Maji-Maji-Allee, Anna-Mungunda-Allee, Manga-Bell-Platz und Cornelius-Fredericks-Straße statt Petersallee, Nachtigalplatz und Lüderitzstraße? Lassen wir an dieser Stelle die längst abgeschlossene Diskussion über die Notwendigkeit der Umbenennungen von Straßen im Afrikanischen Viertel einmal beiseite. Das Verfahren ist inzwischen fast zum Abschluss gekommen – der vorerst letzte Akt war die Erteilung von 127 Widerspruchsbescheiden an Anwohnerinnen und Anwohner. Für die enthielt das Schreiben des Bezirksamts vom 22. Dezember eine böse Überraschung.
Genau ans Straßengesetz gehalten
Es gibt einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 19. April 2018, einen Beschluss des Bezirksamts vom 24. April 2018 und einen weiteren Beschluss betreffend den Nachtigalplatz vom 18. Oktober 2018. Inzwischen wurden die betroffenen Straßen Lüderitzstraße, Petersallee und Nachtigalplatz per Allgemeinverfügung umbenannt; die Umbenennung gilt inzwischen auch als bekannt gegeben. Das alles entspricht dem Berliner Straßengesetz, das anders als andere Landesgesetze keine Mitsprache der Betroffenen vorsieht. Für die Umbenennung der vor 1933 benannten Straßen nach § 5 der Ausführungsvorschriften lieferte der Bezirk ausführliche Begründungen.
In der Zwischenzeit haben betroffene Anwohner Widerspruch eingelegt, weshalb die Umbenennung noch nicht wirksam geworden ist. Die Bürgerinitiative Pro Afrikanisches Viertel hatte Musterwidersprüche bereit gestellt, und 127 Weddingerinnen und Weddinger legten daraufhin Widerspruch ein. Diese wurden nunmehr allesamt als begründet, aber unzulässig abgelehnt, da die rechtlichen Voraussetzungen für die Umbenennungen weiterhin vorliegen.
Die Überraschung kam vor Weihnachten
Was viele Widerspruchsführer jedoch nicht wussten, war die Existenz einer Verfahrensgebühr und wie hoch sie ausfallen würde. Hier hatte der Bezirk einen Spielraum zwischen 36,79 und 741,37 Euro. Man entschied sich für den Höchstsatz. Mit der Begründung, dass viele gleichlautende Widersprüche vorlagen, wurde die Gebühr jedoch auf 20 %, also auf 148,27 Euro, reduziert. Der Widerspruchsbescheid wurde kurz vor Weihnachten zugestellt, mit einer Zahlungsfrist von zwei Wochen. Unterschrieben hat das Widerspruchsschreiben der Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (B.90/Die Grünen) höchstpersönlich. Fraglich bleibt, ob die Betroffenen eine so kurzfristige Zahlung der Summe überhaupt leisten können.
Kommentar:
Im Verfahren rund um die Straßenumbenennungen im Afrikanischen Viertel ist so ziemlich alles schiefgegangen, was man sich vorstellen kann. Doch selbst wer der Aufarbeitung des postkolonialen Erbes bis hin zu neuen Namen für die drei umstrittenen Straßen positiv gegenüber steht, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wie viel Porzellan ohne Not zerschlagen wurde – allen voran bei Anwohnern, die die Welt nicht mehr verstehen.
Drei der betroffenen Widerspruchsführer zeigten uns den Schriftwechsel mit dem Bezirksamt. Dabei zeigte sich, dass sie kein Eingangsschreiben des Bezirksamts erhalten hatten, in dem auf die möglichen Kosten hingewiesen wurde. Sie hatten nur einen Brief bekommen, der darüber informiert, dass die Umbenennung bis zur abschließenden Bearbeitung der Widersprüche noch nicht wirksam wird. “Hätten wir von den Kosten gewusst, hätten wir den Widerspruch zurückgezogen”, sagen Aude B. und Martin G. Auch auf der Seite der Bürgerinitiative, wo das Musterschreiben zu finden ist, steht davon nichts.
Das verunglückte Juryverfahren, die mangelnde Einbindung der Betroffenen und der Umgang mit den Widersprüchen werfen kein gutes Licht auf die Bezirksverwaltung. So hätte den Verantwortlichen, wie der grünen Stadträtin Sabine Weißler, eine (allerdings gesetzlich nicht geforderte) Beteiligung der Anwohner per Bürgerversammlung im betroffenen Kiez gut zu Gesicht gestanden. Auch wenn die Umbenennung per Allgemeinverfügung keine Akzeptanz bei der Bevölkerung verlangt, sollte ein solch umstrittenes Verfahren selbst keine Demokratiedefizite aufweisen. Mit den hohen Kosten werden schließlich die Bürger, die die Umbenennung kritisch sehen, anhand der Gebührenkeule abgeschreckt, ihren Unmut zu äußern. Und die Betroffenen haben ein Weihnachtsgeschenk von Herrn von Dassel erhalten, an dem sie noch lange zu knabbern haben. Die, deren Adresse sich ändert, müssen darüber hinaus die Kosten der Ummeldung, Ausweisänderung usw. selbst tragen.
Was bleibt? Wie mit den unzufriedenen Anwohnern umgegangen wird, ist kein vorbildliches Verwaltungshandeln, sondern fragwürdig. Und das, obwohl man gerade bei der Ehrung von fragwürdigen Personen moralisch besonders korrekt sein wollte. Gut gemeint – schlecht gemacht!
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Statt die Straßen umzubenennen, sollte lieber eine qualitative Aufarbeitung des Themas betrieben werde, Nur durch die Umbennung findet noch keine historische Würdigung von Unrecht statt. Sinnvoller wäre das Anbringen von Hinweisen oÄ. in denen die Taten der Namensgeber aufgelistet werden. Scheint mir dem Thema angemessener. So wird die Erinnerung an die Schandtaten eher wach gehalten. Die Neubenennung der Straßen durch Ersatz von anderen Namen ist dafür kein adäquates Mittel – vielleicht haben die Personen ja auch Dreck am Stecken. Das stellt sich vielleicht erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten heraus. Wer weiß?
Man stelle sich nur einen Moment vor, wie groß das Geschrei gewesen wäre, hätte eine Verwaltung Widersprüche gegen eine gebührenpflichtige Parkzone o.ä. analog beschieden.
„Man merkt die Absicht und ist verstimmt!“ möchte man mit Goethe ausrufen.
Den Betroffenen sollte man raten, ggf. einen Erlassantrag zu erwägen.
Die Bürgerinitiative gegen die Umbenennung ist mir als Bewohner der Lüderitzstraße alles andere als sympathisch, aber Sie haben Recht, wenn Sie schreiben, dass eine Bürgeranhörung den Grünen gut zu Gesicht gestanden hätte. Gibt es einen Solidaritätsfonds für die Widerspruchskosten?
P.S. Muss es im Text nicht heißen: Die Widersprüche waren ” zulässig aber unbegründet”?. Bei einem unzulässigen Widerspruch wird. die Begründung nicht mehr geprüft.