, nach. Die Luxus­woh­nun­gen auf der Wed­din­ger Sei­te des Mau­er­parks sor­gen aktu­ell für ein neu­es Gefäl­le inner­halb des Kiezes, aber noch ganz an sei­nem Rand.

Die bunte Badstraße

Die unbeug­sa­me Bad­stra­ße leis­te­te lan­ge Wider­stand, noch immer ist sie eine wuse­li­ge Bil­lig­mei­le, geprägt von über­wie­gend tür­ki­scher Lebens­kul­tur. Wie in ande­ren Geschäfts­stra­ßen mit tür­ki­schem Ein­schlag wirkt sie wie eine end­lo­se Wie­der­ho­lung von Früh­stücks­häu­sern, Telefon/Spätkauf und Döner­lä­den. Doch schon in ihren Neben­stra­ßen voll­zieht sich ein Wan­del. Hier ent­ste­hen neue Kieze: Flä­chen­de­ckend eta­blie­ren sich klei­ne Cafés und neue Knei­pen wie die Wil­ma, die F‑Bar und der inzwi­schen nach Mit­te ver­trie­be­ne Cast­le Pub. Stu­den­ten sind schon immer in die Gegend gezo­gen, doch hielt es sie nicht lan­ge. Das hat sich offen­sicht­lich geän­dert. Selbst die Grün­dung einer Fami­lie ist für vie­le kein Grund mehr, weg­zu­ge­hen. Die gute Anbin­dung an Fern‑, U- und S‑Bahn sowie die brei­te Infra­struk­tur an Kitas und Schu­len machen es mög­lich. Dazu aus­rei­chend Aus­geh­mög­lich­kei­ten für den Tag und auch für die Nacht. Dabei fällt auf, dass es ins­ge­samt noch ziem­lich gechillt zugeht. Stress löst das Mit­ein­an­der der ver­schie­de­nen Bewoh­ner­schaf­ten offen­sicht­lich nicht aus.

Auf dem Wand­bild an der Ecke Pank­stra­ße ist von „Gewach­sen auf Beton“ die Rede. So mag sich der Kiez gern von ande­ren sehen. Doch der Beton hat offen­sicht­lich Ris­se bekom­men. Und aus der stach­li­gen Dis­tel könn­te bald eine unver­mu­te­te Dorf­schön­heit werden.

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