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Ex-Diesterweg: Runder Tisch soll vermitteln

6. Mai 2019
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Sabine Horlitz
Sabi­ne Hor­litz vom Non-Pro­fit ps.wedding ver­tei­digt ihr Pro­jekt. Foto: And­rei Schnell

06.05.2019 Wie­der eine neue Wen­dung beim Ex-Dies­ter­weg-Gym­na­si­um im Brun­nen­vier­tel: Bei einer Info­ver­an­stal­tung am 2. Mai stimm­ten die Stadt­rä­te für Schu­le, Cars­ten Spal­lek (CDU), und für Stadt­ent­wick­lung, Ephra­im Gothe (SPD), einem Run­den Tisch zu. Wie­der ein­mal ist offen, wie es mit dem Gelän­de wei­ter­geht. Aktu­ell wird gestrit­ten, ob Abriss und Schul­neu­bau kom­men soll oder ob es doch noch eine Mög­lich­keit gibt, das alter­na­ti­ve, gemein­wohl­ori­en­tier­te Pro­jekt von ps wed­ding auf der Flä­che unterzubringen.

Streit­punkt ist, ob das mar­kan­te, oran­ge­far­be­ne Schul­ge­bäu­de im Brun­nen­vier­tel zwi­schen Put­bus­ser und Swi­ne­mün­der Stra­ße abge­ris­sen wer­den soll, damit eine neue, moder­ne Schu­le gebaut wer­den kann. Gro­ße Flä­chen in öffent­li­cher Hand sind in Mit­te nur noch weni­ge vor­han­den. Um Ober­schu­len für Schü­ler zu bau­en, die heu­te die Grund­schu­len über­fül­len, fehlt es an Platz. Einer­seits. Ande­rer­seits hat­te die Bezirks­po­li­tik jah­re­lang ande­re Plä­ne mit dem Gelän­de. Sie woll­te ursprüng­lich die Flä­che an die gemein­wohl­ori­en­tier­te Initia­ti­ve ps.wedding geben. Im letz­ten Jahr erfolg­te ein Sinneswandel.

Runder Tisch

Die Schule wächst zu und verfällt langsam. Foto: Stefanie Ostertag
Die Schu­le wächst zu und ver­fällt lang­sam. Foto: Ste­fa­nie Ostertag

“Man muss ehr­lich sein: es geht um einen Nut­zungs­kon­flikt”, fass­te Cars­ten Spal­lek sei­ne Sicht zusam­men. Für ihn und Ephra­im Gothe steht fest, es gehe um die Fra­ge, ob Schu­le oder Woh­nen oder Kul­tur auf die Flä­che kom­me. Ein “hand­fes­ter Ver­tei­lungs­kampf”. Meh­re­re Stim­men im Saal ver­lang­te dage­gen, das Ent­we­der-Oder-Den­ken zu über­win­den.  Es kön­ne meh­re­re Nut­zungs­ar­ten geben.

Für den bei der Ver­an­stal­tung beschlos­se­nen Run­den Tisch, bei dem zwi­schen gegen­läu­fi­gen Inter­es­sen ver­mit­telt wer­den soll, stell­ten die bei­den Stadt­rä­te Bedin­gun­gen. “Bis nach der Som­mer­pau­se soll­te ein Ergeb­nis ste­hen”, ver­lang­te Cars­ten Spal­lek. Ein “arbeits­fä­hi­ges Gre­mi­um mit maxi­mal 20 Betei­lig­ten”, for­der­te Ephra­im Gothe. Letz­te­rer for­der­te wei­ter: “Bestand­teil muss sein, Lösun­gen für den gan­zen Bezirk im Fokus zu haben”. Aus­schließ­lich die Sicht des Brun­nen­vier­tels dür­fe beim Run­den Tisches nicht maß­geb­lich sein.

Längst ist die Zukunft des Gelän­des kein allei­ni­ges Bezirks­the­ma mehr. Bei der Ver­an­stal­tung spra­chen Abge­ord­ne­te wie die bil­dungs­po­li­ti­sche Spre­che­rin der SPD, Maja Lasić, und der Spre­cher für Wis­sen­schaft der Lin­ken, Tobi­as Schul­ze. In der Ver­gan­gen­heit bereits mehr­mals mit dem Fall befasst waren die Sena­to­rin für Stadt­ent­wick­lung Kat­rin Lomp­scher (Lin­ke) und Finanz­se­na­tor Mat­thi­as Kol­latz (SPD). Für ps.wedding ist der Vor­gang ein “Lack­mus­test, wie ehr­lich das Senats­ver­spre­chen sei, mehr Betei­li­gung der Zivil­ge­sell­schaft zu wollen”.

Abriss und Neubau als Vorwärtsgang

Gothe und Spallek
Ephra­im Gothe (links) und Cars­ten Spal­lek im Gespräch mit Quar­tiers­ma­na­ge­rin Kat­ja Nig­ge­mei­er am 2. Mai 2019. Foto: And­rei Schnell

Argu­men­te für Abriss und Neu­bau tru­gen die Stadt­rä­te Cars­ten Spal­lek und Ephra­im Gothe vor. “Bis­lang war Rück­wärts­gang gefor­dert, wir muss­ten Grund­stü­cke abge­ben. Jetzt müs­sen wir in den Vor­wärts­gang. Es ist noch völ­lig unge­wohnt, an Schul­neu­bau zu den­ken”, sag­te Ephra­im Gothe. Er prä­sen­tier­te das neue Schul­kon­zept des Senats mit dem Namen “Com­part­ment-Schu­le”. Die­se “neue, inter­es­san­te und viel­fäl­ti­ge Schu­le” sei eine Abkehr von der “Flur­schu­le”  mit auf­ge­reih­ten Klas­sen­zim­mern. Eine sol­che Schu­le benö­ti­ge viel Platz. Sogar so viel, dass kei­ne der von ihm vor­ge­stell­ten Vari­an­ten mit der vor­han­de­nen Flä­che zwi­schen Put­bus­ser und Swi­ne­mün­der Stra­ße aus­kä­me. Cars­ten Spal­lek blick­te in die Zukunft. Er stell­te Zah­len vor, die zei­gen, dass bis 2030 in Mit­te an Ober­schu­len über 1.500 Schul­plät­ze feh­len wer­den. “Dabei müs­sen wir ber­lin­weit den­ken, auch die Nach­bar­be­zir­ke wer­den künf­tig immer weni­ger Schü­ler aus Mit­te auf­neh­men kön­nen.” Zur Zeit wür­den 30% aller Ober­schü­ler sich eine wei­ter­füh­ren­de Schu­le außer­halb von Mit­te suchen.

Stimmung im Saal für ps.wedding

Publikum
Über 100 Hän­de heben sich bei der Fra­ge, wer im Brun­nen­vier­tel wohnt. Foto: And­rei Schnell

Die über 100 Anwoh­ner, die gekom­men waren, wirk­ten von den Argu­men­ten der Stadt­rä­te nicht über­zeugt. Sie stell­ten über­wie­gend kri­ti­sche Nachfragen.

Die Non-Pro­fit-Initia­ti­ve argu­men­tier­te, dass Poli­tik ver­läss­lich sein müs­se. Sie erin­ner­ten an das Ver­spre­chen des Bezirks, ihnen das Gelän­de für preis­wer­ten Woh­nungs­bau und für ein sozio­kul­tu­rel­les Zen­trum zu über­las­sen. Die Initia­ti­ve, deren Mit­glie­der seit 15 Jah­ren im Brun­nen­vier­tel woh­nen, ver­ste­hen sich als gemein­wohl­ori­en­tiert. “War­um gibt es so vie­le Wider­stän­de gegen nicht-gewinn­ori­en­tier­te Orga­ni­sa­tio­nen”, frag­te Sabi­ne Hor­litz. Für ihre Prä­sen­ta­ti­on erhielt Sabi­ne Hor­litz andau­ern­den Applaus.

Hintergrund

Schon lange weg: das Diesterweg-Gymnasium. Foto: Sulamith Sallmann
Schon lan­ge weg: das Dies­ter­weg-Gym­na­si­um. Foto: Sula­mith Sallmann

Im Brun­nen­vier­tel sind vie­le Anwoh­ner genervt von der Ver­wahr­lo­sung des Gelän­des. 17.453 Qua­drat­me­ter kom­mu­na­les Land gam­meln seit 2012 zwi­schen der Put­bus­ser und der Swi­ne­mün­der Stra­ße vor sich hin. Seit­dem das Dies­ter­weg-Gym­na­si­um aus­zog, ist das Gelän­de attrak­tiv für Leu­te mit Hang zum Vandalismus.

“Wir waren damals rat­los, was wir mit dem Gelän­de machen soll­ten”, erin­nert sich Stadt­rat Ephra­im Gothe. Cars­ten Spal­lek ergänzt: “Mit­te war plei­te”. In die­ser Situa­ti­on sei das Bezirks­amt begeis­tert gewe­sen, mit ps.wedding für Schu­le und Gelän­de einen sinn­vol­len Nach­nut­zer gefun­den zu haben. Doch offen­bar hat das für Ber­lin typi­sche Ver­wal­tungs­ver­sa­gen die Zusa­ge des Bezirks unter­gra­ben. Inner­halb von sie­ben Jah­ren kam weder eine kon­kre­te Grund­stücks­über­tra­gung noch ein Erb­bau­ver­trag zustan­de. Selbst die ber­lin­weit ein­ma­li­ge Koope­ra­ti­on von ps.wedding als Non-Pro­fit-Ini­ta­ti­ve mit dem lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­bau­un­ter­neh­men Dege­wo konn­te kei­ne Bewe­gung in die Sache brin­gen. Der nun beschlos­se­ne Run­de Tisch ist damit ein wei­te­rer Schritt eines end­lo­sen Rin­gens um die Zukunft des Schulgeländes.

Querverweise

Älte­re Bei­trä­ge auf dem Wed­ding­wei­ser zum The­ma Ex-Diesterweg:

Wei­ter­füh­ren­de Links:

  • Web­sei­te der Non-Pro­fit-Initia­ti­ve ps.wedding
  • Web­sei­te der Senats­ver­wal­tung für Bil­dung zum The­ma Com­part­ment­schu­le als Schulraumqualität

Autorenfoto Andrei Schnell

And­rei Schnell erlebt eine Fort­set­zung des Tau­zie­hens um das Ex-Diesterweg.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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