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Bald kommt ein weiterer Lidl im Wedding:
Im Karstadt brennt wieder Licht

22. Januar 2025
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Vor einem Jahr schloss der Karstadt Müllerstraße, einst die umsatzstärkste Filiale des Konzerns. Das Kaufhaus, 1978 an der Ecke Müllerstraße/Schulstraße eröffnet, war durch seine Lage am Leopoldplatz bestens angebunden. Als die Lichter nach der Schließung ausgingen, fürchteten viele einen jahrelangen Leerstand, doch am 1. April kommt Bewegung ins Gebäude.

Foto: Luca Tilly

Dank Bemühungen aus Politik und Gesellschaft wurde eine Zwischennutzung des Erdgeschosses für drei Jahre ermöglicht. Der Eigentümer, die Versicherungskammer Bayern, hat mit LIDL einen Pachtvertrag für 1.700 qm abgeschlossen. Die Umbauarbeiten laufen bereits, auch die Dachparkfläche soll Kund:innen zugänglich sein. Diese Pläne wurden bei einer Veranstaltung der Weddinger SPD am 14. Januar vorgestellt.

Die andere Hälfte des Erdgeschosses ist für gemeinwohlorientierte, künstlerische Nutzungen vorgesehen. Hierfür sollen Architekturbüros ein Konzept entwickeln. Langfristig plant der Eigentümer, das Gebäude umzubauen – vorgesehen sind ein kleineres Warenhaus, Büros und Wohnungen.

Straßenbild am Abend
Schulstraße/Müllerstraße

Bis jetzt gibt es zwischen Bezirk und dem Eigentümer keine Nutzungsvereinbarung. Sollte diese kommen, plant der Bezirk, die Fläche selbst zu bespielen - zum Beispiel mit künstlerischen Nutzungen. Bleibt zu hoffen, dass im Behörden-Pingpong die Zeit nicht wie im Fluge vergeht. Zack sind drei Jahre um, und, kaum eingezogen, müssen wieder alle raus.

Die Bayern verstehen den Wedding nicht

Egal wie viele Wohnungen am Ende gebaut werden: 40% davon sollen gefördert sein. Wenn weniger Büros geplant werden, liegt das auch am übervollen Büromarkt. Der ist voll von leeren Flächen. So leicht lassen sich hohe Umbaukosten über hohe Mieten nicht mehr hereinholen. Und wer weiß, vielleicht verhindert das am Ende sogar den Umbau an sich. Solange die Preise ausgereizt sind, könnte man auch auf Bestand setzen.

Wie auf der Veranstaltung angemerkt, ist die Versicherungskammer am Ende immer noch ein Investor, der auf Gewinn aus ist. Möglicherweise nachhaltiger als andere Investoren, aber dennoch auf Rendite aus. Auch wenn die Stadtteilvertretung Müllerstraße am Ende anmerkte, dass es schön wäre, "ein Haus für alle, für den Kiez hier", zu haben, war man sich einig, dass es wohl ein Wunsch bleiben wird: Der Satz „Die Bayern verstehen den Wedding nicht“ machte die Runde – was auch auf die Zwischennutzung bezogen war.


Dass LIDL kommt, ist gewiss. Was danach wird, ist aber noch längst nicht sicher. Oder wie Baustadtrat Gothe mehrere Male anmerkte: "Man kann diese Maschine, das Haus, nicht einfach an- und ausschalten." Bleibt zu hoffen, dass die Versicherungskammer nicht auf Leerlauf stellt.

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

Andaras Hahn

Andaras Hahn ist seit 2010 Weddinger. Er kommt eigentlich aus Mecklenburg-Vorpommern. Schreibt assoziativ, weiß aber nicht, was das heißt und ob das gut ist. Macht manchmal Fotos: @siehs_mal
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11 Comments Leave a Reply

  1. Wenn wir über Flächen für das Gemeinwohl reden, möchte ich anmerken: Ja, immer gerne Kunst und Kultur, aber was wirklich fehlt sind Flächen für Sport und Spiel gerade für Kinder und Familien. Seit das Bowling Center zu ist, gibt es davon noch weniger. Und dank Klimawandel haben wir ja fast keine richtigen Wintertage mehr sondern nur noch eine Art Regenzeit, das heißt, Bewegung draußen wird zwischen November und März immer schwieriger, weil man sich auf Spielplätzen immer durch eine schleimige Matschsuppe bewegt. ohnehin gab es im kinderreichen Wedding nie genug Angebot. Es ist blöd dass Eltern sich hier nicht artikulieren – aber ich schaffe es auch nicht. An jedem der Termine war entweder Arbeit oder Kinder-Aufsicht.

  2. Habe bei Karstadt seit Jahrzehnten Herrenoberbekleidung gekauft. Mittlere bis gute Qualität, war immer zufrieden. Letztens mal Karstadt am Hermannplatz besucht. Ohje, Angebot ausgedünnt, mehrere Rolltreppen und Aufzüge defekt. Inzwischen hat auch das Restaurant dauerhaft geschlossen. Ich meine, der nächste Aspirant, der dicht machen wird. Gesundbrunnencenter beherbergt zwar auch Filialen mit Herrenoberbekleidung, allerdings meist Mode für junge Leute. Für Ältere bleibt nur C&A, dürftige Auswahl und überwiegend billiger Ramsch. Tja, wo kann man sich in Wedding noch vernünftig einkleiden, wenn man dem Proledrift nichts abgewinnen kann?

  3. ohhhh jaaa-auf nen LIDL hab ich schon immer gewartet! Und ich vermisse Karstadt immer noch.Einkaufs.öglichkeiten jedweder Art ohne durch die ganze Stadt jetten zu müssen.Und in Zukunft..Ein paar Whg-Büros -davon gibt es doch schon so viele UND Büroräume-Leerstand auch genug in B.Schade das Konzept Anlaufstelle/Hilfe!!! für die Drogis vom Leo fand ich gut und Einrichtungen kulturell
    etc für die Bürger-auch gut.SchadeSchadeSchade

  4. So wie die Ära der Elektrogroßmärkte unwiderruflich dem Ende entgegen geht, ist die Zeit der Kaufhäuser längst unwiderruflich vorbei, so sehr ich die Entwicklung bedaure. Das Kaufhausgebäude am Leopoldplatz ist nicht mehr als ein pittoreskes Designartefakt aus den siebziger Jahren und schwerlich anderen Nutzungszwecken zuzuführen. „Ein Haus für alle Bürger“ oder „gemeinwohlorientierte, künstlerische Nutzung“, mit anderen Worten nichts anderes als steuerfinanzierte Subventionierung in Zeiten des anstehenden Bankrotts der Stadtfinanzen, dürfte wohl kaum realisierbar sein. Was bleibt, ist der Abriß, früher oder später, fragt sich nur, welche Absichten zukünftige Investoren mit dem Gelände haben. Lidl, als Zwischennutzer, immerhin besser als Leerstand.

  5. Ich bin immer wieder erstaunt, wie blauäugig viele Menschen an solche Dingen rangehen. Ein "ein Haus für alle, für den Kiez hier" ist gewünscht. Was sollen das denn bitte für "gemeinwohlorientierte, künstlerische" Nutzungen sein, die ein vollständiges ehemaliges Karstadt-Kaufhaus füllen? Ausstellungen von jungen Künstlern und ein paar Stadtteilgruppen ziehen sicher nicht ausreichen Publikum an.
    Klar könnte man jetzt irgendwie an Ateliers, Proberäume und Ähnliches denken, aber dafür müsste das Gebäude ja aufwendig umgebaut und saniert werden, wer soll das bezahlen? Wenn das gewollt wäre, müsste das Land Berlin das Gebäude kaufen und in eine öffentlich finanzierte Gemeinwohlnutzung überführen. Dafür ist aber derzeit kein Geld übrig. Und ehrlich gesagt, soooo wichtig ist der alte "Karstadt Kasten" jetzt auch nicht, dass die knappen Mittel in so ein Projekt gesteckt werden sollten. Da gibt es besser Projekte. Beispielsweise das ehemalige Gefängnis in der der Lehrter Straße, das gerade zu einer Kulturstädte umgebaut wird.
    Von daher ist doch völlig klar was passiert, eine Zwischennutzung die den Investoren möglichst viel Geld einbringt, das ist Lidl. Die restlichen Flächen dürfen gerne von "Künstlern" genutzt werden; immer noch besser als Leerstand. Wenn die Umbaupläne fertig, die Genehmigungen erteilt und die Finanzierung gesichert ist, wird das Gebäude bestmöglich kommerziell genutzt und dann ist Schluss mit den Zwischennutzungen. Was aus meiner Sicht auch okay ist. Ich verstehe zwar, dass einige Menschen nostalgische Gefühle mit dem ehemaligen „Karstadt“ verbinden. Aber Karstadt gibt es nicht mehr. Letztlich auch weil die „Weddinger“ nicht mehr genug dort eingekauft haben. Jetzt ist es nichts anderes als eine relativ hässliches großes Gebäude mit hohen Sanierungsbedarf. Wenn das wieder einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden kann; umso besser.

    • Das stimmt nicht, dass "die Weddinger" da nicht mehr genug eingekauft haben. Ich habe unzählige Male im Karstadt Wedding Dinge gesucht, die einst bei Karstadt in ganz Deutschland üblich, günstig und bewährt waren, und sie nicht mehr gefunden. Bis ich irgendwann nicht mehr hingegangen bin.

      Die Entscheidungen, Karstadt zu zerstören und schrittweise auszuschlachten, fielen bereits zwischen 2004 und 2009 - nachzulesen in dem Buch "Arcandors Absturz / Wie man einen Milliardenkonzern ruiniert: Madelaine Schickedanz, Thomas Middelhoff, Sal. Oppenheim" (Campus Verlag). Der letzte Karstadt-Manager Thomas Middelhoff, der auch die Karstadt-eigenen Häuser und Grundstücke verscherbelte, wurde wegen Untreue verurteilt und musste eine Haftstrafe antreten.

      Es gibt genug Beispiele für erfolgreiche Kaufhäuser auch heute noch (Kaufhaus des Nordens in zahlreichen Städten Norddeutschlands, Kaufhäuser in Paris zum Beispiel). Aber wenn die Reichen lieber Kasse machen (und das Geld in Steueroasen verschieben), anstatt Wirtschaft, dann haben wir das Nachsehen.

      • Wenn es dir damit besser geht, dann halte dir gerne den Gedanken aufrecht, dass „die Reichen“ aus Missgunst und Gewinnsucht, das prosperierende und zukunftsfähige Geschäftsmodell „stationäres Kaufhaus“ zerstört haben. Ich will nicht ausschließen, dass es bei Karstadt gravierenden Managementfehler gab, die die Situation noch zusätzlich verschärft und verschlechtert haben. Gleichwohl sind stationäre Kaufhäuser ein Auslaufmodell und zwar überall. Daran ändern einzelne „gallische Dörfer“ nichts.
        Ich persönlich weine ihnen auch keine Träne nach. So toll war das Erlebnis in den fensterlosen Kaufhäusern jetzt auch nicht und letztlich haben Kaufhof, Karstadt, Hertie und Co. in erster Linie ihre Eigentümer reich und die kleinen Fachgeschäfte kaputt gemacht. Ist ja nicht so, dass die Kaufhausketten altruistischen Allgemeinwohlzielen gedient haben. Jetzt ist eben ihre Zeit gekommen: Und Tschüss würde ich sagen!

        • Schade, dass Sie so schnell "Tschüss" sagen zu Karstadt. Aber der Trend geht leider immer stärker in die Vereinzelung: Einzelne Konzerne werden immer reicher, einzelne Personen bestellen von zu Hause aus online. Sie sind einzeln im Homeoffice. Dieser Trend zersplittert Gemeinschaft und auch Zusammenhalt. War doch schön, gemeinsam mit anderen bei Karstadt einzukaufen oder im Restaurant zu sitzen.

          • Ich finde es übertrieben, dass mittlerweile Kaufhäuser zu Gemeinschafts- und Begnungsorten hochsitlisiert werden. Iregendwie scheinen alles zu vergessen, dass die Kaufhäuser in den 80er und 90ern die kleinen Fachgeschäfte kaputt gemacht haben, weil dem kleinen Spielwaren- oder Werkzeugladen die Kunden fehlten.

            Die Kaufhäuser der großen Ketten waren kapitaltisitsche Konsumtempel. Durchoptimiert und möglichst viel Geld aus den Taschen der Leute zuziehen, die sich in den Kasten verirren. Das Sortiment Mittelmaß zu teueren Preisen. Kein Tageslicht. Schlechte Musik. Alles schön nach amerikanischen Vorbild.

            Ich jedenfalls habe nicht das Gefühlm, dass ich vereinzelt bin, weil die Kaufhäuser schließen. Im Gegenteil. Ich beobachte, dass es eine Renaissance der kleinen Cafes und Gastronomie gibt. Und ich gehe allemal lieber in das kleine Cafe oder Restaurant um die Ecke, als in die "Kantine" vom Karstadt.

        • Ich bin da gespalten. Ich bin immer wieder zum Karstadt gegangen, sei es für Socken oder Unterwäsche oder Spielzeug für die Kids. Ich sehe schon Wert und Potenzial da. Gerade die nicht mehr ganz junge Kundschaft schätzt ja Verlässlichkeit und Stabilität und hat auch Kaufkraft. Das Restaurant war nett, und auch die Kombi mit dem Asiamarkt unten. Zugleich war offensichtlich, dass das Geschäftsmodell nicht mehr läuft, und dass offensichtlich niemand kompetentes sich da dran gesetzt hat. Die fehlende Verbindung zu E-Commerce hat mich immer irritiert. Warum kann ich in der Filiale nichts nach Hause bestellen, wenn das passende gerade nicht verfügbar ist? Warum gibt es keine strategischen Partnerschaften zB mit Otto? Und mit Dienstleistern, die Präsenz brauchen, wie Optiker? Oder Flächen für Beratungsräume der Sparkasse oder Volksbank wo sie Kunden treffen können? Ja, das Design war auch nicht mehr zeitgemäß, so fensterlos. Das wären alles Investitionen gewesen, die man hätte tätigen müssen, aber es wäre doch besser gewesen als den Laden in den Abgrund laufen zu lassen? Aber so funktioniert das halt heute, da ist im Management und bei den Investoren keiner, der wirklich eine Vision hat. Stattdessen sind dann die Klamotten nach Marken getrennt aufgebaut worden, besonders am Alex. Die „Schuhabteilung“ sieht aus wie ein Nike showroom. Dafür brauche ich kein Kaufhaus. naja, isch vorbei. Was mir noch im Gedächtnis bleibt ist ein ganzes Stockwerk von der Größe von Texas – voller Damenunterwäsche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine effiziente Flächennutzung war.

          • Naja, die Krise des Geschäftsmodells "Kaufhaus" geht ja jetzt schon seit Jahrzehnten. Da haben sich viele Manager und Unternehmensberater alles mögliche überlegt, um das Kaufhaus zu "retten". Und die sind auch nicht alle komplett unfähig und dumm. Das mit strategischen Partnerschaften, "click und collect" und und und wurde ja alles ausprobiert. Am Ende ist das aber alles nicht konkurrenz- und tragfähig.

            Kaufhäuser bieten ein wenig ausdifferenziertes Sortiment zu relativ teuren Preisen. Es gibt so mehr oder weniger von allem etwas. Aber nichts richtiges Gutes und nichts richtig Günstiges. Das wird von den Kunden einfach nicht mehr angenommen. Die Kunden wollen entweder möglichst billig. Das gibt es jetzt im Internet oder bei Kick, Primark und Co. oder sie wollen richtig gut. Das gibt es jetzt wieder vermehrt in Fachgeschäften und Boutiquen. Für das Mittelsegment ist kein Platz mehr. Und ich vermisse es auch nicht.

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