Der Wedding hat eine verloren geglaubte Lokalität wieder zurück. Die Eckkneipe an der Osloer/Prinzenallee ist seit 2018 das “Gedeih & Verderb” und immer noch genauso urig und original Berlin wie schon vor hundert Jahren. Wir hatten kurz nach der Eröffnung mit einer von zwei Betreibern – Natalie – über unsere Stammkneipe unten an der Prinzenallee gesprochen.
Wer steckt hinter dem „Gedeih und Verderb“?
Natalie: Wir haben uns lange Zeit gelassen mit der Namensgebung und etliche Ideen geprüft und wieder verworfen. Der Name ist ein sehr wichtiges Merkmal für eine Bar. Er sollte den Spirit des Ortes bereits wiedergeben, bevor man ihn betreten hat. Die Wahl fiel dann auf „Gedeih & Verderb“. Der Name ironisiert ein wenig den Trend, zwei Begriffe durch ein „und“ zu verbinden, da gibt es viele Beispiele in der Gastroszene in Berlin. „Gedeih & Verderb“ ist jedoch auch ein feststehender Begriff und drückt Bedingungslosigkeit und Verbindlichkeit aus, es schwingen jedoch auch Verwegenheit, Risiko und ein wenig Fatalismus mit.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, zusammenzuarbeiten?
Natalie: Wir kennen uns jetzt seit einigen Jahren und hatten schon manchmal gemeinsam darüber nachgedacht, etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen. Wir wollten nochmal einen Raum im Wedding gestalten, und hatten Lust, das im Team zu machen. Tom macht ja schon seit fünf Jahren die Anita Berber und ich das Oh! Calcutta. Wir schmeißen die beiden Läden jeweils alleine. Wenn man im Team arbeitet, hat man auch doppelt so viel Input und kann einfach mehr Ideen umsetzen.
Warum war es euch wichtig, die Ideen im Wedding auszuprobieren?
Natalie: Wir mögen den Wedding. Wir leben und arbeiten hier und wir identifizieren uns mit der Geschichte und Diversität. Der Wedding ist immer noch sehr entspannt, er hat nichts Prätentiöses und will keiner Hipness suchenden Crowd gefallen. Ich komme mir jetzt ein wenig altbacken vor, wenn ich sage: Hier kennt man sich. Ist aber so. Auch die meisten Barbesitzer kennen sich untereinander und wir mögen und unterstützen uns gegenseitig. Das macht einfach Spaß und gibt ein gutes Gefühl.
Was reizt euch an der eigentlich recht unspektakulären Ecke?
Natalie: Wir finden diese Ecke nicht unspektakulär. Abgesehen davon, dass sie ein wundervolles und diverses Angebot zum Essen und Trinken bietet (Kamine und Wein, El Pepe, Malör, la Fiamma, BAK, Curry & Chili und nun auch Gedeih & Verderb) ist diese Ecke auch eine Achse zwischen Pankow, Prenzlauer Berg und Gesundbrunnen/Wedding. Direkt gegenüber befindet sich in dem ehemaligen Umspannwerk aus den Zwanzigerjahren das Atelierhaus Christiania und ein paar Meter die Osloer Straße rauf ist die Fabrik Osloer Straße mit vielen Angeboten für Familien und Kinder. Dieser Standort hat für uns definitiv einen sehr guten Vibe.
Wird es auch Live-Musik wie im alten Prinzinger beziehungsweise Parties geben oder ist es eine reine Bar?
Natalie: Wir werden auch hin und wieder Veranstaltungen machen. Wir haben auch bereits unser erstes Konzert veranstaltet, und es war sehr, sehr schön. Ich bin mir nicht sicher, ob es im Prinzinger Parties gegeben hat, da das eigentlich in dem Haus wegen der Nachbarn nicht geht. Also, nein, es wird keine Parties geben, aber auf jeden Fall Veranstaltungen verschiedenster Art.
Was macht das Gedeih und Verderb aus? Was ist das Besondere?
Natalie: Wir finden, dass bereits die alte Bausubstanz sowie das originale Rückbuffet, das seit hundert Jahren dort steht, Alleinstellungsmerkmal sind. Die meisten dieser wirklich alten Berliner Eckkneipen sind ja leider in den letzten Jahrzehnten entweder kaputt renoviert worden, oder wurden gleich ganz beseitigt. Die Atmosphäre in solch authentischen Räumen ist an sich schon unvergleichlich und kann nicht einfach so an beliebigen Orten hergestellt werden.
Bezüglich des Angebots wollen wir in Zukunft auch unsere Cocktailkarte weiter ausbauen und in dem Bereich etwas ganz Besonderes anbieten. Das wird aber sicher noch ein wenig dauern. Dass wir, wie auch der Vorbesitzer, das Panke Gold von Eschenbräu anbieten, ist natürlich im Wedding nicht einzigartig, in der Nachbarschaft jedoch schon.
Habt ihr viel an dem Laden geändert, renoviert, rausgeschmissen?
Natalie: Wir haben zwei Monate lang umgebaut. Viele Arbeiten fallen jedoch nicht gleich ins Auge, wenn man hereinkommt und die Bar mit dem Prinzinger vergleicht. Wir finden es toll, dass der Vorbesitzer so behutsam und geschickt mit der Substanz umgegangen ist, und profitieren natürlich davon, da dem Ganzen optisch nicht mehr so viel hinzugefügt werden musste. Allerdings war einiges renovierungsbedürftig und musste instandgesetzt werden.Die Toiletten haben wir allerdings komplett umgebaut bzw. erweitert.
Was erhofft ihr euch von der Zukunft mit dem neuen Laden?
Natalie: Weitere hundert Jahre Kneipe!
Gedeih & Verderb, Prinzenallee 72, 13357 Berlin, Facebook-Seite Gedeih und Verderb, Mo-Do ab 19 – 1 Uhr, Fr, Sa ab 20 Uhr– 2 Uhr (2024)
Fotos: Antonia Meissner
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