Das Afrikanische Viertel verfügt über keine richtige Hauptstraße mit vielen Geschäften und Cafés. Nur die breite Transvaalstraße hat als Parallelstraße zur Seestraße eine gewisse Bedeutung als Verkehrsachse – die Staus im Berufsverkehr zeigen deutlich, dass sie als Schleichweg durchaus bekannt ist. Ein bisschen farblos und uninteressant – so zeigt sich diese Weddinger Straße auf den ersten Blick. Doch dieser Eindruck täuscht.
Ihr Name macht schon mal neugierig. Als die niederländischen Buren 1852 aus der britischen Kapprovinz nach Norden zogen und eigene Republiken gründeten, bildete der Fluss Vaal die Südgrenze des Transvaal genannten Staates. Das Gebiet, das reich an Goldvorkommen war, wurde später britische Kolonie. 1907 bereits erhielt die Straße 28a im Afrikanischen Viertel im Wedding den Namen Transvaal – eine Zeit, in der Deutschland als Kolonialmacht auch ein Statement zu den Burenkriegen setzen wollte. Und nicht nur eine Straße bezieht sich auf die stolze Burenrepublik: In Amsterdam, Den Haag und Emden heißen ganze Stadtteile „Transvaal“. Der bekannteste Sohn des Emder Transvaal ist übrigens Otto Waalkes.
Ganz im Westen zerschneidet die Transvaalstraße, die auf diesem Abschnitt ihren Namen erst seit 1933 trägt, die Anlagen des Volksparks Rehberge und des Goetheparks. Die Straßenränder sind zugeparkt, zugemüllt und der schmale Radweg ist in einem beklagenswerten Zustand. Die Reihenhäuser der Siedlung Jungfernheide grenzen an die Straße. Fährt man vom Park aus auf die Afrikanische Straße zu, beeindruckt die Kreuzung schon mit einem freistehenden Mietshaus und einem Seniorenheim mit abgerundeter Ecke.
Gleich dahinter ragen rechts Betongebirge mit Plattenbauten an der Guineastraße in die Höhe, doch das bleibt nicht so: Die Transvaalstraße hat auf ihrer Nordseite eine geschlossene Altbaufassadenreihe, mit durchaus interessanten Geschäften: der Plattenladen schoenwettermusik (Hausnr. 21), ein äußerst freundlicher Backshop namens GoldBack (Nr 16) und in der 13 als Highlight des ganzen Kiezes das Eiscafe Kibo – ein Ort, dessen Name sich auf den höchsten Berg Afrikas bezieht. Wobei Eiscafe zu wenig gesagt ist – in Wirklichkeit versorgt das Kibo das ganze Viertel mit leckerem Kuchen, Crêpes und natürlich Eis. Seit Ramona das Café im Jahr 2013 gegründet hat, halten plötzlich Autofahrer auch mal an der Transvaalstraße an, werden Familien mit Kindern gesichtet und es sitzen sogar Menschen auf dem Bürgersteig – ein Café, das den Kiez wirklich verändert hat.
Gleich daneben mündet die Togostraße in die Transvaalstraße. Sie hat einen breiten Grünstreifen, in dessen Mitte ein alteingesessener Kiosk thront. Vor der Gründung des Café Kibo prägten nur dessen Gäste das Straßenbild. Wie sich die Straße verändert, zeigt schon das nächste Haus mit der Nr. 11. Dort hat sich das Yogastudio Blue Panta angesiedelt und zieht ein gesundheitsbewusstes, junges Publikum an. Gegenüber wird auf dem Sportplatz Cornelius-Fredericks-Straße gekickt; im Winter bestrahlt das Flutlicht die Transvaalstraße mit seinem kalten Licht.
Ab der nächsten Ecke mit der Cornelius-Fredericks-Straße beginnt beiderseits der Transvaalstraße ein Altbauviertel. Die Häuser haben beeindruckende Fassaden mit hübschen Balkonen, die erst auf den zweiten Blick zeigen, welche schönen Wohnungen sich dahinter verbergen. Hier wächst die Dichte an Geschäften: es gibt einen Blumenladen, einen Weinladen, die alteingesessene Blase´s Sportbar und eine Shisha-Bar. So richtig lebendig wird die Transvaalstraße aber auch hier nicht – zu viel Verkehr, zu lieblose Bürgersteige, eine Straße, die man lieber schnell durchquert, anstatt sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Das ist ein bisschen schade, denn die Transvaalstraße hat durchaus das Potenzial, eine Geschäftsstraße zu sein. Immerhin wurden in letzter Zeit ein paar neue Bäume gepflanzt.
Die Transvaalstraße endet an der Müllerstraße und trumpft noch einmal mit zwei schönen Eckhäusern auf, Sogar eine Windmühle ist auf der Hausnummer 1 aufgemalt und erinnert an die Nutzung dieser Gegend, bevor hier Mietshäuser gebaut wurden. Nicht alle im Kiez sind glücklich über den Mieter in diesem Mühlenhaus, dem Drogenkonsumraum Mühlenstube. Doch die Transvaalstraße ist eben Teil dieser Stadt und kann sich nicht von ihren Problemen abkoppeln.
Wie ist nun also die Transvaalstraße? Ein bisschen langweilig? Nur für den, der nicht genau hinschaut. So ist die Einfahrt zu einem Garagenhof an der Hausnummer 7 mit bunten Wandbildern verziert. Das ist vielleicht ein Symbol der Hoffnung. Für den Blumenladen unter neuer Bewirtschaftung. Für das Eiscafé. Und auch für die Bewohner:innen des Straße.
Dieses Straßenporträt hat sich unsere Leserin Martha gewünscht. Sie schrieb uns: “Ihr seid klasse! Ihr tragt so wahnsinnig zu meinem guten Stadtteilgefühl bei und macht den Wedding für mich zu einem lebenswerterem Ort! Danke 🙂”
Die Transvaalstr war mein erster Schulweg zur damaligen Goethepark-Grundschule. Hier haben mein erster Schulfreund und ich uns im Alter von 6 Jahren im Spielzeugladen (vermutlich H‑Nr 2) unsere ersten Motorräder gekauft. Er ne Suzuki und ich ne Kawasaki. Mit 20 hatten wir dann genau diese in echt. Träume werden wahr.
😉 Schöne Erinnerungen