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Sterben im Wedding

28. November 2015
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Lazarus-Haus - Foto Andrei Schnell
Laza­rus-Haus. Foto: And­rei Schnell

Oft hört man den Satz: „Wich­tig ist der Blick nach vorn.“ Man will damit aus­drü­cken, es gäbe die (wenn auch unge­wis­se) Chan­ce, dass es in der Zukunft bes­ser sein wird. Man sagt dies so, obwohl doch gewiss ist, das vorn, also in der Zukunft, nur eines sicher war­tet: der Tod. Aber aus­ge­rech­net auf den wird sel­ten geblickt, wenn nach vorn geschaut wird. Öff­net man die Augen, dann sieht man: Auch im Wed­ding wird gestor­ben. Zum Bei­spiel im Laza­rus-Haus in der Ber­nau­er Stra­ße im Brun­nen­vier­tel. In die­sem Text geht es um ein irgend­wie unsicht­ba­res Haus, obwohl es unüber­seh­bar an einer pro­mi­nen­ten Kreu­zung steht.
„Mau­er-Cafe“ heißt es im Erd­ge­schoss. Es gibt hier natür­lich Milch­kaf­fee, aber es ist kein Milch­kaf­fee-Café. Der Zweck des Cafés ist es, Men­schen mit Behin­de­run­gen eine Arbeit zu geben. Der gute Zweck ist es, der das „Mau­er-Café“ gegen­über des S‑Bahnhofs Nord­bahn­hof zu einem der vie­len Bestand­tei­len des Laza­rus-Hau­ses macht. „Nichts und nie­man­den auf­ge­ben“ ist der Wahl­spruch des Gesund­heits­stand­or­tes, zu dem neben Gäs­te­haus und Dia­ko­nis­sen-Wohn­heim auch eine Aus­bil­dungs­schu­le für Sozia­le Diens­te gehört. Und – für den kirch­li­chen Trä­ger Hoff­nungs­ta­ler Stif­tung Lobe­tal wich­tig – eine eige­ne Kapel­le, die täg­lich geöff­net ist. Den größ­ten Platz auf dem zwei Hekt­ar gro­ßen Gelän­de neh­men jedoch alters­ge­rech­te Appart­ments (genannt „Woh­nen mit Ser­vice“), eine Pfle­ge­ein­rich­tung und das Hos­piz ein.

Lazarus-Haus - Foto: Andrei Schnell
Laza­rus-Haus. Foto: And­rei Schnell

Es ist ein schö­nes Gelän­de – mit his­to­ri­schen Gebäu­den und gelun­ge­nen, moder­nen Bau­ten. Im Hin­ter­hof ist sogar ein klei­ner Park. Aber: Es wird eben auch gestor­ben hier. Das ist der Zweck eines Hos­pi­zes: Ein Ort zum ster­ben sein.

Ein Kran­ken­haus fehlt heu­te. Dabei war vor 150 Jah­ren ein durch Groß­spen­den ermög­lich­tes Kran­ken­haus der Anfang des Laza­rus-Hau­ses. Pfar­rer Wil­helm Boe­ge­hold begann den Betrieb 1865 – vor der Indus­tria­li­sie­rung noch vor den Toren Ber­lins – mit 15 Bet­ten. Die in den 1990er Jah­ren errich­te­ten Bau­ten neben dem Alt­bau waren noch als Kran­ken­haus geplant. Ver­schwen­de­risch, aber ein­fach schön wirkt das groß­zü­gi­ge licht­durch­flu­te­te Atri­um, um das her­um die heu­ti­gen Pfle­ge­zim­mer bei­na­he ver­steckt sind. Wer in der Lob­by steht, fühlt sich wie auf einem Flug­ha­fen, in einem Haupt­bahn­hof oder in einem moder­nen Rathaus.

Wich­tig ist der Geschäfts­füh­rung des Laza­rus-Hau­ses, sich nach außen zu öff­nen. Beim Basar am 31. Okto­ber konn­te man die Ein­rich­tung unver­bind­lich ken­nen ler­nen. Es gibt regel­mä­ßi­ge öffent­li­che Vor­trä­ge zu Pfle­ge­the­men. Die Advents­fei­ern am 2. und 3. Dezem­ber ste­hen Bewoh­nern und Anwoh­nern glei­cher­ma­ßen offen. Man wird dann aller­dings alte und schwa­che Men­schen sehen – eben das, was man sieht, wenn man nach vorn blickt.

Basar im Lazarus-Haus am 31. Oktober - Foto: Andrei Schnell
Basar im Laza­rus-Haus am 31. Okto­ber. Foto: And­rei Schnell

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Laza­rus-Haus

Text und Fotos: And­rei Schnell

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

3 Comments

  1. Lie­ber Andrei,
    dan­ke für den guten Hinweis.
    Lei­der ver­drän­gen vie­le den Tod und sind über­rascht, wenn er vor der eige­nen Tür steht.
    Mit Mit­te 50 bin ich in einem Alter, wo die Eltern-Gene­ra­ti­on stirbt. Als “Kin­der” ist man mit dem Papier­kram und den Rege­lun­gen für Pfle­ge, die oft vor dem Tod ste­hen oft überfordert.
    Vie­le Grü­ße von Susanne

  2. […] Schnell hat sich für den Wed­ding­wei­ser ein Hos­piz in der Ber­nau­er Stra­ße ange­schaut. Der Bei­trag „Ster­ben im Wed­ding“ stellt das Laza­rus-Haus vor und hät­te ger­ne auch noch ein biss­chen aus­führ­li­cher ausfallen […]

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