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Versteckte Facetten einer Weddinger Straße:
Graumäusig oder bunt? Die Transvaalstraße

2. Dezember 2024
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Das Afri­ka­ni­sche Vier­tel ver­fügt über kei­ne rich­ti­ge Haupt­stra­ße mit vie­len Geschäf­ten und Cafés. Nur die brei­te Trans­vaal­stra­ße hat als Par­al­lel­stra­ße zur See­stra­ße eine gewis­se Bedeu­tung als Ver­kehrs­ach­se – die Staus im Berufs­ver­kehr zei­gen deut­lich, dass sie als Schleich­weg durch­aus bekannt ist. Ein biss­chen farb­los und unin­ter­es­sant – so zeigt sich die­se Wed­din­ger Stra­ße auf den ers­ten Blick. Doch die­ser Ein­druck täuscht.

Ihr Name macht schon mal neu­gie­rig. Als die nie­der­län­di­schen Buren 1852 aus der bri­ti­schen Kap­pro­vinz nach Nor­den zogen und eige­ne Repu­bli­ken grün­de­ten, bil­de­te der Fluss Vaal die Süd­gren­ze des Trans­vaal genann­ten Staa­tes. Das Gebiet, das reich an Gold­vor­kom­men war, wur­de spä­ter bri­ti­sche Kolo­nie. 1907 bereits erhielt die Stra­ße 28a im Afri­ka­ni­schen Vier­tel im Wed­ding den Namen Trans­vaal – eine Zeit, in der Deutsch­land als Kolo­ni­al­macht auch ein State­ment zu den Buren­krie­gen set­zen woll­te. Und nicht nur eine Stra­ße bezieht sich auf die stol­ze Buren­re­pu­blik: In Ams­ter­dam, Den Haag und Emden hei­ßen gan­ze Stadt­tei­le „Trans­vaal“. Der bekann­tes­te Sohn des Emder Trans­vaal ist übri­gens Otto Waalkes.

Ganz im Wes­ten zer­schnei­det die Trans­vaal­stra­ße, die auf die­sem Abschnitt ihren Namen erst seit 1933 trägt, die Anla­gen des Volks­parks Reh­ber­ge und des Goe­the­parks. Die Stra­ßen­rän­der sind zuge­parkt, zuge­müllt und der schma­le Rad­weg ist in einem bekla­gens­wer­ten Zustand. Die Rei­hen­häu­ser der Sied­lung Jung­fern­hei­de gren­zen an die Stra­ße. Fährt man vom Park aus auf die Afri­ka­ni­sche Stra­ße zu, beein­druckt die Kreu­zung schon mit einem frei­ste­hen­den Miets­haus und einem Senio­ren­heim mit abge­run­de­ter Ecke. 

Gleich dahin­ter ragen rechts Beton­ge­bir­ge mit Plat­ten­bau­ten an der Gui­ne­a­stra­ße in die Höhe, doch das bleibt nicht so: Die Trans­vaal­stra­ße hat auf ihrer Nord­sei­te eine geschlos­se­ne Alt­bau­fas­sa­den­rei­he, mit durch­aus inter­es­san­ten Geschäf­ten: der Plat­ten­la­den schoen­wet­ter­mu­sik (Hausnr. 21), ein äußerst freund­li­cher Back­shop namens Gold­Back (Nr 16) und in der 13 als High­light des gan­zen Kiezes das Eis­ca­fe Kibo – ein Ort, des­sen Name sich auf den höchs­ten Berg Afri­kas bezieht. Wobei Eis­ca­fe zu wenig gesagt ist – in Wirk­lich­keit ver­sorgt das Kibo das gan­ze Vier­tel mit lecke­rem Kuchen, Crê­pes und natür­lich Eis. Seit Ramo­na das Café im Jahr 2013 gegrün­det hat, hal­ten plötz­lich Auto­fah­rer auch mal an der Trans­vaal­stra­ße an, wer­den Fami­li­en mit Kin­dern gesich­tet und es sit­zen sogar Men­schen auf dem Bür­ger­steig – ein Café, das den Kiez wirk­lich ver­än­dert hat.

Gleich dane­ben mün­det die Togo­stra­ße in die Trans­vaal­stra­ße. Sie hat einen brei­ten Grün­strei­fen, in des­sen Mit­te ein alt­ein­ge­ses­se­ner Kiosk thront. Vor der Grün­dung des Café Kibo präg­ten nur des­sen Gäs­te das Stra­ßen­bild. Wie sich die Stra­ße ver­än­dert, zeigt schon das nächs­te Haus mit der Nr. 11. Dort hat sich das Yoga­stu­dio Blue Pan­ta ange­sie­delt und zieht ein gesund­heits­be­wuss­tes, jun­ges Publi­kum an. Gegen­über wird auf dem Sport­platz Cor­ne­li­us-Fre­de­ricks-Stra­ße gekickt; im Win­ter bestrahlt das Flut­licht die Trans­vaal­stra­ße mit sei­nem kal­ten Licht.

Ab der nächs­ten Ecke mit der Cor­ne­li­us-Fre­de­ricks-Stra­ße beginnt bei­der­seits der Trans­vaal­stra­ße ein Alt­bau­vier­tel. Die Häu­ser haben beein­dru­cken­de Fas­sa­den mit hüb­schen Bal­ko­nen, die erst auf den zwei­ten Blick zei­gen, wel­che schö­nen Woh­nun­gen sich dahin­ter ver­ber­gen. Hier wächst die Dich­te an Geschäf­ten: es gibt einen Blu­men­la­den, einen Wein­la­den, die alt­ein­ge­ses­se­ne Blase´s Sport­bar und eine Shi­sha-Bar. So rich­tig leben­dig wird die Trans­vaal­stra­ße aber auch hier nicht – zu viel Ver­kehr, zu lieb­lo­se Bür­ger­stei­ge, eine Stra­ße, die man lie­ber schnell durch­quert, anstatt sich an ihrer Schön­heit zu erfreu­en. Das ist ein biss­chen scha­de, denn die Trans­vaal­stra­ße hat durch­aus das Poten­zi­al, eine Geschäfts­stra­ße zu sein. Immer­hin wur­den in letz­ter Zeit ein paar neue Bäu­me gepflanzt. 

Die Trans­vaal­stra­ße endet an der Mül­lerstra­ße und trumpft noch ein­mal mit zwei schö­nen Eck­häu­sern auf, Sogar eine Wind­müh­le ist auf der Haus­num­mer 1 auf­ge­malt und erin­nert an die Nut­zung die­ser Gegend, bevor hier Miets­häu­ser gebaut wur­den. Nicht alle im Kiez sind glück­lich über den Mie­ter in die­sem Müh­len­haus, dem Dro­gen­kon­sum­raum Müh­len­stu­be. Doch die Trans­vaal­stra­ße ist eben Teil die­ser Stadt und kann sich nicht von ihren Pro­ble­men abkoppeln.

Wie ist nun also die Trans­vaal­stra­ße? Ein biss­chen lang­wei­lig? Nur für den, der nicht genau hin­schaut. So ist die Ein­fahrt zu einem Gara­gen­hof an der Haus­num­mer 7 mit bun­ten Wand­bil­dern ver­ziert. Das ist viel­leicht ein Sym­bol der Hoff­nung. Für den Blu­men­la­den unter neu­er Bewirt­schaf­tung. Für das Eis­ca­fé. Und auch für die Bewohner:innen des Straße. 

Die­ses Stra­ßen­por­trät hat sich unse­re Lese­rin Mar­tha gewünscht. Sie schrieb uns: “Ihr seid klas­se! Ihr tragt so wahn­sin­nig zu mei­nem guten Stadt­teil­ge­fühl bei und macht den Wed­ding für mich zu einem lebens­wer­te­rem Ort! Dan­ke 🙂

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

1 Comment Leave a Reply

  1. Die Trans­vaal­str war mein ers­ter Schul­weg zur dama­li­gen Goe­the­park-Grund­schu­le. Hier haben mein ers­ter Schul­freund und ich uns im Alter von 6 Jah­ren im Spiel­zeug­la­den (ver­mut­lich H‑Nr 2) unse­re ers­ten Motor­rä­der gekauft. Er ne Suzu­ki und ich ne Kawa­sa­ki. Mit 20 hat­ten wir dann genau die­se in echt. Träu­me wer­den wahr.
    😉 Schö­ne Erinnerungen

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