Vor einem Jahr schloss der Karstadt Müllerstraße, einst die umsatzstärkste Filiale des Konzerns. Das Kaufhaus, 1978 an der Ecke Müllerstraße/Schulstraße eröffnet, war durch seine Lage am Leopoldplatz bestens angebunden. Als die Lichter nach der Schließung ausgingen, fürchteten viele einen jahrelangen Leerstand, doch am 1. April kommt Bewegung ins Gebäude.
Foto: Luca Tilly
Dank Bemühungen aus Politik und Gesellschaft wurde eine Zwischennutzung des Erdgeschosses für drei Jahre ermöglicht. Der Eigentümer, die Versicherungskammer Bayern, hat mit LIDL einen Pachtvertrag für 1.700 qm abgeschlossen. Die Umbauarbeiten laufen bereits, auch die Dachparkfläche soll Kund:innen zugänglich sein. Diese Pläne wurden bei einer Veranstaltung der Weddinger SPD am 14. Januar vorgestellt.
Die andere Hälfte des Erdgeschosses ist für gemeinwohlorientierte, künstlerische Nutzungen vorgesehen. Hierfür sollen Architekturbüros ein Konzept entwickeln. Langfristig plant der Eigentümer, das Gebäude umzubauen – vorgesehen sind ein kleineres Warenhaus, Büros und Wohnungen.
Bis jetzt gibt es zwischen Bezirk und dem Eigentümer keine Nutzungsvereinbarung. Sollte diese kommen, plant der Bezirk, die Fläche selbst zu bespielen - zum Beispiel mit künstlerischen Nutzungen. Bleibt zu hoffen, dass im Behörden-Pingpong die Zeit nicht wie im Fluge vergeht. Zack sind drei Jahre um, und, kaum eingezogen, müssen wieder alle raus.
Die Bayern verstehen den Wedding nicht
Egal wie viele Wohnungen am Ende gebaut werden: 40% davon sollen gefördert sein. Wenn weniger Büros geplant werden, liegt das auch am übervollen Büromarkt. Der ist voll von leeren Flächen. So leicht lassen sich hohe Umbaukosten über hohe Mieten nicht mehr hereinholen. Und wer weiß, vielleicht verhindert das am Ende sogar den Umbau an sich. Solange die Preise ausgereizt sind, könnte man auch auf Bestand setzen.
Wie auf der Veranstaltung angemerkt, ist die Versicherungskammer am Ende immer noch ein Investor, der auf Gewinn aus ist. Möglicherweise nachhaltiger als andere Investoren, aber dennoch auf Rendite aus. Auch wenn die Stadtteilvertretung Müllerstraße am Ende anmerkte, dass es schön wäre, "ein Haus für alle, für den Kiez hier", zu haben, war man sich einig, dass es wohl ein Wunsch bleiben wird: Der Satz „Die Bayern verstehen den Wedding nicht“ machte die Runde – was auch auf die Zwischennutzung bezogen war.
Dass LIDL kommt, ist gewiss, was danach ist aber noch längst nicht sicher. Oder wie Baustadtrat Gothe mehrere Male anmerkte: "Man kann diese Maschine, das Haus, nicht einfach an- und ausschalten." Bleibt zu hoffen, dass die Versicherungskammer nicht auf Leerlauf stellt.