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Die Ecken gehören einfach dazu:
Um die Weddinger Ecke gedacht

29. Juni 2020
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Zur gemütlichen Ecke

Was wäre Ber­lin ohne sei­ne Ecken? Und wel­che Ecke wäre schon eine Ecke, wenn sie nicht in Ber­lin ist? Es gibt sogar den Fach­aus­druck “Ber­li­ner Ecke”: so heißt die Ver­bin­dung von recht­wink­lig zuein­an­der gebau­ten Gebäu­den durch eine abge­schräg­te oder run­de und mit deko­ra­ti­ven Ele­men­ten ver­se­he­ne Ecke. Legen­där ist für die an his­to­ri­schen Ori­gi­na­len so rei­che Stadt der „Ecken­ste­her Nan­te“. Es gab ihn wirk­lich: Fer­di­nand Strumpf, gebo­ren 1803, ein Dienst­mann, der an einer Ecke auf Arbeit war­te­te und die Ereig­nis­se auf der Stra­ße humor­voll kom­men­tier­te. Spä­ter wur­de sein Leben auch lite­ra­risch und musi­ka­lisch verarbeitet.

Spielt sich das Leben in ande­ren Städ­ten sonst eher auf Markt­plät­zen oder in Grün­an­la­gen ab, so erfüllt in Ber­lin die Stra­ßen­ecke die glei­che kom­mu­ni­ka­ti­ve Funk­ti­on. Im Wed­ding gilt das in beson­de­rem Maße. Gera­de in den Stadt­tei­len, wo es noch vie­le Alt­bau­vier­tel aus der Kai­ser­zeit gibt, also in den beson­ders leben­di­gen Kiezen, sind die meis­ten Ecken mehr als nur der Schnitt­punkt von Stra­ßen. Idea­ler­wei­se ver­fügt eine Ber­li­ner Ecke auch über eine Knei­pe, am bes­ten mit dem Wort „-Eck“ im Namen. Es wer­den, wie immer wie­der betrau­ert wird, kon­stant weni­ger, aber man­che geschlos­se­ne Knei­pe ersteht wenigs­tens als ange­sag­te Bar oder Pub wie­der auf. Als Anlauf­punk­te für die angren­zen­den Stra­ßen haben sie ohne­hin aus­ge­dient, dafür gibt es ja immer noch Fri­seu­re und Spätis.

Übers Eck

Ecken kön­nen aber auch der Lebens­nerv von meh­re­ren anein­an­der gren­zen­den Kiezen sein. Mit­ten auf der Kreu­zung haben sich oft­mals sogar Imbis­se ange­sie­delt, an denen der que­ren­de Fuß­gän­ger­ver­kehr hän­gen­bleibt. An der Ecke Müllerstraße/Seestraße tobt Tag und Nacht der Ver­kehr; sie ist ein Sym­bol für die Stadt, die nicht zur Ruhe kommt. Für den Gesund­brun­nen ist die Ecke Badstraße/Pankstraße/Prinzenallee mit der schö­nen Schin­kel­kir­che St. Paul und dem Boat­eng-Fuß­ball-Wand­bild typisch. Aber auch die unfall­träch­ti­ge Ecke Oslo­er Straße/Prinzenallee ist eine der pro­mi­nen­tes­ten Stel­len im Stadt­teil. Neben den recht­wink­li­gen Ecken, von denen es im Wed­ding mit sei­nen vie­len plan­mä­ßig ange­leg­ten Stra­ßen unzäh­li­ge gibt, sind an man­chen Kreu­zun­gen, wo mehr als vier Stra­ßen auf­ein­an­der­tref­fen, auch beson­ders reiz­vol­le Ecken ent­stan­den. Dies gilt zum Bei­spiel für die Ecke Adolf-/Prinz-Eugen-/Plan­ta­gen­stra­ße im Anton­kiez oder Schwe­den-/Ko­lo­nie-/Bad-/Ex­er­zier-/Ufer­stra­ße an den Ufer­stu­di­os in Gesund­brun­nen. In den Sied­lun­gen, die nach dem Krieg ent­stan­den sind, wur­de bewusst auf Ecken ver­zich­tet. Hier rei­hen sich die Häu­ser in Zei­len anein­an­der, oft sind die Ecken gänz­lich unbe­baut oder von der Bebau­ung ausgespart.

Um die Ecke gebracht

Aber bei uns man­gelt es nicht an schö­nen, run­den, leben­di­gen Ecken. Wo sol­len allein schon die diver­sen Filia­len von Matrat­zen-Dis­coun­tern hin, die sich bewusst an sol­chen Ecken ansie­deln? Und auch der Aus­druck “jeman­den um die Ecke brin­gen” könn­te in unse­rem Kiez ent­stan­den sein. Ist er aber nicht, denn laut Grimm­schem Wör­ter­buch hat­te das Wort Ecke frü­her die Bedeu­tung “Schnei­de der Waf­fe”. Trotz­dem: der Wed­ding ohne sei­ne Ecken? Undenkbar!

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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